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Review: Tod auf dem Nil

Nach dem Erfolg der spektakulärem Neuverfilmung von Agatha Christies Mord im Orient Express im Jahr 2017 war es eigentlich ausgemachte Sache, dass Regisseur-Star Kenneth Branagh, dessen epischer Schnauzbart wie ein pelziger Gesichtsgürtel aussieht, und Drehbuchautor Michael Green ein weiteres Mal jede Menge Hollywood Stars zusammenrufen würden, um mit ihnen in die Hercule-Poirot-Bibliothek der Krimi-Königin zu gehen. Wieder ging man auf Nummer Sicher, Tod auf dem Nil ist nicht nur ebenfalls ein sehr beliebter Christie Roman, er wurde genauso wie der „Orient Express“ bereits mehrfach verfilmt. 1978 mit dem unvergessenen Peter Ustinov und 2004 mit dem großartigen David Suchet. Dies ist nicht unproblematisch, den die beiden Romane sind sich nicht unähnlich und man fragt sich, warum Kenneth Branagh für seinen Einsatz als Hercule Poirot keinen anderen der 33 Romane oder einige der dutzend Kurzgeschichten als Grundlage verwendet hat.

Tod auf dem Nil löst zumindest einen ungeklärten Fall, bevor der Abspann läuft: die Herkunft von Hercule Poirots Schnurrbart. Laut Kenneth Branagh – der den berühmt-berüchtigten belgischen Detektiv von Agatha Christie nun bereits in zwei Filmen gespielt hat und auch Regie führt – ist das Ding, das wie ein stolzes geflügeltes Walross auf seiner Oberlippe thront, nicht nur ein Accessoire, sondern erzählt eine wahrlich tragische Geschichte.

Poirot überhaupt eine Hintergrundgeschichte zu geben, klingt fast abtrünnig in der Welt von Christie, deren säuberlich konstruierte Romane dazu neigen, in einem perfekten Vakuum eines englischen Gesellschaftszimmer zu spielen. Und Tod am Nil scheint hin- und hergerissen zu sein zwischen dem Respekt vor der Tradition und deren Abwandlung: Soll ein Film wie dieser in einer Welt nach „Knives Out“ ein klassischer Krimi für die ganze Familie sein oder etwas bewusst Metaphorisches und Modernes? Branagh entscheidet sich meist für Ersteres: eine Art üppige Dinner-Theater-Reduktion, gespickt mit Karikaturen, aufwendigen Kullisen und vielen CGI-Pyramiden.

Auch die Handlung bewegt sich im Allgemeinen im Tempo eines Schiffes, stattlich und gemächlich: Nach einer Rückblende auf den ersten Weltkrieg beginnt die Geschichte in einem Nachtclub der 1930er Jahre, in dem die mittellose, aber genetisch gesegnete Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey von Sex Education) und Simon Doyle (Armie Hammer, wahrscheinlich das letzte Mal, dass wir ihn für eine Weile auf der Leinwand sehen werden) bis über beide Ohren verliebt sind, oder zumindest in eine Art Lambada der Lust auf der Tanzfläche verwickelt. Sie stehen auch kurz vor der Hochzeit, bis Jacquelines beste Freundin, die schwanenhafte Erbin Linett Ridgeway (Gal Gadot), Simon über die Bar hinweg in die Augen schaut; plötzlich ist Jacqueline irrelevant, und es gibt eine neue Mrs. Doyle, die „Ich will“ sagt.

Als Jacqueline ihnen auf ihrer Hochzeitsreise in Ägypten folgt und sich nicht so leicht abschütteln lässt, bitten die Frischvermählten Hercule Poirot um Hilfe. Kann er sie auf ihrer Vergnügungsreise auf dem Nil begleiten, sowohl als Ehrengast als auch als Vermittler von verschmähten Frauen? Da es sich um einen ursprünglich 1937 erschienen Kriminalroman von Agatha Christie handelt, dauert es nicht lange, bis die erste Leiche auftaucht und jeder an Bord des Nildampfer Karnak zu einem Verdächtigen wird: der bebrillte Arzt und gehörnte Verlobte (Russell Brand); der zwielichtige Finanzmann (Bollywood-Star Ali Fazal); eine amerikanische Jazzsängerin namens Salome (Sophie Okonedo) und ihre Nichte Rosalie (Letitia Wright aus Black Panther); das begehrliche französische Dienstmädchen (Rose Leslie aus Game of Thrones). Sogar einige Damen der Gesellschaft, die kaum für etwas anderes als eine starke Tasse Tee und einen Keks zu töten scheinen, stehen auf der Liste, darunter die hochnäsige Marie Van Schuyler (Jennifer Saunders) und ihre treue Krankenschwester (Dawn French), sowie die herrische Witwe Euphemia (Annette Bening), die vor allem da ist, um an ihren Aquarellen zu arbeiten und ihren süßen, aber nichtsnutzigen Sohn Buoc (Tom Bateman) zu beaufsichtigen den wir schon in Mord im Orient Express kennengelernt haben.

Zumindest für eine Weile reicht es fast aus, ihnen dabei zuzusehen, wie sie alle ihren Akzent beibehalten (die Hälfte der britischen Schauspieler spielt Amerikaner und umgekehrt, oder irgendeinen kontinentalen Polyglotten dazwischen; Gadot wird einfach zu Gadot. Okonedo lehnt sich genüsslich in ihre schnurrende Diva hinein, wie eine Katze auf einem heißen Flussboot aus Blech, und Branaghs Poirot hat die pingelige Gelassenheit eines Mannes, der sich noch nie geirrt hat. (Allein seine Aussprache des Wortes „Gemüse“ ist ein kleiner, unsinniger Triumph des komischen Timings.) Hammer, dessen persönliche Skandale seine Karriere im vergangenen Jahr praktisch zum Stillstand brachten, muss nicht viel mehr tun, als sein Errol-Flynn-Grinsen aufrechtzuerhalten und libidinöse Blicke durch den Raum zu werfen,…

Es macht unweigerlich Spaß, diese vielen talentierten Schauspieler zusammenzubringen und ihnen dabei zuzusehen, wie sie über das Poopdeck flanieren, hüpfen und morden. Aber Tod auf dem Nil gibt vielen der großartigen Charakteren oftmals zu wenig zu tun, außer in Kostümen herumzustehen und darauf zu warten, dass Hercule einen Hinweis fallen lässt. Das größere Problem ist vielleicht, dass der Film zwar über großartige Ausstattung verfügt. So wurde in den britischen Filmstudios  unter anderem der Tempel von Abu Simbel auf Grundlage von zahlreichen Fotos und Vermessungen nachgebaut und die meisten Filmaufnahmen entstanden auf einem nachgebauten 70 Meter langen und 240 Tonnen schweren Ägyptischen Flusskreuzfahrtschiff, das in einem gigantischen Wassertank lag. Andere Teile des Fims wirken, als würden sie vor einer Reihe von weitläufigen Bildschirmschoner-Kulissen spielen müssen, die im negativen Sinne an Filme aus einer ganz anderen Zeit erinnern. Visuell fühlt sich Branaghs Ägypten immer wieder so an, als könnte es noch ein wenig weiter nach links schwenken und auf Charlton Heston auf einem Streitwagen treffen.

Wertung

Tod am Nil kann wie auch schon in der Buchvorlage nicht mit Mord im Orient Express mithalten und vor allem der Einsatz von digitalen Kulissen sticht in einigen Szenen, im Vergleich zu den sonst recht opulenten Kulissen, negativ ins Auge. Der Grund warum Fans von klassischen Krimis dennoch ins Kino gehen sollte heißt Kenneth Branagh! Der Schauspieler und Regisseur liebt Hercule Poirot und versucht Agatha Christies Charakter mit all seinen Facetten zu erfassen. So ist sein Hercule Poirot und sein Tod auf dem Nil anders als die Interpretationen von Peter Ustinov oder auch David Suchet, aber in den Szenen, in denen die Kamera auf ihn gerichtet ist, erwacht der kleine, große belgische Detektiv wahrlich zum Leben.

Kurzinformationen
Kinostart:  10.02.2022
Filmlänge: 127 Minuten
Land, Jahr: USA, 2022
Genre: Thriller/Krimi
Regie:Kenneth Branagh

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