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Review: The Walking Dead: Saints & Sinners

The Very Real - Walking Dead RPG

Die Ambition, mit der Entwickler Skydance Interactive an ihr neuestes Projekt The Walking Dead: Saints & Sinners herangetreten ist, ist wirklich bemerkenswert. So wollte nicht nur die Atmosphäre des beliebte Walking Dead-Franchise überzeugend in ein immersives Action-RPG versoftet werden, das Ganze sollte auch noch als eines der wenigen vollwertigen VR-Spiele glänzen und hier völlig neue Wege beschreiten. Das Resultat kann sich durchaus sehen lassen und vermag es, den hoch angesetzten Zielen erstaunlich gut gerecht zu werden.

Du kennst Walking Dead? Na dann los!

Auf die tatsächliche Rahmenhandlung wird hierfür nicht viel Zeit verschwendet und so findet ihr euch nach einer kurzen Geisterbahn-Fahrt durch einen Zombie-verseuchten Hafen auf einem Friedhof in New Orleans wieder. Zugegebenermaßen nicht der kreativste Ort für einen Zombie-Titel, weiß dieser aber nach kurzer Halbtoten-Säuberung mit einem netten Lagerplatz in Form eines umfunktionierten Schulbusses zu überzeugen.

Seht nur, der Super-Tourist!

Hier dürft ihr nun alles machen, was so in einem klassischen Survival Game dazu gehört. Sei es gefundene Gegenstände in Einzelteile zu zerlegen, daraus neue Waffen zu bauen, Fähigkeiten upzugraden, eure nächste Route zu planen oder über die Zombie-überlaufenen Nächte hinweg zu schlafen. Wer ihr seid, wird bewusst vernachlässigt und so wisst ihr lediglich, dass ihr nicht von hier und aus irgendeinem Grund immun gegen das Zombie-Gift seid, sowie das euch die Suche nach einem sicheren Reservat hierher getrieben hat. Ob ihr euch weiterführend als großer Retter oder verrückter Mörder gebt, bleibt mitsamt Konsequenzen gänzlich euch überlassen. Per in der Hand gehaltener Karte mit dem Finger auf eines der frei begehbaren Areale gezeigt, kann es dann auch schon losgehen.

Verdammt,…Verdammt!…VERDAMMT!

So haben die Entwickler merklich darüber nachgedacht, wie ein VR-RPG auszusehen hat und nützen die Möglichkeiten dieses Mediums in einem Ausmaß, an dem sich viel Konkurrenten ein Beispiel nehmen sollten. Beispielsweise wurde neben den glücklicherweise sehr weitreichend ausfallenden Grafik-Optionen vollständig auf Menüs verzichtet. Wollt ihr ein gefundenes Päckchen Zigaretten für später verstauen, dann greift über eure Schulter und steckt es in euren Rucksack. Wollt ihr eine Biss-Wunde verarzten, dann wickelt euch einen Verband um die Wunde. Wollt ihr wiederum einen Revolver schnell zugänglich haben, dann steckt ihn in den Holster an eurer Hüfte und wenn ihr ihn anschließend leer geschossen habt, heißt es wieder jede einzelne Patrone, möglicherweise mit einer kleinen Zombie-Horde im Nacken, in die Trommel zu laden.

#SafetyFirst

Doch die Immersion geht noch viel weiter. Klettert Fenstersims und Regenrinnen empor, um euch unbemerkt davon oder in Häuser zu schleichen, achtet dabei aber auf eure Ausdauer, um nicht mitten in einen Haufen Walker zu stürzen. Wird es dunkel braucht ihr eure Taschenlampe, haltet ihr diese jedoch in der Hand, könnt ihr damit nichts mehr aufheben, steckt ihr sie wiederum in eure Hemd-Tasche riskiert ihr versehentlich einem Zombie mitten ins Gesicht zu leuchten. Alles will abgewogen und gut überlegt sein.

Sir, würden Sie bitte ihren Finger aus meiner Nase nehmen?

Den größten Wow-Effekt erzielt der Titel aber mit seinen direkten Interaktionen mit Mensch und Zombie. So unterbrechen die liebevoll vertonten NPCs gernervt ihre Leidensgeschichte, wenn ihr ihnen plötzlich ein Finger in die Nase steckt. Umgekehrt kauern sie sich aber auch entsetzt zusammen, wenn ihr anschließend eine Pistole zückt oder sie stürzen sich in einen wahnsinnigen Überlebenskampf, wenn ihnen einfach ins Gesicht geschlagen wird.

Ich hab dich im Auge!

Die Verlockung dies jedoch zu tun ist ziemlich groß, denn während den Pistolen und Gewehren des Titels leider ein wenig der Wumms fehlt, ist das Nahkampf-System ein absolutes Highlight. Mit ordentlich Feedback steckt ihr Zombies oder jedem x-beliebigen NPC einen zuvor verschossenen Pfeil in den Schädel und spürt dann geradezu das Gewicht, wenn ihr versucht, eure Waffe wieder aus dem Leichnam zu ziehen. Haltet ihr dann den Kiefer eines Gegners mit einer Hand von euch fern und stecht ihm mit der anderen ein Messer in die Augenhöhle, ist die Befriedigung in etwa so groß wie die Daseins-Berechtigung des 18er-Ratings des Titels. Doch alles hat seine Konsequenzen, die Quests getöteter NPCs sind für euch für diesen Playthrough unzugänglich und natürlich kehrt der Getötete in bester Walking Dead-Manier schon bald als Walker zurück um bittere Rache zu nehmen.

Here’s a story, about a little guy, that lives in a grey world…

So abwechslungsreich die Kämpfe, Quests und zwischenmenschlichen Interaktionen auch ausfallen, so dröge und langweilig ist die Welt in der sie angesiedelt sind. Während die Walking Dead-Serie beispielsweise gerne mal die interessante Ambivalenz von Gräueltaten in picturesquen Szenarien herausstreicht, präsentiert sich Saints & Sinners in etwa so farbenfroh wie eine Zweiter Weltkriegs-Doku. Einige Objekte wie beispielsweise Autos oder Dreiräder werden außerdem teils gänzlich unlogisch und geradezu inflationär als Level-Beschränkungen verwendet und es mangelt schwer an wiedererkennbaren Stellen. Matschige Texturen und antiklimaktische Licht- und Explosions-Effekte runden die eher mäßige Optik ab.

Oh seht, oh seht! Ich komme viel zu spät

Am negativsten fällt aber das harte Zeitlimit ins Gewicht, welches stellenweise wirklich droht einem das Spiel zu verderben. So dauert ein Tag nur wenige Minuten und ihr habt im Grunde nur bis zur Nacht um eure Erkundungstouren abzuschließen. Wäre dies noch ein angebrachter Rahmen um das Gameplay in VR-taugliche Häppchen zu stückeln, wird es jedoch zur Geduldsprobe, segnet ihr bei einer dieser das Zeitliche. Nun habt ihr nämlich nur noch den Rest des übrigen Tages Zeit um eure Habseeligkeiten zurück zu ergattern bevor diese für immer verloren sind.

The Walking Living

Was in einem perfekt zu kontrollierenden Spiel möglicherweise noch ein akzeptables Gameplay-Element wäre, wirkt hier grenzwertig bis unpassend. Denn selbst sprintend bewegt ihr euch langsamer fort als so mancher Rollator-Fahrer und viele Tätigkeiten wie das Öffnen von Türen sind einfach zu fummelig um sie auch noch unter Zeitdruck zu bewältigen. Hier wäre ein besser anpassbarer Schwierigkeitsgrad gold wert gewesen, da gerade bei VR-Spielen mit unpräziser Steuerung derartiger Frust doppelt so schwer wiegt.

Fazit

Wertung: - 8

8

Walking (Dead) Simulator

The Walking Dead: Saints & Sinners ist in vielen Punkten ein wahrgewordener Traum für sowohl Zombie- als auch Virtual Reality-Fans und weiß dank durchdachter, gut abgestimmter VR-Immersion, solider Story und RPG-artigem Tiefgang zu überzeugen. Zwar mindern sowohl das eintönig gestaltete New Orleans als auch die unter Zeitdruck zu fummelig geratene Steuerung und das eher unbefriedigende Schuss-Feedback auf Dauer etwas das Gesamtbild, dennoch ist Entwickler Skydance Interactive hier eindeutig ein Meilenstein der VR-Geschichte gelungen, an dem sich hoffentlich viele ein Beispiel nehmen werden.

Genre: Survival Horror
Entwickler: Skydance Interactive
System: PC, PlayStation 4
Erscheint: Erschienen (PC), Q2 2020 (PS4)
Preis: ca. 34€

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