Review: Steelrising
Unrundes Uhrwerk in schöner Hülle
Seit ihrem Erstlingswerk Faery: Legends of Avalon ist das französische Entwicklerteam Spiders (nun unter Publisher Nacon Games) dafür bekannt, interessante neue Settings und Ideen in etabliertes Gameplay zu bringen. War ihr letzter Titel Greedfall ein im 17. Jahrhundert angesiedeltes Fantasy-Action Adventure mit klarem The Witcher-Einschlag, wagt sich das Studio nun mit Steelrising an ihr erstes Soulslike.
Dann sollen sie doch Uhren essen!
Das Setting von Steelrising präsentiert sich hierfür Studio-typisch wieder überaus reizvoll und unverbraucht. In einer alternativen Version der französischen Revolution greift Ludwig der 16. auf einer Armee alchemistisch belebter Uhrwerk-Roboter zurück, um das rebellierende Volk brutal zurückzuschlagen. Der Spieler übernimmt dabei die Rolle von Aegis, dem persönlichen Tanz-Droiden von Ludwigs Frau Marie-Antoinette, die des Königs Verfall zum Wahnsinn ebenfalls nicht mehr gutheißen will und Aegis entsprechend los schickt, um einen Weg zu finden, den verrückten Tyrannen zu stoppen.
Do You Hear the People Sing?
Aegis wird durch diese wage Aufgabe immer weiter in die Ereignisse rund um den Beginn der Revolution verstrickt und lernt so diverse geschichtsträchtige Figuren wie Jacques de Vaucanson, Marquis de La Fayette oder Jacques Necker kennen. Als einziger Droide auf Seiten des Volkes nimmt Aegis so nach und nach eine Schlüsselrolle in der Handlung ein, auch wenn sich ihre tatsächlichen Entscheidungsmöglichkeiten bis knapp vor Schluss größtenteils darauf beschränken, Nebenaufgaben zu erfüllen oder eben nicht.
Gemälde aus Kupfer und Blut
Optisch präsentiert sich das Kriegs-gebeutelte Paris des 18. Jahrhunderts wunderbar frisch und stimmungsvoll, mit harschen Kontrasten zwischen den pompösen Barock-Bauten, wunderschönen Schlossgärten und den heruntergekommenen Straßen der Armenviertel. Fantastische Lichtstimmungen und eine umwerfende Weitsicht komplementieren dabei die intensive Atmosphäre voller Leid, Tod und Verderben. Zeitgleich knüpfen gezielt gesetzte Straßenbarrieren, Trümmerhaufen und zerstörte Bauwerke die weitreichenden Areale zu einer sinnvollen Level-Struktur zusammen.
Ach hier bin ich!
Durch den so erreichten kompakten Aufbau und die klug gesetzten, immer zum Anfang zurückführenden Abkürzungen reiht sich Steelrising in diesem Bezug definitiv in die Elite der Soulsborne-Liga ein. Auch wenn stellenweise auftretende unsichtbare Mauern und eine gewisse Inkonsistenz bei zerstör- oder passierbaren Objekten, teils für Frust sorgen können.
Alchemie-Borne
Weniger prickelt sieht es dann leider beim Gameplay aus. So wurden auf den ersten Blick einfach sämtliche Genre-typischen Elemente übernommen. Leuchtfeuer mit sich dort regenerierenden Heiltränken, die zeitgleich alle Gegner wiederbeleben, eine Seelen-Währung die beim Ableben verloren wird, eine Ausdauerleiste sowie auflevelbare Werte und Waffen, die sich jeweils in die Kategorien “Groß und Schwer”, “Schnell und leicht” und “Magisch” (in diesem Fall per Alchemie) einordnen lassen.
Elektrifizierender Brand-Blizzard
Besagte Alchemie bezieht sich dabei auf Eis, Feuer und Strom, die jeweils die Gegner (oder euch selbst) nach ausreichend Treffern kurzzeitig einfrieren, zum Brennen bringen oder anfälliger für Schaden machen können. Zusätzlich haben schnelle Waffen die Fähigkeit, den Gegner kurz zu immobilisieren, während große Waffen den Gegner mit genügend Wumms in seiner Attacke unterbrechen oder sogar umwerfen können. Leider wurde hier darauf verzichtet, chemische/wissenschaftliche Erklärungen für diese Prozesse zu finden, weswegen in den jeweiligen Item-Beschreibung Alchemie im Grunde nicht von der typischen Magie zu unterscheiden ist. Eine vertane Chance.
Ich fächer dir gleich eine!
Soweit so bekannt, sind zumindest die Waffen selbst sehr abwechslungsreich und kreativ gestaltet und präsentieren sich als metallene Fächer, Pistolen-Schlagstöcke, Kettenkugeln, Klauen und aus Aegis Arm ausfahrbare Stangenwaffen. Jede Waffenart tritt dabei in verschiedenen Versionen und mit diversen tänzerischen Angriffsmustern auf, der wichtigste Unterschied liegt aber bei ihren jeweiligen Spezial-Angriffen.
Holpriger Tanz
Diese Spezial-Manöver ermöglichen es Aegis dann je nach Version zu Blocken oder zu Kontern, Elementar-Angriffe zu vollziehen oder schlichtweg besonders starke Attacken zu auszuführen. Leider wirkt das Kampfsystem aber trotz Aegis Tanzeinlagen sehr abgehackt und nicht gerade fließend. Zum einen werden Eingaben für Angriffe oft erst übernommen, wenn die vorige Attacke schon abgeschlossen ist, zum anderen verlangen Blocks und Konter stehen zu bleiben und sämtliche Manöver laufen immer identisch, ganz egal ob sich Aegis gerade in eine ganz andere Richtung bewegt hat. Eine stupide KI, die mit Treppen überfordert ist und gerne auch mal regungslos in der Gegend herumsteht, runden die unstimmige Erfahrung ab.
Feuer-Kick und Elektro-Haken
Ein paar nette neue Gameplay-Mechaniken haben es aber dennoch in das Spiel geschafft.
Ist Aegis Ausdauer-Leiste beispielsweise verbraucht, kann der überhitzte Roboter sich im Austausch gegen etwas Eisschaden schnell abkühlen. Metroidvania-artig lassen sich außerdem mit den ersten drei Boss-Gegnern neue Werkzeuge freischalten. Diese bringen im Kampf zusätzliche Möglichkeiten Elementarschaden auszuteilen und eröffnen neue Areale in bereits besuchten Gebieten, die vorwiegend für die wenigen, aber zumindest relativ interessant gestalteten Nebenaufgaben verwendet werden.
Wir haben Uhrwerk-Krieger in allen Geschmacksrichtungen
Das Gegner- und vor allem Boss-Design weiß ebenfalls konzeptionell und optisch zu beeindrucken und präsentiert einige nette Ideen, wie einen auf zwei Beinen laufenden Schmiedehammer oder einer Bischoff-Puppe, die versucht Aegis mit einer schnappenden Metal-Bibel zu packen. Die meisten Gegner und Zwischenbosse werden dabei in diversen Element-Variationen wiederverwendet, was aber zumindest genug Abwechslung bietet, um über den etwa 20-stündigen Spielverlauf nicht zu langweilen.
Magst du’s leicht oder extra-leicht?
Dank zu Dutzenden kauf- und sammelbaren Heiltränken und extrem mächtigen Elementar-Granaten bleibt der Schwierigkeitsgrad gerade für ein Soulslike auf einem überschaubaren Niveau. Wem das dennoch noch zu viel ist, der darf per aktivierbaren Assistenz-Modus dann endgültig jede Herausforderung aus den Kämpfen nehmen und das Spiel rein für seine Optik und Geschichte konsumieren, was Steelrising wohl zu dem Einsteiger-freundlichsten Genre-Vertreter aller Zeiten machen dürfte.
Uhrwerk-Hotte-Hü
Die sieben, per selbstfahrender Schnellreise-Kutsche ansteuerbaren Gebiete gestalten sich dafür nicht nur abwechslungsreich, sondern sind auch bis zum Rand gefüllt mit auffindbaren Verbrauchs- und Ausrüstungsgegenständen. So darf Aegis mit diversen Modulen (die leider keine optischen Auswirkungen haben) auf den ganz persönlichen Spielstil angepasst werden und sich so beispielsweise durch Konter-Attacken heilen. Zusätzlich auffindbare Outfits tragen wiederum Werte-technisch wenig Bedeutung, ermöglichen es aber, Aegis nach dem überschaubaren Charakter-Editor zu Beginn, auch optisch nach den eigenen Wünschen zu gestalten.
Uncanny Revolution
Auf technischer Ebene, kämpft der Titel in unserer Release-Version leider (ebenfalls Studio-typisch) mit diversen Problemen. Inkonsistent nachladende Texturen sorgen für eine unnötig stark schwankende Frame-Rate und bleiben teils sogar bei längerer Betrachtung matschig. Die kreativ gestalteten Kampfmaschinen stehen wiederum in kargen Kontrast zu im besten Fall zweckdienlich gestalteten Menschen-Modellen mit unterirdischen Gesichts-Animationen. Ein Set relativ solider Sprecher rettet hier die extrem Expositions-lastigen Zwischensequenzen davor, vollends in das alt-bekannte unheimliche Tal abzustürzen. PC-Spieler freuen sich zumindest über vielfältige Einstellungsmöglichkeiten zu Sichtfeld-Breite oder DLSS, während traurigerweise sehr lieblos integrierte Raytracing-Reflexionen wenig bis keinen optischen Mehrwert bringen.
Fazit:
Wertung: - 8
8
Steelrising ist ein solides, wenn auch nicht bahnbrechendes Soulslike, das sein erfrischendes Setting und sein großartiges Design leider auf ein sehr mittelmäßiges Gameplay mit vielen Ecken und Kanten verschwendet. Fans von Les Misérables oder Das Parfume, die sich schon immer gedacht haben, dass diesen Geschichten ein paar Uhrwerk-Roboter fehlen, dürfen trotzdem einen Blick riskieren. Vor allem weil der anpassbare Schwierigkeitsgrad auch für Nicht-Souls Veteranen einen leichten Einstieg ermöglichen dürfte.
Entwickler: Spiders
System: PS5, Xbox Series S/X, PC
Erscheint: 09.08.2022
Preis: ab 50 Euro
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