Review: Spider-Man: Fake Red

Daniel Dorner19. September 2025

3 Minuten gelesen

Was ist Spider-Man? Ist es Peter Parker, der nach einem Spinnenbiss übermenschliche Fähigkeiten erhält? Oder ist es eine Maske, die jeder tragen kann? Und was passiert, wenn der Mann hinter der Maske einfach verschwindet, ohne dass es jemand bemerkt?

Genau diese Fragen wirft der Manga „Spider-Man: Fake Red“ auf. Die Geschichte beginnt damit, dass der Highschool-Schüler Yu Omomae einen erstaunlichen Fang macht: Er findet das Kostüm der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft. Von Peter Parker fehlt dabei jede Spur. Yu ist eigentlich ein Loser, ohne Freunde und ohne Selbstwertgefühl. Doch als New York einen Helden braucht, fasst er einen gefährlichen Entschluss.

Ein falscher Held im echten Kostüm

Für Yu ist das rot-blaue Kostüm (im Manga freilich schwarz-weiß) zunächst nicht mehr als ein Cosplay-Accessoire. Er schießt Selfies und übt im Zimmer das Netzschwingen. Als er merkt, dass es sich um den Anzug des beliebtesten Helden New Yorks handelt, will er ihn zurückgeben. Doch ohne die Identität von Peter Parker zu kennen, ist das unmöglich.

Bei einer weiteren „Cosplay-Session“ in der Stadt wird er plötzlich angefleht, bei einem Feuerwehreinsatz zu helfen. Wider aller Vernunft stürmt Yu in das brennende Gebäude. Beflügelt vom Adrenalin und dem Glauben der New Yorker an Spider-Man, vollbringt er tatsächlich ein kleines Wunder. Kurz darauf wird er zum Helden, der die Stadt beschützen muss — ganz ohne Superkräfte.

Tolle Charaktere in einer knackigen Story

Yu auf seinem Weg vom unsicheren Schüler zum Helden zu begleiten, ist das Herzstück von „Spider-Man: Fake Red“. Obwohl er nicht Peter Parker ist – oder vielleicht gerade deswegen – wird Yus innerer Konflikt zwischen seinem Leben als Schüler und seiner neuen Rolle als Held nachvollziehbar. Er hat keine „große Kraft“, die ihm „große Verantwortung“ auferlegt. Yu springt für Spidey ein, weil er es für das Richtige hält und Menschen in Not sind. Dabei schöpft er immer wieder Kraft aus der Bedeutung, die Spider-Man in seinem eigenen Leben hat.

Als Otto Normalverbraucher schwebt Yu in irrsinniger Gefahr, wenn er sich von Gebäude zu Gebäude schwingt. Jeder Kampf hinterlässt Wunden, die seinen Alltag beeinflussen. Das macht den großen Reiz des Mangas aus: Auf clevere Weise muss es Yu immer wieder gelingen, Spider-Man zu spielen, ohne dabei draufzugehen. Da kann es schon mal vorkommen, dass er die U-Bahn nimmt, um eine Schurkin zu verfolgen.

Aber wo steckt Peter Parker? Seine Geschichte wird in einzelnen Kapiteln beleuchtet und zeigt die Schwierigkeiten seines Lebens auf gelungene Weise. Ein packend inszenierter Schlagabtausch zwischen dem echten Spider-Man und Scorpio in einem Flashback ist ein weiteres Highlight.

Manga – ein ungewohntes aber effektives Medium für die Spinne

Yusuke Osawa zeichnet „Spider-Man: Fake Red“ wie einen erstklassigen Shōnen-Manga. Schläge knallen hart, „Spidey“ schwingt sich dynamisch durch die Luft, und New York wird mit all seinen Charakteren lebendig aufs Papier gebracht. Auch ruhigere, introspektive Momente werden durch gekonnten Einsatz von Licht und Schatten erzeugt und bilden die leisen Highlights des Mangas. Einzelne farbige Seiten werden für besonders wichtige Szenen genutzt – und wenn sie kommen, möchte man am liebsten gar nicht weiterblättern. Der Stil passt perfekt zur kurzen, in sich geschlossenen Geschichte. Kleine Easter Eggs und Anspielungen auf das erweiterte Marvel-Universum versüßen zudem ein zweites Durchlesen.

Fazit

„Spider-Man: Fake Red“ ist eine hoffnungsvolle, kleine Geschichte, die den Mythos von Spider-Man in den Vordergrund stellt. Die Figur hat für jeden eine andere Bedeutung, und der Manga zeigt den Wert, zu einer Heldenfigur aufschauen zu können. Die geradlinige, kurze Geschichte schafft es, die wichtigsten Kernelemente einer Spider-Man-Geschichte aus einem Setting zu extrahieren, in dem Peter Parker fast keine Rolle spielt. Die Handlung wird mit dem Ende des schönen Bandes abgeschlossen. Auch wenn nicht jeder Handlungsstrang zu einem befriedigenden Abschluss kommt, ist „Fake Red“ ein poppiger, actiongeladener Manga mit tollen Charakteren und einer liebevoll illustrierten Geschichte.