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Review: Sid Meier’s Civilization: Beyond Earth

Das Schicksal unserer Erde sieht düster aus – aber vielleicht gibt es eine Hoffnung in der Ferne des Alls. Mit Raumschiffen werden ausgewählte und auch ausgeloste Mitglieder unserer Gesellschaft ins Ungewisse geschickt – doch können sie dort eine neue Zivilisation aufbauen und die Gefahren der fremden Umgebung weitab von zuhause bewältigen?

Dass Beyond Earth schon seit seiner Ankündigung mit Alpha Centauri verglichen wurde, liegt aufgrund der Prämisse auf der Hand: Das Spiel beginnt dort, wo eine Partie Civilization (zumindest nach einem Wissenschaftssieg) endet – nämlich mit der Reise zu den Sternen – und das eigentliche Gameplay dreht sich um die Kolonialisierung unserer neuen Heimat. Bevor wir dort allerdings landen, müssen wir einige Entscheidungen treffen – und bereits hier zeigt sich, dass Beyond Earth das Civilization V-Gameplay nimmt, aber mit einer ganzen Menge Baukasten aufpeppt. Beginnen wir in Civ V mit einer Fraktion samt vorgegebenen Boni und speziellen Einheiten, basteln wir hier unsere Startvorteile selbst zusammen, indem wir unseren „Sponsor“ (quasi die Nationalität) wählen, bestimmen, welche Kolonisten an Bord unseres Raumschiffes sind, sowie die Spezialausstattung und Fracht unseres Gefährtes festlegen. All diese Entscheidungen haben Auswirkungen auf den unmittelbaren Spielstart, bei dem wir unsere Landeposition festlegen – genau dort wird auch unsere erste Stadt errichtet.

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Was nun folgt, wird den meisten Civilization V-Spielern vertraut vorkommen, denn in vielen Gameplaybelangen gleicht Beyond Earth seinem direkten Vorgänger bis aufs Haar – denn ganz ehrlich, ob die Währung nun „Gold“ oder „Energie“ heißt und man auf die „Gesundheit“ oder „Zufriedenheit“ seiner Bevölkerung achten muss, ist blanke Kosmetik. Halten wir also fest: Auch in Beyond Earth errichtet ihr neue Siedlungen, baut Einheiten, verschiebt diese über Hexfelder, auf denen sich nur eine Einheit befinden darf, lasst eure Arbeiter Ressourcen verfügbar machen und schlagt euch mit außerirdischen Lebensformen und euren Nachbarn herum, die natürlich ebenfalls die Dominanz über den Planeten erreichen wollen. Gerade in dieser Hinsicht sollten also all jene, die Civilization V kennen, auch bei Beyond Earth einen leichten Einstieg haben.

Keine Neuerungen also? Mitnichten. In einigen Details haben sich die Entwickler entschieden, das Gameplay gründlich zu verändern und haben dabei meist darauf abgezielt, das Spiel offener zu gestalten. Ein schönes Beispiel dafür ist die Forschung. Das Grundprinzip ist zwar gleichgeblieben (man entscheidet sich für eine neue Technologie und muss dann so viele Runden warten, bis genügend Forschungspunkte gesammelt wurden, um diese freizuschalten), aber die recht lineare Forschung aus Civilization wurde gegen ein System ersetzt, das euch erlaubt, ganz spezifisch in gewisse Richtungen zu forschen und andere Bereiche links liegen zu lassen. Ein Vergleich: In Civilization hat man meistens die Wahl zwischen ungefähr fünf Technologien, aber da alle einen großen Baum bilden, bleibt es einem nicht erspart, das Rad zu erfinden, bevor man das Bankwesen entwickelt. In Beyond Earth ist der Forschungsbaum allerdings eher ein Kreis, den wir von der Mitte aus erkunden – und in welche Richtung wir entlang der zahlreichen Verbindungen gehen, bleibt uns überlassen. Natürlich gibt es auch hier Abhängigkeiten (um nach außen zu kommen, muss man die Technologien auf dem Weg dorthin freischalten), aber man kann einen sehr spezifischen Fokus festlegen und andere Technologien außen vor lassen. Damit noch nicht genug, hat jeder Knotenpunkt in diesem Netz noch weitere „Blätter“, die ihr in beliebiger Reihenfolge erforschen könnt, sobald ihr die Grundtechnologie erforscht habt. Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch – es dauert ein paar Partien, bis man den Überblick über den Tech-Tree bekommt, was auch daran liegt, dass die futuristischen Technikbeschreibungen einfach nicht so intuitiv sind wie „das Rad“ in einer Partie Civ (ein Schicksal, das die Technik mit den diversen Gebäuden teilt). Dann ist es allerdings ein mächtiges System, das euch spezifisch das erforschen lässt, was ihr im Moment oder für den Sieg im Spiel benötigt.

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Das ist auch ein gutes Stichwort, um auf die Siegbedingungen im Spiel einzugehen. Nur eine davon wird euch auf Anhieb bekannt vorkommen – um die militärische Dominanz über den Planeten zu erringen, müsst ihr die Hauptstädte aller Konkurrenten erobern. Dies ist auch die einzige, die ihr ohne Vorbedingungen erreichen könnt, denn alle anderen bilden kleine Questreihen, für die ihr einige Aufgaben erledigen müsst – ganz zu schweigen davon, dass ihr natürlich Forschung in die richtige Richtung betreiben müsst. Drei davon erfordern darüber hinaus, der richtigen geistigen Haltung zu folgen – einer weiteren Erweiterung von Beyond Earth, die man am ehesten mit einer ausgebauten Version der Ideologien aus dem zweiten Civilization V-Add-on vergleichen kann. Hier sollte man sich frühzeitig damit beschäftigen, wie man mit dem Planeten umgehen will: Glaubt man an die Reinheit, will man vor allem die Menschheit und ihre Traditionen so erhalten, wie sie ist; die Anhänger der Vorherrschaft glauben ebenfalls an die Menschheit, allerdings sind sie davon überzeugt, dass man fremde Technologie und Xeno-Biologie assimilieren sollte, um sich weiterzuentwickeln. Und dann gibt es da noch die Verfechter der Harmonie, die in Frieden mit dem Planeten und den einheimischen Lebensformen leben wollen und nach Transzendenz streben. Jeder von ihnen hat seine eigene Siegbedingung, die nur erlangt werden kann, wenn sich euer Volk weit genug einer gewissen Richtung verbunden fühlt. Wer sich nicht festlegen will, kann übrigens auch den Sieg erringen, indem er die Funkverbindung zu den ehemaligen Bewohnern des Planeten aufbaut. Auch dafür muss aber natürlich in die richtige Richtung geforscht werden.

Die Affinitäten sind allerdings mehr als nur ein Mittel zum Zweck, denn sie ziehen sich durch das ganze Spiel. Gewisse Forschungsergebnisse bringen Punkte für eine der drei Schulen; die neuen Quests, die euch vor kleinere Aufgaben stellen, aber manchmal auch nur eine Entscheidung verlangen, verändern nicht nur in kleineren Belangen das Gameplay (bringt eine gewisse Stadterweiterung +1 Energie oder +1 Nahrung?), sondern hat auch Auswirkungen auf eure Affinität zu einem der drei Bereiche. Mit genügend Punkten steigt ihr hier Level für Level auf und erhaltet die entsprechenden Boni. Außerdem bestimmen diese, wie sich eure Einheiten fortentwickeln können. Im Gegensatz zu der Vielzahl an Units, die es in Civilization gibt, ist hier nämlich die Auswahl deutlich eingeschränkt; als Ausgleich werden sie sich stetig weiterentwickeln und dabei nicht nur anhand eurer Affinität zu mächtigeren Einheiten, sondern auch durch Boni, die ihr bestimmen könnt. Das sorgt dafür, dass selbst eine Partie mit derselben Affinität sich sehr anders spielen kann. Vermischt mit den (schon aus Civ V bekannten) Politiken, die sich mit Kultur freischalten lassen (aber nun in größeren Bäumen arrangiert sind), und dem deutlich aufgepeppten Spionagesystem zeigt sich Beyond Earth äußerst flexibel – aber dadurch auch deutlich komplexer als eine Partie Civilization V, selbst mit beiden Add-ons.

Review Overview

Wertung - 8.5

8.5

komplexes Sci-Fi Civ V

Schon Eingangs wurde erwähnt, dass Beyond Earth seit der Ankündigung als Alpha Centauri-Nachfolger galt. Misst man das Spiel an diesem Maßstab, verliert BE ganz klar nach Punkten: Alpha Centauri bot jede Menge Neuerungen, die damals der Civ-Reihe voraus waren, während Beyond Earth nie ganz den Eindruck vermeiden kann, irgendwo zwischen Add-on, umfassendem Mod und Sequel mit derselben Engine zu liegen – ein wenig so, wie es bei Civ IV mit dem Stand-alone Civ IV: Colonization der Fall war. Das soll jetzt allerdings nicht heißen, dass Beyond Earth ein schlechtes Spiel wäre – es nimmt das Grundgerüst von Civ V, verpflanzt es auf einen anderen Planeten und rührt eine gute Portion Sandbox in das Spielprinzip. Das ist einerseits die größte Stärke des Spiels – durch seine Offenheit gibt es viele Möglichkeiten, den Sieg davonzutragen, und die KI kann durchaus ebenfalls plötzlich einen Triumpf aus dem Hut zaubern, mit dem wir nicht gerechnet hätten –, aber auch die größte Schwäche, denn auch wenn das Spiel auf niedrigen Schwierigkeitsgraden viele Fehler verzeiht, tappt man als Einsteiger oft im Dunkeln, wie man nun eigentlich voran gehen sollte. Aus diesem Grund würde ich auch jedem, der mit Beyond Earth liebäugelt, definitiv vorschlagen, zuerst ein paar Partien Civ V samt Add-ons zu spielen und so die Grundprinzipien kennenzulernen und dann erst zu BE zu wechseln.

Genre: Strategie
Entwickler: Firaxis
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 50 Euro
System: Windows

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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