Review: Nobody Wants to Die
Das kurzweilige Cyberpunk-Noir-Story Erlebnis des Sommers 2024!
Was würde passieren, wenn die Menschen einen Weg finden würden, den Tod optional zu machen, indem sie ihr Bewusstsein von einem Körper in einen anderen übertragen? Nobody Wants to Die beantwortet diese typische Frage der Science Fiction auf die realistischste Art und Weise, die möglich ist: Die Reichen leben ewig, und die Armen leben kaum noch!
High Tech, Low Life
Schon als die ersten Szenen aus Nobody Wants to Die des polnischen Entwicklerstudios Critical Hit Games erstmals zu sehen waren, war von einem Grafikwunder die Rede. Doch lange Zeit zweifelten Fans, dass das Spiel überhaupt erscheinen wird, denn es wurde leider und immer leiser um den Titel. Nun ist er, ganz ohne großes Trara, für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S erschienen. Eigentlich kein gutes Zeichen, aber wie uns bereits das fantastische Hi-Fi Rush bewiesen hatte, gibt es Ausnahmen. Eine solche ist auch Nobody Wants to Die, denn das Science-Fiction-Noir-Game hat weit mehr als nur eine wunderschöne Optik zu bieten.
Spieler erwartet ein recht kurzes, rund fünfstündiges Abenteuer, das aber auch um ein Drittel eines Vollpreis-AAA-Videospiels zu haben ist. Gespart wurde in Sachen Qualität keineswegs. Wissen muss man allerdings, woraus man sich einlässt, denn auch wenn hier einiges an ein Cyberpunk 2077 erinnert, ist Nobody Wants to Die eher ein interaktiver Game-Film denn ein Action-Kracher mit spielerischer Freiheit. Was an Gameplay-Freiheiten fehlt, wird aber durch die Handlung entschädigt, die uns ins Jahr 2329 versetzt – und in eine dystopische Zukunftsvision von New York, in der die Menschheit die Grenze zur Unsterblichkeit endlich durchbrochen hat.
Inmitten fliegender Autos im Oldtimer-Look, neonbeleuchteter Häuserschluchten und grellen Hologrammen an allen Ecken entfalten sich dann fünf Erzählstränge rund um Todesfälle, denen der Detective James Karra gemeinsam mit der jungen Polizistin Sara Kai nachgeht. Klar, die typischen Klischees gibt es auch. Unser Detective ist nicht erst nach einer Nahtoderfahrung völlig am Ende und versucht, seinen Schmerz in Alkohol und Nikotin zu versenken, während unsere Begleiterin am Funkgerät nur so vor Enthusiasmus sprüht und uns zeigen will, dass unser Leben sehr wohl noch einen Sinn hat. Mord droht dann, die Stadt ins Chaos zu stürzen.
Was folgt, ist eine hervorragend erzählte Handlung, die zum Teil an Cyberpunk 2077, zum Teil an Blade Runner erinnert, aber durchaus eigene Ideen zeigt und die Spannung von Anfang bis Ende hochhält. Die Science-Fiction-Achterbahnfahrt lebt von ihrer imposanten Grafik und bringt uns Science-Fiction-Elemente wie Bewusstseins-Transfers und Cyber-Kontrollmodule ebenso näher wie klassische Krimi-Aspekte rund um Intrigen, Verrat, Korruption bis in die höchsten Kreise und das Motto „Geld regiert die Welt“. Spektakuläre Optik, spannende Erzählung, Nobody Wants to Die würde genauso gut statt als Spiel als Film im Kinosaal funktionieren.
Spielerisch präsentiert sich das Ganze in etwa wie Quantic Dreams Detroit: Become Human, mit dem Nobody Wants to Die sich nicht nur die Science-Fiction-Inhalte, sondern auch die tiefgründigen Fragen nach Menschlichkeit und Moral widmet. Auch im Werk der Critical Hit Games darf man in Dialogen zwischen mehreren Antwortmöglichkeiten wählen – anders als in „Detroit: Become Human“ hat die jeweilige Wahl aber weniger inhaltliche Auswirkungen, sondern verändert nur den Charakter unseres Protagonisten und den Wert seiner Beziehung zu seiner Polizisten-Partnerin am Funk. Und auch das übrige Gameplay ist deutlich eingeschränkt.
Im linearen Noir-Thriller erkundet man sehenswerte Schauplätze, darf da aber gerade mal die Szenerien absuchen – ähnlich, wie das in Cyberpunk 2077 geschieht. Per Röntgensicht und Infrarotsensor untersucht man die Schauplätze nach Spuren, sammelt Objekte und Beweise ein und liest sich durch Schriftstücke. Ist all das erledigt, kommt eine Video-Beweisführung zum Einsatz. In dieser müssen Spieler ihre Erkenntnisse einbringen, können das Geschehen in Videorekorder-Manier vor- und zurückspulen und sollen im Idealfall bei einem Hinweis-Puzzle herausfinden, was genau an einem Tatort geschehen ist – und wer dafür verantwortlich ist.
Zwar laufen alle Fälle nach demselben Schema ab und es gibt keinerlei actionreiche Abwechslungen und auch Fehler kann man keine bei den Ermittlungen machen, die einzelnen Tatorte sind aber so spannend wie die gesamte Handlung gestaltet und fesseln zumindest beim ersten Durchzocken immens. Gar nicht gering ist allerdings der Wiederspielwert, denn das Game hat mehrere verschiedene Enden zu bieten, auch wenn im Spieldurchlauf nicht ganz klar wird, wie man eigentlich zu welchem Ende gelangt. Die meisten Wahloptionen verändern nämlich wie erwähnt nur die Persönlichkeiten – etwas Raten ist also durchaus angesagt.
Und das entschärft auch einen der größten Knackpunkte etwas, denn nach gut fünf Stunden ist man bereits am Ende der Ermittlungen angelangt. Gerne hätten wir uns da einige Spielstunden mehr gewünscht, denn die Fälle sind kurzweilig und die Story ist sehr gut. Immerhin aber kann man versuchen, die vier Enden allesamt zu erleben – dazu ist aber immer ein neuer Durchlauf notwendig, denn manuelle Speicherstände darf man sich nicht anlegen, um die Story für bestimmte Enden zu einem späteren Zeitpunkt zu starten und zu verändern. Wäre ja auch zu schade, nach nur fünf Stunden nur ein paar Minuten in die weiteren Durchläufe zu investieren.
Technisch ist alles supersauber umgesetzt, wobei am meisten beeindruckt, wie viel Arbeit das kleine Studio in ihr Erstlingswerk gesteckt hat und was da mit der Unreal Engine 5 entstanden ist. Nobody Wants to Die sticht mit seiner traumhaften Optik zahlreiche Vollpreis-Titel namhafter Entwicklerstudios ohne Probleme aus. Auch die Soundkulisse passt perfekt dazu, Ruckler und Bugs kommen so gut wie gar nicht vor. Stattdessen darf man sich voll auf die fantastische Erzählung einlassen und bekommt ein morbid-makaberes Bild einer Zukunft serviert, in der Reiche ihre Körper wie Handtaschen tauschen, Arme als Material dafür dienen.
Nobody Wants to Die ist eine Grafik- und Story-Perle, die das Gameplay auf Dialog-Entscheidungen und Tatort-Untersuchungen beschränkt und damit in bester Gesellschaft von Games wie „Detroit: Become Human“ ist, bei dem dies schon toll funktioniert hat. Auch die nur rund fünf Spielstunden sind im Endeffekt verschmerzbar, denn mit alternativen Enden ist etwas Stoff für einen Wiederspielwert geboten. Der Premierentitel des polnischen Entwicklers ist aber auch ein Aushängeschild in technischer Hinsicht. Und eines, das es uns kaum erwarten lässt, was da an Hochglanz-Optik und erzählerischen Ideen noch so alles kommen mag.
Fazit
Wertung - 8
8
Nobody Wants To Die ist ein durch und durch unterhaltsame Cyberpunk-Detektivthriller. Das Gameplay während der Ermittlungen kann sich ein wenig oberflächlich anfühlen, aber die Geschichte entfaltet sich in einem flotten Tempo, und die Entwickler nutzen clevere visuelle Tricks, um euch davon zu überzeugen, dass das Spiel viel größer ist, als es tatsächlich ist, und präsentiert euch unvergessliche Stadtlandschaften aus der Zukunft, die ständig unerreichbar sind. Es ist alles eine Illusion, aber eine schöne. Auch der faire Preis von unter 30 Euro machen dieses Spiel zu einem Tipp für alle Liebhaber des Genres!
Entwickler: PlayStation 5, Xbox Series, GeForce Now, Microsoft Windows
System: Critical Hit Games
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 25 Euro