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Review: Ni No Kuni II: Schicksal eines Königreichs

Zurück in eine magische Welt

Es ist nicht leicht, König zu sein – und schon gar nicht, wenn man schon vor der Krönung in einem Coup abgesetzt wird und das Land verlassen muss. Doch der junge jetzt-doch-nicht-Herrscher von Katzbuckel namens Evan ist nicht bereit, sein Schicksal einfach anzunehmen. So beginnt eine märchenhafte Reise, die das emotionale Zentrum von Ni No Kuni II – Schicksal eines Königreichs bildet. Kann Level-5 auch beim zweiten Ausflug in die wunderbare andere Welt überzeugen?

Ein Blick zurück

Beantworten wir gleich zu Beginn eine nicht ganz unerhebliche Frage: Muss man den Vorgänger gespielt haben, um die Geschichte von Ni No Kuni II zu verstehen? Die Antwort darauf ist ein klares „Nein“. Die Ereignisse rund um den kleinen Oliver, der beim Versuch den Tod seiner Mutter ungeschehen zu machen in eine völlig andere Welt gelangt, liegen in diesem Teil weit in der Vergangenheit – so weit, dass sie nur noch eine Legende sind. Ja, es gibt einige kleinere Anspielungen, die allerdings für die Handlung nicht wichtig sind; ja, wir bereisen dieselbe Welt, doch diese hat sich seit den Ereignissen des Vorgängers stark genug verändert, dass sich auch hier kein Vorteil für Kenner des Originals ergibt. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist der unglaubliche Charme, mit dem das Spiel präsentiert wird. Auch ohne Mitarbeit von Studio Ghibli, die Ni No Kuni so zauberhaft machten (und mit Zeichentricksequenzen ausstatteten), sorgen etliche zurückkehrende Schlüsselfiguren im Entwicklerteam dafür, dass die Lebewesen, Charaktere und Locations ihren ganz eigenen, oft sehr bunten, cartoonhaft überzeichneten Charme und Detailverliebtheit bieten.

Nicht ganz an alte Qualitäten anschließen kann allerdings die Geschichte. War Olivers Reise in Teil eins ein starkes emotionales Zentrum, ist Evans Story „nur“ ein durchaus zweckdienlicher roter Faden. Auch seine Begleiter bleiben ungewöhnlich blass, was vor allem bei Roland schade ist; dieser wird im Intro noch wie die eigentliche Hauptfigur vorgestellt, muss aber dann den Fokus recht bald an Evan abgeben und tut darüber hinaus die plötzliche Veränderung in seinem Leben eher mit einem Schulterzucken ab, als sie ausgiebig zu erkunden.  Hier wurde durchaus Potenzial verschenkt – und zwar auch, weil die Dynamik zwischen dem erfahrenen Roland und dem jungen Evan mit großen Träumen eine wichtige Achse der Geschichte darstellt. Dennoch hat Roland hier sogar noch einen gewissen Vorteil, denn die anderen Partymitglieder bleiben noch blasser.

Die Reise des jungen Königs

In einer Zeit, in der die Entwickler das JRPG-Genre gerne ausgiebig reformieren würden, fühlt sich Ni No Kuni II auf angenehme Art und Weise altbacken an. Die Geschichte führt ganz klar einem roten Faden entlang von A nach B, wodurch Sidequests und andere Erkundungen uns zwar ganz schön vom Pfad abbringen können, aber dennoch gesamt stark auf Linearität gesetzt wird. Wie in vielen Klassikern gibt es außerdem eine klare Trennung in das Erkunden von Locations und der Wanderung auf der Weltkarte von Ort zu Ort. Ersteres lässt uns in Third-Person-Sicht durch die Gegend laufen und die Umgebung genau erkunden, in zweiterem können wir unsere Party weitere Strecken zurücklegen lassen, können aber genauso Schätze und Items einsammeln. Angenehm ist dabei, dass wir die Reise zu einem Ort normalerweise nur einmal zurücklegen müssen, denn die Entwickler haben ein praktisches Teleportsystem eingebaut, das uns komfortabel lange Reisen abkürzt. Das ist vor allem deshalb praktisch, weil wir im Laufe der Geschichte oft quer durch die ganze Welt geschickt werden und auch schon besuchten Orten einen weiteren Besuch abstatten, wiederholte längere Laufstrecken aber dennoch vermieden werden können.

Schläge austeilen!

Sowohl auf der Überlandkarte als auch beim Erkunden von Höhlen, Dungeons oder ähnlichem kann es zu Gefechten kommen. Klassische Random-Encounter, bei denen man irgendwann unvermittelt aus dem Erkunden herausgerissen wird, gibt es nicht, stattdessen sind eure Gegner sichtbar, sodass ihr auch versuchen könnt, ihnen auszuweichen. Kommt es dennoch zum Kampf, werdet ihr einen der größten Unterschiede zum Vorgänger bemerken: Die seltsame Mischung aus Echtzeit- und rundenbasiertem Kampf wurde ebenso abgeschafft wie eure Vertrauten, die Pokémon-artig für euch kämpfen konnten. Das neue Kampfsystem ist stattdessen sehr actionbetont und lässt euch aktiv mit euren Nah- oder Fernkampfwaffen angreifen und ebenso aktiv blocken, was vor allem dem Tempo dieser Gefechte entgegenkommt – Kämpfe mit klassischen Trashmobs sind häufig, dauern aber nicht lange und sind deshalb keine lästige Unterbrechung des Erkundens. Das liegt auch daran, dass abseits der Weltkarte nicht in eine spezielle Kampfarena gewechselt, sondern direkt „vor Ort“ gekämpft wird.

Dennoch bleibt das System taktisch alles andere als flach, wofür einige zusätzliche Mechanismen sorgen. So hat zum Beispiel jeder Charakter mehrere Skills, die er verwenden kann, sondern kann auch mehrere Nahkampfwaffen ausrüsten und zwischen diesen auf Buttondruck wechseln (was nicht nur aufgrund ihrer Stats, sondern auch aufgrund eines Aufladungssystems samt Auswirkungen auf eure Fähigkeiten wichtig ist). Dazu kommen die Gnuffies, putzige kleine Kreaturen, die euch im Kampf gerne mit ihren Fähigkeiten unterstützen, wenn ihr zum richtigen Zeitpunkt zu ihnen lauft und sie aktiviert. All diese Systeme fügen sich zu einem interessanten Mix zusammen, der allerdings unter einer Sache leidet: Man muss die vielen Möglichkeiten kaum ausnutzen. Das liegt daran, dass der Schwierigkeitsgrad von Ni No Kuni II vor allem in der ersten Hälfte viel zu niedrig geraten ist und zwar später anzieht, uns aber dennoch selten wirklich fordert. Für Verwirrung in diesem Punkt sorgen auch die Level-Angaben unserer Kontrahenten: Bisweilen konnten wir relativ problemlos Gegner einer Stufe deutlich über unserer besiegen, an anderen Stellen konnten uns laut Anzeige fast gleichwertige Gegner mit einem Schlag K.O. schlagen. Hier wäre wohl noch mehr Balancing vonnöten gewesen.

Mein Königreich

Nach ein paar Stunden Spielzeit hat Evan zumindest ein Zwischenziel erreicht und darf über sein eigenes Reich herrschen. Das bringt zwei weitere wichtige Elemente ins Spiel, denn als König darf Evan auf die Arbeit seiner Untertanen zählen, auch wenn er noch immer die meiste Zeit mit seiner Party ins Abenteuer zieht. Erstens gibt es nun Schlachten, in denen der König bis zu vier Anführer samt dazugehörigen Truppen ins Gefecht führen kann. Dies setzt grundsätzlich auf eine Art Schere/Stein/Papier-System, aufgepeppt mit einigen zusätzlichen Kommandos, die Evan oder seine Anführer geben können. Leider sind diese Gefechte nur mäßig spaßig, denn was ein interessantes Mini-Echtzeit-Strategiespiel werden hätte können, leidet unter minimalen taktischen Möglichkeiten und Problemen mit der Steuerung, da man die Truppenteile nicht etwa auf der Karte klug platzieren kann, sondern einfach nur um Evan rotieren kann. Das führt immer wieder dazu, dass plötzlich Einheiten miteinander kämpfen, die gar nicht aufeinander losgehen hätten sollen.

Wesentlich besser gelungen ist da schon die ebenfalls enthaltene Städtebausimulation light, mit der wir Evans Königreich hoffentlich zum Blühen und Gedeihen bringen. Nimmt der König auf seinem Thron Platz, kann er diverse Gebäude errichten lassen, seine Untertanen zur Arbeit in diesen Bauwerken einteilen, das Königreich aufwerten, Forschung in Auftrag geben und nach und nach die Gewinne einsammeln. Erwartet euch hier auf keinen Fall die Komplexität von Sim City und Konsorten, denn zum Beispiel ist klar vorgegeben, an welchem Ort ein Gebäude errichtet werden kann; dennoch macht es durchaus Spaß, nach und nach neue Einwohner für euer Königreich einzusammeln (was oft die Motivation für die Sidequests darstellt) und Zauber, Gnuffies, Waffen, Rüstungen und noch vieles mehr zu erstellen oder zu verbessern.

Aug und Ohr

Neben all diesen Veränderungen ist es gut, dass einige Dinge, die das Original so unverwechselbar gemacht haben, den Sprung ins Sequel geschafft haben. Das ist einerseits der wunderbar orchestrale Soundtrack, der einige Themen des Vorgängers (in zum Teil neuen Arrangements) recycelt, aber auch die Optik, die nach wie vor den märchenhaften Zeichentrick-Charme des Vorgängers versprüht. Etwas gewöhnungsbedürftig ist hier nur der Chibi-Look in manchen Bereichen des Spiels, unter anderem auf der Weltkarte. Letztere dürfte auch die Hardware besonders fordern, denn bei der getesteten PS4-Version sank hier bisweilen die Framerate merkbar, allerdings ohne unspielbar zu werden. Ein etwas geteiltes Bild hinterlässt auch die Sprachausgabe: Zwar ist die Qualität der (englisch oder optional auch japanisch) gesprochenen Texte durchaus gelungen und punktet unter anderem mit dem verspielten Einsatz von Akzenten, allerdings wurde nur ein Bruchteil des Spiels tatsächlich voll vertont. Meist beschränken sich die Entwickler auf Textboxen und mehr oder weniger dazu passende Ein-Wort-Ausrufe der sprechenden Charaktere. Apropos Texte: Diese sind auch auf Deutsch verfügbar, an die Verspieltheit der englischen Version reicht die Übersetzung allerdings nicht heran und auch einige Eigennamen wurden völlig unterschiedlich übertragen, was vor allem in der Kombination englische Sprachausgabe / deutscher Text bisweilen für Verwirrung sorgt. Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau und schadet dem Charme von Ni No Kuni II nur unerheblich, sodass ihr euch ohne Bedenken für die deutsche Version entscheiden könnt, wenn ihr euch mit dieser wohler fühlt.

Fazit

Wertung - 8.5

8.5

Märchen-haft und voller Herz

Der erste Ni No Kuni-Teil hält einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen. Statt wie die Konkurrenz eine düstere, erwachsene Geschichte zu erzählen, verpackten Level-5 und Studio Ghibli ihre durchaus emotionale Themen ansprechende Story in einer wunderbar präsentierten, bunten Welt und erschufen damit mein persönliches JRPG-Highlight der letzten Konsolengeneration. Ni No Kuni II muss also in große Fußstapfen treten – und ich freue mich sagen zu können, dass das im Großen und Ganzen auch gelungen ist. Nicht immer geht der Vergleich allerdings vorteilhaft für das Sequel aus: So hatte Teil eins definitiv die bessere Geschichte, während Evans Abenteuer eher ein wenig dahinplätschern und auch einige Gelegenheiten für interessantes Storytelling ausgelassen werden; auch die neuen Gefechte sind eher ein Flop denn ein Hit und das Balancing könnte besser sein. Dafür wurde an vielen anderen Baustellen gefeilt und verbessert. Das neue Kampfsystem geht deutlich flotter von der Hand und unterbricht das Erkunden nur noch minimal; das Aufbauen eines Königreichs motiviert deutlich mehr zu den diversen Sidequests als das alte Stempel-System, auch wenn diese über weite Strecken relativ normale „töte Monster X“ oder „bringe mir Item Y“-Aufgaben sind – wie gut, dass es das Teleportsystem gibt, das solche Quests schnell erledigen lässt. Aber vor allem haben beide Spiele eine große Gemeinsamkeit: eine ordentliche Portion Herz und eine bunte Präsentation, die das Kind in uns anspricht, ohne dass der Titel deshalb gleich zum Kinderspiel degeneriert. Wer eine Auszeit von „düster“ und „erwachsen“ braucht und sich auch nur irgendwie mit dem kindlicheren Stil des Spiels anfreunden kann, sollte deshalb einen Ausflug in die andere Welt planen. Es lohnt sich!

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Level-5
System: PlayStation 4, PC
Erscheint: 23.03.2018
Preis: ca. 70 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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