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Review: Jurassic World

In Stephen Spielbergs Klassiker Jurassic Park aus dem Jahr 1993 ist der erste Dinosaurier in seiner vollen Pracht erst nach einer Laufzeit von 20 Minuten zu sehen, der große Auftritt der Hauptattraktion in Form des Tyrannosaurus Rex lässt sogar über eine Stunde auf sich warten. 22 Jahre sind seitdem vergangen und die damals mittels bahnbrechender Spezialeffekte auf der Kinoleinwand zum Leben erweckten Dinosaurier sind ein alter Hut. In Zeiten, in denen Transformers ganze Städte auseinandernehmen und mehrmals jährlich Superhelden im Kino zum Leben erwachen, sind „lebensechte“ Dinosaurier nicht mehr genug. Ähnlich verhält es sich in Jurassic World, dem wahrgewordenen Traum von John Hammond.

Auf Isla Nublar aus dem ersten Film wurde etwa zwei Jahrzehnte nach dem ersten Vorfall ein voll funktionstüchtiger Vergnügungspark errichtet, der geklonte Dinosaurier, Fahrgeschäfte, Kinos und einen Streichelzoo bietet. Doch irgendwann sind normale Dinosaurier selbstverständlich gewordenund sogar der Tyrannosaurus Rex hat an Anziehungskraft eingebüßt. Getrieben von Profitgier wird der Indominus Rex im Labor herangezüchtet, eine Kreuzung verschiedener Dinosaurierarten, die mit mehr Zähnen und noch aggressiverem Verhalten das Interesse neu entfachen soll.

Selbstverständlich läuft die Situation katastrophal aus dem Ruder.

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Der Indominus Rex bricht aus und bringt über 20.000 Besucher in tödliche Gefahr. Inmitten des Amoklaufs befinden sich Claire Dearing (Bryce Dallas Howard), die als Parkmanagerin die kühle geschäftliche Berechnung hinter dem Park und seinen lebenden Attraktionen repräsentiert, ihre Neffen Zach (Nick Robinson) und Gray (Ty Simpkins) sowie der Ex-Marine Owen Grady (Chris Pratt), der seine Zeit damit verbringt, die Velociraptoren des Parks zu trainieren. Er ist der einzige, der die Dinosaurier im Gegensatz zu Claire, dem Sicherheitschef Hoskins (Vincent D’Onofrio) und dem Wissenschaftler Dr. Wu (BD Wong aus dem Originalfilm) nicht als Wirtschaftsgut, potenzielle militärische Waffe oder Kreation begreift, sondern als Lebewesen.

Genau in dieser Hinsicht äußert der Film unterschwellige Kritik am Bestreben von Unternehmen, immer weiter zu wachsen und mehr Einkommen zu generieren. Die Devise „mehr Zähne bedeuten mehr Umsatz“ lässt sich auch als Analogie auf Sommer-Blockbuster lesen, die ihr Publikum mit immer größeren Explosionen und mehr Spektakel zu ködern versuchen.

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In seinem Herzen ist Jurassic World eine direkte Fortsetzung zu Steven Spielbergs Originalfilm und ignoriert die Ereignisse aus Vergessene Welt: Jurassic Park und Jurassic Park 3 kurzerhand, obwohl sie nach wie vor zum Kanon zählen. Auch Nostalgie wird mit allerlei clever eingewobenen Erinnerungen an den Originalpark und kleinen Anspielungen bestens bedient. Trotzdem steht der Film auf eigenen Beinen und nutzt das vorhandene Fundament, um eine eigene Geschichte zu erzählen und neue Ideen einzuflechten. So verkommen die „dressierten“ Raptoren keinesfalls zu Haustieren, sondern werden zu interessanten und unberechenbaren Akteuren. In den richtigen Kontext gesetzt macht sogar Chris Pratts Motorradausflug an der Seite der Raptoren Sinn.

Neben dem Indominus Rex, den Raptoren und dem bereits seit über 20 Jahren auf der Insel lebenden Tyrannosaurus Rex glänzen auch Claire und Owen als neue Charaktere im Franchise. Zwar reichen sie nicht an Jeff Goldblums genialen Ian Malcolm, Laura Derns Ellie Sattler oder den ikonischen Alan Grant (Sam Neill) heran, dienen aber als Sympathieträger und machen eine angemessene Charakterentwicklung durch. Dabei wird vor allem der Archetyp der verklemmten Karrierefrau aufgebrochen. Chris Pratt hat außerdem spätestens mit Guardians of the Galaxy bewiesen, dass er einen großen Blockbuster problemlos tragen kann.

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Kleine Probleme gibt es stellenweise mit der Charakterisierung, wenn etwa Owen sich zu sehr als Macho gibt oder die die Kinderdarsteller schnell zwischen kindlicher Verzückung und Bedrücktheit ob ihrer kritischen familiären Situation wechseln. Eine Nebenhandlung, die auch gestrichen hätte werden können. Im Jahr 2015 muss es auch nicht mehr sein, dass eine Frau den ganzen Film über in Stöckelschuhen vor Dinosauriern wegläuft. Bryce Dallas Howard erklärte in einem Interview, dass sie sich lieber in unpraktischen Schuhen bewegte, als barfuß durch das naturbelassene Terrain zu müssen. Die Sinnhaftigkeit innerhalb des Films darf aber stark angezweifelt werden.

Die Geschichte von Jurassic Park und in weiterer Folge auch die von Jurassic World kann naturgemäß lediglich auf einen einzigen Film ausgelegt sein, denn wer würde nach einer Dino-Katastrophe abermals einen Park errichten – es sei denn über 20 Jahre sind vergangen. Doch Jurassic Park 2 und 3 lösten das Problem, indem kurzerhand die Nachbarinsel Isla Sorna und ihre geheime Dinozuchtstation behandelt wurde. Teil 4 stellt eine abgeschlossene Handlung dar, doch es scheint fast so, als wolle man sich durch eingestreute Ereignisse gegen Ende trotzdem die Option zu weiteren Fortsetzungen offenhalten.

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Review Overview

Wertung - 8

8

Dinotastisch!

Jurassic World mit dem Originalfilm von 1993 zu vergleichen wäre unfair, alleine die technischen Durchbrüche zementieren den ersten Teil als Klassiker der Filmgeschichte. Diesen Status wird der Film nicht erreichen, dazu fehlt es hier und da an Suspense und einprägsameren Charakteren. Doch davon abgesehen liefert Colin Trevorrow einen überdurchschnittlichen Sommer-Blockbuster ab, der eine bekannte Formel mit eigenen Ideen weiterentwickelt und in einem Finale gipfelt, das jeden Fan frohlocken lassen wird.

Jurassic World (2015)jurassic world
Regie: Colin Trevorrow
Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver, Colin Trevorrow, Derek Connolly
Mit: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Ty Simpkins, Nick Robinson, Vincent D’Onofrio, Irrfan Khan, Jake Johnson, BD Wong
Länge: 124 Minuten
Kinostart: 11.06.2015

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