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Review: Jessica Jones (Spoilerfrei)

Marvel und Netflix schicken nach Daredevil mit Jessica Jones das nächste zukünftige Defenders-Mitglied ins Rennen. Die 13-teilige erste Staffel wurde wie für den Streaming-Anbieter üblich auf einmal veröffentlicht, wodurch jeder für sich entschieden kann, in welchem Tempo die Serie konsumiert wird.

In Jessica Jones hat jeder Charakter mit seinem eigenen Trauma zu kämpfen. Die Privatdetektivin Jessica Jones (Krysten Ritter) versucht vergeblich, ihre emotionalen Wunden mit Alkohol zu betäuben. Obwohl sie übermenschliche Stärke besitzt, hatte sie gegen ihren Erzfeind Kilgrave („Doctor“ David Tennant) keine Chance, der anderen mit nur einem Wort seinen Willen aufzwingen kann. Doch auch er hat mit ganz eigenen Traumata zu kämpfen, ähnlich geht es den anderen Charakteren in der Serie. Luke Cage (Mike Colter), der 2016 seine eigene Netflix-Serie erhält, hat seine Frau verloren und Jessicas beste Freundin Trish Walker muss mit ihrer schwierigen Kindheit fertig werden.

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Während in Daredevil häufig die Fäuste flogen, spielt sich bei Jessica Jones das Leid meist auf der emotionalen Ebene ab. Alle Charaktere müssen gegen ihre eigenen Dämonen kämpfen, wodurch ein weiterer thematischer Schwerpunkt ins Spiel kommt: Sucht. Egal ob Alkohol, Macht oder Medikamente: oft ist weniger die Frage relevant, wie sich Jessica und ihre Freunde vor Kilgrave schützen können, sondern ob sie sich selbst zerstören, bevor er überhaupt ins Spiel kommt.

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Trotz der vielen erwachsenen Themen (auch Sex – sowohl einvernehmlicher als auch Vergewaltigungen) handelt es sich um eine Superheldenserie. Jessica und „Power Man“ Luke Cage wirbeln von Kilgrave gesteuerte Widersacher ohne Probleme durch die Luft und reißen ganze Wände mit bloßen Händen ein. Diese Sequenzen sind wesentlich seltener als im Quasi-Vorgänger Daredevil und lassen die rohe Gewalt und den Realismus des roten Teufels von Hell’s Kitchen vermissen. Sie sind zwar gut choreografiert, wirken aber durch Jessicas und Lukes Superkräfte nicht, als könnten sie jederzeit in der Realität stattfinden.

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Neben Ritters toller Darbietung einer Heldin, die sowohl schwer gezeichnet als auch ein zertifizierter Badass ist, sticht vor allem David Tennant als Kilgrave hervor. Die Handlungen des Antagonisten sind äußerst banal. Seine Boshaftigkeit begründet sich in einer traumatischen Vorgeschichte und der Fähigkeit zur Gedankenkontrolle, die sich mit der alltäglichen Obsession eines Mannes vermengen, der zurückgewiesen wurde und sich auf die Verflossene (in diesem Fall Jessica Jones) fixiert. Durch die langsam erzählten 13 Episoden hat Tennant ausreichend Zeit, einen vielschichtigen Charakter darzustellen, der sich neben dem Kingpin und Loki an der Spitze der Schurken im Marvel Cinematic Universe einreiht.

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Zweitmeinung von Michael Furtenbach:
Nach Daredevil waren die Erwartungen an Jessica Jones hoch. Bei der zweiten Marvel-Produktion mit einer weiblichen Titelrolle handelt es sich vor allem um eine Heldin, die nicht schon Jahrzehnte auf dem Buckel hat, sondern erst 2001 von Brian Michael Bendis entwickelt wurde. Schon in der ersten Folge merkt man, dass Jessica Jones mit deutlich weniger Budget auskommen muss als „der Mann ohne Furcht“. Stattdessen entfaltet sich mit einer recht gemächlichen Geschwindigkeit und ungeheurem Tiefgang bei den Charakteren einen harte Thriller-Handlung, wie sie das Marvel Cinematic Universe noch nicht gesehen hat. Schnell ist man dankbar, dass ABC die Serie nicht wie ursprünglich geplant ins Programm genommen, sondern dem Streaming-Anbieter Netflix den Vortritt gelassen hat. Die Frau hinter der Serie ist übrigens Melissa Rosenberg, die schon als Autorin und Executive Producer an Dexter werkte und dort sogar für einen Emmy nominiert wurde. Neben der Handlung tragen auch die ausgezeichneten Schauspieler die Serie, die auch perfekt funktionieren würde, wenn es keine Verbindung zu Marvel gäbe. Allen voran David Tennant, dessen Darstellung von Kilgrave auf einen Schlag zu den besten Marvel-Bösewichten überhaupt zählt. Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die zweite Staffel von Daredevil und Luke Cage im nächsten Jahr!

Zweitmeinung von David Birkner:
Nach dem schon guten Daredevil setzt Neflix mit Jessica Jones noch einen drauf. Die Serie besticht durch eine unkonventionelle Protagonistin, mehrere gute weibliche Charaktere und einen außergewöhnlichen Antagonisten. Bis auf Loki sind die Gegenspieler in den Marvel-Filmen recht zweidimensional, Netflix hat mit Daredevils Kingpin und Jessica Jones’ Kilgrave gleich zwei davon. David Tennant liefert hier eine Glanzleistung ab und spielt den Psychopathen Kilgrave furchteinflößend, aber auch manchmal sympathisch, was ihn aber noch bedrohlicher macht. Wie Kingpin sieht sich auch Jessicas Gegner nicht als böse, was einfach zu einem weitaus interessanteren Antagonisten führt. Jessica Jones ist von Anfang bis Ende mitreißend, und ich freue mich jetzt noch mehr auf Luke Cage, Iron Fist und The Defenders.

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Review Overview

Wertung - 9

9

Düstere Charakterstudie

Obwohl Jessica Jones im großen Marvel-Universum mit Stars wie den Avengers oder Guardians of the Galaxy angesiedelt ist, gibt sich die erste Staffel einsteigerfreundlich. Die Serie bleibt in ihrer eigenen kleinen Welt und ignoriert die Kinofilme mit ihren aus dem Himmel stürzenden Städten großteils. Die dunkle Netflix-Ecke im Marvel Cinematic Universe erzählt wesentlich ausgereiftere Geschichten als die großen Blockbuster und richtet sich an ein erwachsenes Publikum. Jessica Jones‘ Einstand ist nicht nur für Marvel-Verhältnisse großartig, sondern auch gesondert beurteilt äußerst faszinierend.

Jessica Jones, Staffel 1
FSK:
 Keine Angabe
Genre: Drama
Bei Netflix verfügbar

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