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Review: God of War

Wiedergeburt eines blassen Kriegers

Es ist bizarr. Ausgerechnet der Neustart von God of War soll eine emotionale, nuancierte Handlung erzählen. Mit einem taktischen Kampfsystem und Rollenspielelementen. Jene Serie, in der noch vor wenigen Jahren ein überzeichnet wütender Spartaner mit seinen Chaosklingen herumwirbelte und – zugegeben noch ein paar Jahre davor – per Knopfduck eine „Vase zum Wackeln“ brachte. Bei Odins Bart: Sonys Santa Monica Studio hat die Herausforderung mit Bravour gemeistert.

Die Schatten der Vergangenheit

Der Kurswechsel äußert sich schon in den ersten Spielminuten. Kratos fällt wehmütig einen Baum und trägt ihn zusammen mit seinem Sohn Atreus zu einer einfachen Hütte mitten im Wald. Vieles hier riecht nicht nach „klassischem“ God of War. Zunächst einmal subtile Emotion, dann natürlich das Setting. Der einstige Wüterich trägt nun einen prächtigen Vollbart und hat sich im hohen Norden niedergelassen, dem Olymp und seinen toten Bewohnern den Rücken gekehrt.

Die Schatten der Vergangenheit kehren aber immer zurück, wenn auch in neuen Formen. Gezwungenermaßen macht sich das Duo also auf, um – wie könnte es in einem God of War-Spiel anders sein – den höchsten Baum aller Welten zu besteigen. Die Welten beziehen sich natürlich auf die nordische (oder wahlweise auch Marvel-) Mythologie. Der Weltenbaum Yggdrasil verbindet die neun Welten, darunter Midgard, die Welt der Menschen, Jotunheim, Niflheim oder Wanenheim.

Kratos mit Gefühlen

Wie bereits die griechische Götterwelt interpretiert God of War die Herrscher des Nordens auf seine ganz eigene Art mit wunderbar geschriebenen Dialogen und fantasievollen Charakterdesigns. Die Handlung kann diesmal auch mehr, als einfach einen furchtbar wütenden (und blassen) Mann auf die versammelte Götterwelt loszulassen. Vielmehr handelt es sich um eine persönliche, emotionale Story, die einfach in einer Welt voller Magie und bizarren Kreaturen spielt.

Okay, Kratos hat also diesmal sogar Gefühle außer unbändiger Wut. Heißt das also, dass er Konflikte mit wohl gewählten Worten aus der Welt schaffen will? Mitnichten! Statt mit seinen ikonischen Chaosklingen einen fast tänzerisch anmutenden Klingenwirbel auf seine Gegner loszulassen, hackt er roh wie ein Holzfäller so lange mit der Leviathan-Axt auf Untote und weitere Unholde ein, bis sie sich nicht mehr bewegen.

Axtmörder

Doch keine Angst. Die Kämpfe sind nicht langweilig oder gar eintönig, wohl aber langsamer und bedachter als in den arcadigen Vorgängern. Leichte und schwere Schläge müssen mit geschicktem Einsatz des Schildes kombiniert werden. Außerdem dürfte Kratos zu Thor geschielt haben. Leviathan kann geworfen und per Tastendruck wieder zurückgeholt werden. Die Frost-Axt wird bei Rätseln außerdem dazu benutzt, Mechanismen einzufrieren oder anzutreiben.

Sogar Atreus macht sich nützlich und piesackt Gegner aus der Ferne mit Pfeil und Bogen. Diese Attacken können per Tastendruck dirigiert werden. Wozu? Weil getroffene Gegner für wenige Augenblicke nicht mehr angreifen können. Der perfekte Moment, um Trollen, Draugaren und Co. ordentlich die Zähne neu zu richten.

Rollenspiel

Offensichtlich ambitioniert waren die Pläne der Entwickler, aus der Neuerfindung von God of War mehr als nur eine schön erzählte Story mit brutalen Kämpfen zu machen. Das Spiel birgt Rollenspielmechaniken zum Abwinken. Egal ob craftbare Rüstungen, die tatsächlich an Kratos und Atreus angezeigt werden, oder zahlreiche Ressourcen und Fähigkeitenbäume sowie Zauber, Runen, Charakterwerte und passive Effekte: Diesmal muss man Zeit in Menüs verbringen, um die Killermaschine Kratos zu perfektionieren.

Positiv: Es ergibt sich ein individueller Spielstil und eine Richtung, in den man den bleichen Krieger entwickelt, denn in einem Spieldurchgang kann man nie alle Fähigkeiten freischalten. Gleichzeitig ist es aber auch anstrengend, ständig die Ressourcen mitzuverfolgen und Werte zu vergleichen, wenn man eigentlich lieber untote Schädel von ihren untoten Körpern befreien würde.

Grafik-Olymp

Ähnlich wie in Uncharted: The Lost Legacy öffnet sich God of War nach einiger Zeit und lässt Spieler ein großes Areal frei erkunden. Im Gegensatz zum Schatzjäger-Abenteuer werden hier aber mehr offene Gebiete offeriert, die auch Nebenmissionen sowie geheime Bereiche mit Schätzen bergen. Mehr noch: Die Welt von God of War ist so offen, wie sie es in einem linearen Singleplayer-Spiel nur sein kann. Zelda lässt übrigens grüßen, denn mit Werkzeugen lassen sich später Pfade öffnen, die anfangs noch verschlossen waren.

Die „offene“ Welt ist auch eine Konsequenz daraus, wie das Spiel inszeniert wird. Die Technik-Magier aus Santa Monica haben es (vermutlich mit schwarzen Künsten) geschafft, dass die gesamte Handlung als eine Kamerafahrt ohne Schnitte erzählt wird – ganz ohne Ladebildschirme. Wälder, Eisseen, Gletscherhöhlen und fremde Reiche werden mit akribischer und atemberaubender Aufmerksamkeit für jedes winzige Detail dargestellt. Optisch und akustisch (hach, diese Chöre, die so klingen, als würden sie von bärtigen Wikingern gesungen) spielt God of War ganz oben auf dem PS4-Olymp mit.

Fazit

Wertung - 9

9

God of War erfindet sich neu. Das mag wie ein abgedroschener Talking Point aus irgendeinem PR-Plan klingen, ist aber einfach wahr. Es hat einen Grund, warum sich hinter dem Titel keine „4“ befindet. Es handelt sich um die Wiedergeburt eines Franchise, die auch vor radikalen Änderungen nicht zurückschreckt. Dafür gebührt Sony Santa Monica Respekt – und Bewunderung, weil nahezu alles (bis auf übertriebene RPG-Mechaniken) atemberaubend gut gelungen ist.

Genre: Action
Entwickler: Sony Santa Monica Studio
System: PS4
Erscheint: 20. April
Preis: ca. 70 Euro

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