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Review: Far Cry 6

Mit Far Cry 6 möchte Ubisoft die bisherige Formel der beliebten Shooter-Reihe aufbrechen und schickt uns mit neuen Storytelling-Methoden, unorthodoxen Superwaffen und einem neuen Progressions- und Gearsystem in ein vertrautes Setting. Ob und wie gut den Entwicklern die angedachte Evolution im Endeffekt gelungen ist, lest ihr hier.

Bienvenidos a Yara

Far Cry 6 spielt auf der fiktiven karibischen Insel Yara, die nicht nur rein optisch an Kuba erinnert – auch wenn sich Ubisofts Marketingabteilung auch bei diesem Spiel zu keiner politischen Aussage hinreißen lassen möchte. Gleich geblieben ist auch das zugrunde liegende Spielkonzept. Wie gewohnt bereisen wir eine große Open-World, die von einem charismatischen Antagonisten unterjocht wird. Anton Castillo, verkörpert von Breaking Bad-Bösewicht Giancarlo Esposito, ist der selbst ernannte Befreier Yaras, regiert das schöne Inselreich mit eiserner Hand und wieder liegt es an uns das schöne Inselreich vom Diktator und seinen Handlangern zu befreien. Als Spieler schlüpfen wir in die Rolle des Ex-Militärs Dani Rojas, diesmal auch wieder wahlweise als weibliche Protagonistin, die zu Beginn des Spiels Zeugin der Skrupellosigkeit Castillos wird und sich in Folge dem wachsenden Widerstand auf Yara anschließt.

Mujeres y hombres

Anders als es bislang in der Ego-Shooter-Reihe üblich war, bekommen wir unser Alter Ego recht häufig zu Gesicht. Nicht nur in den zahlreichen Zwischensequenzen, sondern auch im Spiel, denn sobald wir uns in einem der über die drei Hauptbereiche der Insel verteilten Guerilla-Lager befinden, switcht das Spiel in eine Third-Person-Ansicht. Dani hat somit weitaus mehr Screentime als alle bisherigen Protagonisten von Far Cry, was uns stärker an den Charakter binden und der Storyentwicklung zugutekommen soll.

Neu ist auch das Progressions-System in Far Cry 6, das dieses Mal vollkommen auf Loot setzt. Zwar steigen wir auch hier mit jeder abgeschlossenen Mission im Spielerlevel, unsere Fähigkeiten werden diesmal allerdings von unserem Erscheinungsbild geprägt. So finden wir im Spiel jede Menge neue Guerilla-Outfits und jedes Kleidungsstück verfügt über spezielle Buffs, Perks und Fähigkeiten, wodurch wir Dani unserem Spielstil entsprechend anpassen können. Vom passenden Beinkleid über Kleidungsstücke für Kopf, Rumpf und Hände erstreckt sich das Repertoire. Mit der richtigen Kleidung können wir beispielsweise Loot durch Wände sehen, uns gegen die unterschiedlichen Munitionsarten schützen oder leiser durch feindliche Basen schleichen usw. Manche Kleidungsstücke wie die feuerfesten Handschuhe, mit denen Dani automatisch Flammen erstickt, sobald wir Feuer fangen, haben sogar spezifische Eigenschaften. Sollte euch euer Look einmal gar nicht zusagen, könnt ihr die entsprechenden Attribute auch auf ein anderes Kleidungsstück derselben Gattung übertragen – nett.

Me gusta la música

Schon bei Far Cry 5 hat uns die musikalische Untermalung, die wirklich hervorragend zum religiösen Hillbilli-Setting des letzten Hauptteiles passte, sehr gut gefallen. Mit Far Cry 6 setzen die Entwickler sogar noch eines drauf und präsentieren uns ein musikalisches Potpourri aus den diversen lateinamerikanischen Genres – von klassischen Gitarren-Stücken bis zum Latino-Hiphop ist hier alles Vertreten. Besonders witzig: gefällt Dani einer der Songs besonders gut, wird schon mal kräftig im Auto mitgesungen, natürlich mit der entsprechenden Portion an „emoción“. Auch grafisch ist Far Cry 6 schön anzusehen, bietet viel tektonische Abwechslung, knackige Texturen – dank dem zusätzlich erhältlichen Texturenpack – und durch den stimmungsvollen Tag-Nachtwechsel sogar den ein oder anderen Postkartenmoment. Leider unterstützt Far Cry 6 auf der neuen Konsolen-Generation kein Raytracing. So bleibt auch hier zumindest noch im Moment der schale Beigeschmack eines „hochskalierten“ Last-Gen-Titels für die neue Konsolen PlayStation 5 und Xbox Series X/S. Ob wir hier mit einem Upgrade rechnen können, ist noch nicht bekannt.

Ultimo supremos

Eines darf in einem Far Cry natürlich nicht fehlen – jede Menge Waffen. Auch in Far Cry 6 können wir wieder auf ein äußerst umfangreiches Repertoire zurückgreifen. Fündig werden wir beim nächstgelegenen Waffenhändler oder sonst wo in der Spielwelt – bei gelegentlichen Waffen-Drops von Gegnern oder in den auf Yarna verstreuten Depots und Rüstkammern. Und natürlich wäre Far Cry nicht Far Cry, wenn wir nicht auch ein wenig an den Wummen rumbasteln könnten. Jede Waffe im Spiel lässt sich an einer der zahlreichen Werkbänke mit Loot verbessern, mit unterschiedlicher Munition bestücken und je nach Gattung mit Zielfernrohren, selbst gebastelten Schalldämpfern oder speziellen Fähigkeiten ausstatten. Sogar die Farbgebung lässt sich verändern und auch ein kleiner Talismann lässt sich stilvoll an der Waffe anbringen. Mit den richtigen Waffen lässt sich jedes der unterschiedlichen Szenarien gut meistern und auch eine kleine Armee samt gepanzerten Fahrzeugen stellt dann kein allzu großes Problem mehr dar.

Anders als die Armee des Diktators, sind die Kämpfer des Widerstands notorisch unterbewaffnet. Um diesen Umstand wieder wettzumachen, können wir die Dienste von Juan Cortez in Anspruch nehmen. Der findige Kriegsveteran und Waffennarr stellt uns mit dem richtigen Loot die sogenannten “Resolver-Waffen” her, spezielle Superwaffen, die er uns bereitwillig aus diversen Schrottteilen und einer Prise radioaktivem Feenstaub zusammenstellt und die allesamt auf klingende Namen wie “El Muro”, eine kurzläufige Shotgun inklusive robustem Körperschild, “El Susurro” eine lautlose Nagelpistole oder “El Pequeño”, eine Minigun die Cortez aus einem alten Motorradmotor bastelt, lauten, um nur einige zu nennen.

So richtig austoben kann sich Cortez aber bei den von im getauften “Supremos” – Technikrucksäcke, die über einen Specialmove inklusive Cooldown verfügen und somit an die diverse Helden-Shooter der letzten Jahre erinnern. Darunter “El Volta”, ein elektrifizierter Rucksack, der bei Aktivierung eine EMP-Ladung abgibt und Feinde, Fahrzeuge oder Alarmanlagen außer Gefecht setzt oder der raketenwerfende “Exterminador”, der schon mal in brenzligen Situationen schnell ein feindliches Lager leerräumen kann. Zudem bieten die Supremos noch Platz für Gadgets wie Wurfmesser, Molotov-Cocktails, EMP-Granaten und mehr. Wie auch immer man sich entscheidet Far Cry 6 zu spielen, Cortez hat einen Supremo für jeden Geschmack.

Yo soy un caballero

Platz finden wir auch auf oder in den verschiedenen Gefährten auf Yarna. Von Motorrädern, Trucks, Geländewagen oder Panzern, über Hubschrauber, Wingsuite und Flugzeuge – die Möglichkeiten zur Fortbewegung sind mannigfaltig. Auch spezielle Fahrzeuge wie ein 1950er Sedan, der natürlich hervorragend zum kubanisch-angehauchten Setting passt, können freigeschaltet und im Anschluss mit Waffen, Panzerung oder netten Accessoires ausgestattet werden.

Das Highlight unter den Fortbewegungsmitteln sind jedoch ganz klar die Pferde, die wir überall auf der Insel antreffen. Wir können sie streicheln, füttern und natürlich reiten und anders als die meisten Fahrzeuge eignen sich die Vierbeiner hervorragend für unwegsames Gelände. Tierisch wird es auch bei der Wahl der Kampfgefährten, die Dani im Kampf gegen Castillos Soldados unterstützen und befehligen kann. Die Palette der Amigos reicht hier von einem Krokodil mit dem klingenden Namen “Guapo” über den niedlichen Vierbeiner “Chorizo” oder dem Kampfhahn “Chicharron”.

Viva la Revolución?

Im Grunde klingt das alles nach einem gelungenen Spiel, oder? Leider stimmt das nur zum Teil, denn viele der Neuerungen in Far Cry 6 wurden nicht ganz zu Ende gedacht. Auch wenn uns die Entwickler zum Glück nicht mehr gleich von Beginn an mit einer unglaublichen Anzahl an Missionszielen erschlagen, decken wir auf Ubisofts bislang größter Far Cry-Welt nach und nach jede Menge Haupt- und Nebenmissionen und anderem Zeitvertreib auf, der zwar wieder sehr unterhaltsam gestaltet wurde, im Grunde aber an denselben Open-World-Krankheiten leidet wie viele Spiele der letzten Konsolengeneration. Wir finden viel repetitives Gameplay, eine durchwegs dumme Gegner-KI und einige unausgegorene Spielelemente, die eher an den Launch eines neuen Servicegames erinnern als an ein fertiges Spiel zum Vollpreis.

Das Loot- und Progressionsmodell bietet an sich eine willkommene Abwechslung, funktioniert aber nur bedingt, da wir schon früh im Spiel sehr durchlagskräftige Spezialwaffen finden, die das Upgraden anderer Wummen obsolet macht. Gleiches gilt für das Gear-System. Die Idee, verschiedene Buffs und Perks an unterschiedliche Ausrüstung zu binden ist nicht neu und das System motiviert auch zu Beginn, all die unterschiedlichen Fertigkeiten auszuprobieren. So finden Stealth-Fans zum Beispiel zahlreiche Waffen und -Fähigkeiten für ein lautloses Vorgehen. Das macht durchaus Spaß, benötigt aber weitaus mehr Zeitaufwand als ein simples, brachiales Vorgehen und fühlt sich sehr bald nach Zeitverschwendung an. Zudem schwindet die Bereitschaft Loot für neue Ausrüstung zu sammeln zusehends, sobald wir das für uns passende Set zusammengestellt haben.

Auch die Story und die verschiedenen Charaktere, die wir im Spiel antreffen, sind sehr durchwachsen, wirken oft inkohärent und wollen sich am Ende nicht in ein befriedigendes Gesamtbild zusammenfügen. Durchwachsen gestaltet sich auch der Koop, der zwar jetzt auch mit einem fremden Spieler möglich ist und sogar beide Teilnehmer mit Loot, Ingame-Währungen und Erfahrungspunkten belohnt. Der eigentliche Missionsfortschritt bleibt aber nach wie vor dem Host vorbehalten – schade! Zu wenig weiterentwickelt hat sich auch das Gunplay der Reihe, dass von sehr gut bis mäßig reicht. So macht das Hantieren mit dem Bogen aufgrund des passenden Feedbacks sehr viel Spaß, wohingegen das Schießen mit den verschiedenen Sturmgewehren nach wie vor weit hinter dem Waffen-Feedback anderer Spiele zurückbleibt.

Fazit

Wertung - 7.5

7.5

inmaduro

Far Cry 6 macht Spaß, bietet einige Neuerungen und gute Ansätze. Angefangen bei den Storytelling-Elementen, unorthodoxen Superwaffen und dem neuen Progressions- und Gearsystem, die uns alle gut gefallen haben, jedoch leider nicht ganz zu Ende gedacht wurden. Durchwachsene Spielsysteme und Charaktere sowie Patzer bei der Gegner-KI und dem Waffen-Feedback machen es einem zusammen mit der inkohärenten Story recht schwer, die Motivation bis zum Schluss aufrecht zu halten. Auch wenn mir einige Elemente wie auch die Spielwelt und die Präsentation des Spiels begeistert haben, am Ende erhalten wir doch nur ein weiteres Far Cry dessen Spielsystem langsam zu viel Staub ansetzt, schade!

Genre: Ego-Shooter
Entwickler: Ubisoft
System: Xbox Series, PlayStation 4, Xbox One, PlayStation 5, Google Stadia, PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

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