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Review: Famicom Detective Club: The Missing Heir & The Girl Who Stands Behind

Mystery-Klassiker in neuem Gewand

Das Leben eines Detektivs ist nicht einfach: Zeugen, die nicht kooperieren wollen, verworrene Familiengeschichten, alte Legenden oder auch dunkle Geister stehen zwischen euch und der Aufklärung eurer Fälle. Genau darum geht es in Nintendos Famicom Detective Club-Reihe, die erstmals 1988 erschien und einen gewissen Kultstatus besitzt. Allerdings gilt das vor allem im japanischen Raum, denn die drei Spiele erschienen ausschließlich im Land der aufgehenden Sonne. Ohne Kenntnisse der Landessprache (oder Fanübersetzungen) ging man hierzulande leer aus. Bis jetzt: Das Remake der beiden ersten Teile (ein drittes Spiel, das nur via Satellaview verfügbar war, wurde nicht umgesetzt) für die Switch erscheint auch in Europa, und wir haben uns auf die Spurensuche gemacht, ob der Kultstatus gerechtfertigt ist.

Ein Punkt für die Story

Eins vorweg: Beide Spiele, die ihr in diesem Paket erwerbt, sind stark story-fokussiert, weshalb wir im Folgenden nicht großartig auf die Geschichte eingehen, sondern Spoiler vermeiden und uns vor allem dem Gameplay widmen wollen. Halten wir einfach fest: Ihr übernehmt in beiden Spielen die Rolle desselben jungen Detektivs, der jeweils in einen mysteriösen Fall hineingezogen wird. Auch wenn man nie in die höchste Krimi-Liga vordringt, gelingt es den Spielen doch, ein interessantes Mysterium zu bieten, das den Spieler motiviert, weiterzumachen: Beide Episoden sind spannend konstruiert und auch geschrieben (Achtung: Die Bildschirmtexte sind nur auf Englisch und die Sprachausgabe ausschließlich auf Japanisch verfügbar!). Welches ihr zuerst spielt, bleibt euch überlassen: Zwar ist The Girl Who Stands Behind das eigentlich zweite Spiel der Serie, aber chronologisch gesehen ein Prequel zum ersten Titel und dennoch eigenständig genug, dass es eigentlich egal ist, wo man in die Story startet. Übrigens: Als Autor fungierte Yoshio Sakamoto, der zuvor als Designer an Metroid oder Kid Icarus gearbeitet hatte und später als Director von Super Metroid aufhorchen lassen sollte.

Was bin ich?

Es ist gar nicht so einfach, die beiden Famicom Detective Club-Spiele eindeutig einem Genre zuzuordnen. Nintendo spricht von einem Adventure, vom heutigen Standpunkt würden wir wohl eher von einer Visual Novel sprechen – oder zumindest von einer Vorstufe davon. Hier gibt es zum Beispiel noch eine Verbensteuerung, wie man sie eher im Adventure-Genre erwarten würde: Ihr wählt in einem kleinen Menü passende Kommandos, mit denen ihr zum Beispiel Gespräche führt oder zwischen den Locations reist. Bei manchen Befehlen, wie z.B. nehmen oder schauen, dürft ihr im Anschluss den Bildschirm absuchen, welche Punkte ihr genauer betrachten wollt. Insgesamt funktioniert die Steuerung gut und funktioniert gut mit einem Controller – auch wenn es ein wenig unverständlich bleibt, warum man nicht auch eine Lösung per Touchscreen implementiert hat. Andere Dinge sprechen klar für eine Kategorisierung als Visual Novel: Ihr spielt aus der Ego-Sicht vor Standbild-Hintergründen, führt eine Vielzahl von Gesprächen und löst keine Point’n’Click-mäßigen Puzzles, sondern müsst vor allem die richtigen Hinweise sammeln, damit die Geschichte weitergeht.

Gerade aus dieser Kombination heraus zeigt sich, dass Famicom Detective Club nun zwar einerseits einen modernen Anstrich bekommen hat, im Hintergrund aber noch immer ein eher altes Spielprinzip tickt: Modern ist das Spiel, weil man die Präsentation deutlich überarbeitet hat – vor allem grafisch bewegt man sich im gehobenen Visual-Novel-Feld mit schönen Hintergründen, gut getroffenen Figuren und netten Zwischensequenzen; aber auch am Sound wurde deutlich geschraubt, wie ein Vergleich mit den ebenfalls anwählbaren Original-Chiptunes zeigt. Andererseits zeigt das noch-nicht-ganz Visual Novel-Gameplay sein Alter deutlich: Viel zu oft blieben wir in einer Szene stecken, weil die nötige Tat für das Weiterkommen zu obskur war. Mal mussten Themen mehrfach angesprochen werden, obwohl man sie zuvor schon zu Ende diskutiert hatte, ein anderes Mal Gegenstände aus eher unklaren Gründen heraus betrachtet werden, die man schon beim ersten Besuch inspiziert hatte – und das ohne dass das Spiel hier eine klare Motivation für einen zweiten Blick geliefert hätte. Hier hätte es sich wohl ausgezahlt, neben der Grafik auch das Gameplay ein wenig mehr ins Heute zu holen, statt den Spieler dazu verdammen, im Zweifelsfall alle Optionen mehrfach durchzuklicken. Es sei allerdings auch erwähnt, dass diese Momente zwar frustrierend sind, aber keine totalen Beinbrüche – mit ein wenig Herumprobieren lassen sich all diese Probleme lösen und die Ermittlungen können weitergehen. Schließlich sind die Geschichten spannend genug, um wissen zu wollen, wohin das Mysterium führt …

Fazit

Wertung - 7.5

7.5

modernes Gewand, altes Gameplay

Spätestens seit der Ace Attorney-Reihe liebe ich Visual Novels mit Krimi-Flair. Dennoch sollte man Famicom Detective Club nicht unbedingt mit den Gerichtsabenteuern von Phoenix Wright vergleichen: Die beiden Fälle sind spannend geschrieben, bieten aber einen ernsteren Tonfall als die abstrusen Gerichtsabenteuer von Phoenix Wright. Die guten Geschichten – gemeinsam mit der stimmungsvollen Präsentation – sind ein klares Plus für FDC. Leider muss man aber gerade beim Gameplay wieder Punkte abziehen: Was nutzt die beste Geschichte, wenn man unnötig an manchen Stellen der Handlung hängen bleibt, weil man einfach die richtige Frage nicht dreimal gestellt hat oder irgendein scheinbares Fluff-Objekt, das zuvor noch vom Spiel als „nicht notwendig“ abgetan wurde, jetzt zu einem wichtigen neuen Thema führt, ohne dass es einen Grund dafür gibt? Hier scheint vielleicht doch noch ein wenig zu sehr das alte 80er-Jahre Gameplay durch – und das ist schade, weil es der Story den Zug und dem Spieler zu oft ungerechtfertigterweise die Motivation nimmt. Dennoch bleibt es ein interessantes Spiel von anno dazumal in einer modernen Verpackung; zwei spannende, gut geschriebene, interaktive Krimis – mit leider ein paar Schwächen gerade in Sachen Gameplay.

Genre: Adventure
Entwickler: Mages
System: Switch
Erscheint: 14.05.2021
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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