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Review: Dragon Quest XI: Streiter des Schicksals

Klassisches JRPG ganz groß

Eines Tages wird der Lichtbringer wiedergeboren. Und wenn das geschieht, ist das ein Zeichen, dass die Welt in Gefahr ist, denn ein großes Böses wird sich erheben, gegen das sich die Reinkarnation des großen Helden stellen wird. Doch wird der Lichtbringer geboren, weil das Böse naht, oder kommt die Dunkelheit über die Lande, weil dieser Heilsbringer zurückkehrt? Eine Frage, der wir uns in Dragon Quest XI: Streiter des Schicksals stellen müssen. Und nein, dieses Konzept, dass der Held das Böse mit sich bringt und/oder umgekehrt, ist nicht das einzige Handlungsklischee, mit dem wir es zu tun bekommen. Aber das passt zur Serie.

Geboren zum Helden

Natürlich schlüpfen wir in die Schuhe der Reinkarnation des schon erwähnten Helden, der von seinem Schicksal und einigen abenteuerlichen Vorgängen nach seiner Geburt zunächst keine Ahnung hat. Erst im Rahmen einer Zeremonie anlässlich seiner Volljährigkeit entdeckt er, dass er verborgene Kräfte besitzt, und wird vom Bürgermeister zum König geschickt. Sein Heimatdorf ist überzeugt, dass man ihn feiern wird, doch der Monarch sieht die Geschichte anders: Er ist der Meinung, dass unser selbst benannter Held Unglück über das Reich bringen und das Böse erst anlocken wird. Einem allzu schnellen Ende im Kerker des Königs entgehen wir dank eines neuen Freundes und einer waghalsigen Flucht. Weit weg von Zuhause beginnen wir, Gefährten zu sammeln und herauszufinden, was das Universum mit uns vor hat …

Tradition pur …

Man kann wohl keinen Test zu Dragon Quest schreiben, ohne die große Tradition dieser Reihe zu erwähnen. Vor allem in ihrer Heimat Japan ist die Reihe berühmt für ihre Beständigkeit, die sich allzu starker Modernisierung erwehrt und etliche Gameplay-Ideen ihrer über 30-jährigen Geschichte bewahrt hat. Wer der Meinung ist, dass das Genre JRPG dringend modernisiert gehört, ist hier völlig falsch. Hier gibt es noch eine Oberwelt mit jeder Menge Gegnern, die wir in rundenbasierten Kämpfen erledigen; man erkundet Städte, Dörfer und finstere Verliese und führt Gespräche mit zahlreichen NPCs, die brav an ihrem Platz bleiben und ihre Sätze wiederholen, wenn man sie erneut anspricht. Nehmen wir die moderne Präsentation weg, hätten wir dasselbe Spiel schon vor Jahren spielen können. Das ist allerdings bei weitem nichts Schlechtes, denn gerade bei den JRPGs erleben wir ja in letzter Zeit eine deutliche Rückbesinnung auf die klassischen Wurzeln. Aber selbst hier ist Dragon Quest vielleicht ein wenig älter als die anderen. Und sei es nur, weil uns das Spiel noch immer viele Tätigkeiten mit (optional deutschem) Text erklärt, die man eigentlich schon längst darstellen könnte, und ab und an noch waschechte 8-Bit-Sounds verwendet werden, weil diese „eben zur Serie dazugehören“.

… mit vorsichtigen Verbesserungen

Aus diesem Traditionsverständnis heraus ist Dragon Quest eine jener Serien, bei denen die Entwickler schon lange nur behutsame Veränderungen wagen. Das sieht man schön am Kampfsystem, bei dem man mittlerweile nicht nur die eigenen Kämpfer sieht (lange Jahre galt die Ego-Perspektive hier als Standard), sondern nun auch sich (und die Kamera) frei bewegen kann. Das könnte bei anderen Spielen zu einem Kampfsystem führen, bei dem die eigene Positionierung wichtig ist, hier hat es mit dem Ausgang der Gefechte wenig bis gar nichts zu tun und ist eine optionale Spielerei, die man sogar abschalten kann. Apropos wenig zu tun: Mit den richtigen Einstellungen kann man sich als Spieler im Kampf recht bequem zurücklehnen. Gerade in den Gefechten gegen gewöhnliche Feld-, Wald- und Wiesenmonster (serientypisch eher bunt und knuffig als gefährlich aussehend, aber wenigstens mittlerweile beim Erkunden sichtbar, sodass man nicht dauernd in Random Encounter läuft) reicht es oft, die KI die Arbeit erledigen zu lassen. Dabei wählt man für die Kämpfer eine gewisse Grundhaltung und lässt das Spiel die passenden Aktionen wählen. Leider ist es etwas umständlich, dann doch einzugreifen, weil man hierfür zuerst die Taktik auf „Befehle folgen“ ändern muss, anstatt einfach im Bedarfsfall eine Einzelaktion selbst bestimmen zu können.

Pep!

Etwas umständlich gibt sich auch der Stärkungszustand, in den unsere Kämpfer immer wieder versetzt werden. In diesem haben sie erhöhte Stats und können mit anderen Partymitgliedern (die dafür in manchen Fällen im selben Zustand sein müssen) spezielle Kombos auslösen. Leider lässt sich kaum steuern, wann ein Kämpfer diesen Bonus bekommt – das macht es schwierig, sich diesen für einen Boss aufzuheben oder jene Sidequests zu knacken, in denen gewisse Monster mit einer ganz bestimmten solchen Aktion getroffen werden müssen. Positiv hingegen: Selbst wenn wir das Party-Limit von vier aktiven Kämpfern erreicht haben, müssen wir nicht auf die Fähigkeiten der anderen verhindern, sondern können unsere aktiven Recken austauschen. Unterstützt wird das auch dadurch, dass auch die passiven Partymitglieder mitleveln, sodass niemand zurück bleibt. Eine gute Verbesserung, ohne die klassische Formel zu sehr anzugreifen.

Das Gesetz des Drachens

Apropos klassische Formel: Man muss festhalten, dass die „Formel Dragon Quest“, also das Gameplayprinzip, der die Reihe schon seit Urzeiten folgt, durch ihre lange Tradition wirklich perfektioniert wurde. Ja, im Grunde genommen reisen wir auch diesmal von Ort zu Ort und stellen uns dort einem neuen Problem, bevor wir weiterreisen können, aber das geschieht so abwechslungsreich und gekonnt in die große Handlung eingeflochten, dass es nicht langweilig wird. Ja, die Story, ihre Nebenhandlungen und selbst unsere Gefährten mögen eigentlich klassischen Klischees folgen, aber sie haben dennoch ihre interessanten Eigenheiten, die sie uns dann rasch ans Herz wachsen lassen. Und selbst wenn wir kritisieren möchten, dass wir die diversen Monster zum einem Gutteil schon seit Jahren kennen und die Charakterdesigns von Akira Toriyama („Dragon Ball“) immer irgendwie gleich aussehen, müssen wir uns eingestehen, dass sie noch nie so gut ausgesehen haben. Hier merkt man, dass es schon zwei Konsolengenerationen her ist, seit wir zuletzt ein Dragon Quest auf dem Fernseher spielen konnten (Teil IX erschien für den DS, X war ein MMO und kam nie in den Westen, sodass Teil VIII auf der PS2 der letzte Konsolenteil hierzulande war). Die neue HD-Optik ist wunderschön anzusehen und verströmt buntes Märchen-Flair.

Tabula Rasa und Rumgedüdel

Ganz perfekt ist natürlich auch Dragon Quest XI nicht geworden. Ein paar Punkte haben wir bereits erwähnt, zwei weitere wollen wir hier noch in den Raum stellen: Erstens sind die anderen Figuren diesmal so gut charakterisiert, dass eine altbekannte Eigenheit der Reihe umso negativer auffällt: Unsere Spielfigur, der Held dieser Geschichte, bleibt ein leeres Blatt. Natürlich hat er seine Rolle in der Story zu spielen, aber traditionsgemäß bleibt er stumm (Ausnahmen, die wir hier nicht spoilern wollen, bestätigen die Regel), und selbst seine Reaktionen auf extreme Ereignisse werden eher umschrieben als gezeigt. Dadurch bleibt er ohne echten Charakter, es ist unsere Aufgabe, ihn in unserem Kopf als unseren Avatar zum Leben zu erwecken.

Und nachdem wir zuvor schon die grafische Präsentation lobend erwähnt haben, müssen wir umso mehr die Audio-Seite kritisieren. Die (englische) Sprachausgabe, die man extra für den Westen angefertigt hat (in Japan hat ein Dragon Quest scheinbar stumm zu sein), ist eigentlich ganz gut gelungen und spielt mit allerhand Akzenten, passt aber nicht besonders zur deutschen Übersetzung, da viele Eigennamen völlig unterschiedlich übersetzt wurden. Dazu kommt, dass sie zum Teil recht gemächlich eingesprochen wurde, was nicht immer zur Emotion der Szene passt. Hier hat man sich wohl dem Soundtrack angepasst, der ab und an sogar in dramatischen Momenten ein wenig dahindudelt und selbst in den Cutscenes nicht immer perfekt zum Gezeigten passt. Dragon-Quest-Kenner werden darüber hinaus natürlich auch das Recycling an musikalischen Themen bemerken – das gehört allerdings auch wieder zur Spielserie, denn die großen bekannten Musikstücke wurden hier schon immer wieder verwendet.. Der schwerste Kritkpunkt am Soundtrack ist allerdings dieser: Erschallt zu Beginn noch eine wunderbare Orchesteraufnahme, gibt es im Spiel nur noch einen deutlich dünneren, wenig zeitgemäßen Synthesizer-Soundtrack zu hören, der in manchen Momenten glänzen kann, aber in anderen einfach altbacken wirkt. Hier sollte Serienkomponist Koichi Sugiyama, der angeblich auf MIDI-Sound bestanden hat, über seinen Schatten springen, denn gerade im Vergleich zum genialen Orchester-Soundtrack der westlichen PS2-Version von Dragon Quest VIII merkt man doch einen deutlichen Qualitätsunterschied.

Trotz dieser Kritik muss man allerdings auch eines sagen: All das ist Jammern auf hohem Niveau, das vom Rest des Spiels problemlos übertüncht wird. Dafür gibt es einfach viel zu viele positive Punkte: Die riesige, schön anzusehende Welt, die auf den ersten Blick gewaltig wirkt, aber durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, dennoch Stück für Stück erkundet wird: viele kleine Verbesserungen, die zwar im Vergleich zu so manchem anderen Genrevertreter altbacken wirken, aber Dragon Quest XI in die Moderne holen, ohne die Substanz der Reihe zu beschädigen; aber vor allem die Story und die Charaktere, die uns zunehmend ans Herz wachsen und die Geschichte tragen. Nein, Dragon Quest XI erfindet das Genre nicht neu. Aber das will es auch nicht. Vielmehr zeigt es, wieviel Leben noch in der klassischen JRPG-Formel steckt.

Fazit

Wertung - 9

9

Das beste Dragon Quest aller Zeiten

Ich möchte etwas eingestehen: Ich habe Dragon Quest XI Unrecht getan. Seit der Ankündigung habe ich nicht aufgehört zu betonen, dass es zwar nett aussieht, aber dass es mein Interesse nicht weckt, weil es eben ein Dragon Quest ist. Meine Beziehung zur Serie ist lang und kompliziert und beginnt mit einer großen persönlichen Enttäuschung rund um Dragon Quest VIII (wen es interessiert – „Spiele, die ich vermisse“ hat sich diesem Thema ausführlich gewidmet. Für alle anderen sei nur gesagt: Ich hatte mir ein völlig anderes Spiel erwartet). In meiner langjährigen Tätigkeit als Redakteur habe ich zwar viele DQ-Teile nachholen dürfen/müssen, aber der Funke wollte nie überspringen. Daher auch meine Vorabüberzeugung: Warum sollte das diesmal anders sein? Und hier stehe ich nun und muss eingestehen, dass ich mit meinem Vorurteil falsch lag - Dragon Quest XI ist das Spiel, das mich bekehrt hat. Trotz aller Skepsis aufgrund meiner Vorerfahrungen genügte knapp eine Stunde Spielzeit, um mich zu interessieren, und weitere zwei, um mich endgültig zu fesseln. Was hat meine Meinung geändert? Zunächst einmal eine ordentliche Portion Polishing, die das altbekannte Spielprinzip gleichermaßen erhalten hat, aber auch etliche Detailverbesserungen mit sich gebracht hat. Auch die wunderbare Optik, die Dragon Quest strahlen lässt wie nie zuvor, kann punkten. Aber vor allem sind es zwei Dinge, die mich an den Controller fesselten: Die Story mag vielen Klischees folgen, aber sie schafft es, mich diesmal emotional von Ort zu Ort mitzunehmen; und auch die Charaktere sind mir rasch ans Herz gewachsen, selbst dann, wenn sie mich bei ihren ersten Auftritten irritiert haben (Ja, du bist gemeint, Sylvando). Sie alle haben es geschafft, dass ich diesmal unbedingt wissen wollte, wie es weiterging. Und deshalb bleibt mir – trotz einiger Kleinigkeiten, die man definitiv noch anpassen oder modernisieren könnte – nur eines zu sagen: Wer klassische J-RPGs liebt, sollte Dragon Quest XI auf keinen Fall verpassen. Meiner Meinung nach ist es nämlich der beste Teil der Serie.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Square Enix
System: PS4, PC
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 60 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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