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Review: Die Säulen der Erde, Buch 2: Wer den Wind sät

Daedalics Versuch, Ken Folletts Roman „Die Säulen der Erde“ als Spiel umzusetzen, geht in die zweite Runde. Nach dem durchaus gelungenen, wenn auch ein wenig langatmigen ersten Teil  erschien vor kurzem die zweite Ausgabe der als Trilogie ausgelegten Romanversoftung, die dort ansetzt, wo der erste aufgehört hat. Das heißt … nicht ganz. Zunächst geht es ein kleines Stückchen zurück …

Ein bisschen zurück …

Der erste Teil (von den Entwicklern als „Buch“ bezeichnet) konzentrierte sich vor allem auf die Exposition der Geschichte: Wir trafen den Baumeister Tom Builder und seine Familie; wir begleiteten Bruder Philip, der zum Prior in Kingsbridge wurde. Und wir erlebten, wie eine Katastrophe zum Glücksfall für die Familie Builder wurde, denn Tom darf sich nun seinen Traum erfüllen und eine Kathedrale errichten. Buch zwei setzt allerdings nicht unmittelbar an dieser Stelle an, sondern macht einen kleinen Schritt zurück. Im ersten Buch hatte Aliena, die Tochter des Grafen von Shiring, nur einen Kurzauftritt, jetzt darf sie fast die ganze zweite Episode an sich reißen: Wir erleben, was geschah, nachdem ihr Vater in den Kerker geworfen und die Burg der Familie an die Hamleighs fällt. Wir erleben allerdings auch, wie das junge Mädchen zu einer starken Frau heranreift, die sich nicht einfach ihrem Schicksal fügt, sondern ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Dieser Weg führt sie (wie man schon am Ende des ersten Buchs gesehen hat) nach Kingsbridge, aber eben erst, nachdem wir ihre Vorgeschichte spielen durften.

… und deutlich nach vorn

An diesem Punkt sind nun endlich alle wichtigen Figuren für die Handlung vorgestellt und ein Zeitsprung lässt nicht nur die jugendlichen Protagonisten zu jungen Erwachsenen werden, sondern bringt uns auch eine deutlich dichtere Handlung, in der die zahlreichen Fäden, die in den Episoden zuvor eingeführt wurden, endlich ein großes Ganzes ergeben. Was hier passiert, wollen wir gar nicht spoilern, sondern nur festhalten, dass die Geschichte spätestens hier Fahrt aufnimmt. Leider lässt sich das nicht hundertprozentig auch vom Spiel sagen, das ebenso wie der erste Teil immer wieder mit Nebensächlichkeiten und zum Teil zu langen Dialogen den Fluss der Geschichte aufhält. Dennoch scheint man schon ein paar Lektionen aus dem ersten Teil gelernt zu haben: Die Quicktime-Events sind seltener geworden, die Dialog-Entscheidungen scheinen etwas mehr Gewicht zu haben und in den immer noch zu leichten Adventure-Abschnitten kann man öfter nur das Nötigste tun oder den etwas aufwändigeren Weg gehen und so ebenfalls die Handlung durch Taten oder Unterlassungen beeinflussen. Ähnlich wie bei den Telltale-Spielen, an denen man sich deutlich orientiert hat, kann man den großen Handlungsbogen allerdings nur wenig verändern, der Story-Verlauf des Romans bleibt immer klar erkennbar. Apropos Roman: Natürlich zeigt das Spiel nach wie vor nur Ausschnitte des doch recht dicken Wälzers und vereinfacht so manches, weshalb Kenner der Vorlage im Vorteil sind. Diesen wird allerdings auch auffallen, dass die Handlung im Spiel an einigen Stellen entschärft wurde, wohl auch, um kein höheres Altersrating zu riskieren. Dennoch bleibt Die Säulen der Erde ein atmosphärisch dichtes Spiel, das in der zweiten Episode deutlich düsterer wird. Das ist auch der gelungenen Vertonung und dem etwas eigenwilligen, aber effektiven Grafikstil zu verdanken, die die Atmosphäre des mittelalterlichen Englands gut einfangen.

Review Overview

Wertung - 7.5

7.5

Interaktiver Roman mit toller Geschichte

Ich gebe offen zu, dass Aliena meine Lieblingsfigur aus dem Roman ist und es mich durchaus gestört hat, dass diese wichtige Protagonistin im ersten Buch nur einen Kurzauftritt hatte. In dieser Hinsicht versöhnt mich die zweite Ausgabe, denn diesmal müssen Toms Adoptivsohn Jack Builder und Bruder Philip mit weniger aktiver Spielzeit auskommen, während die Grafentochter mit wenigen Ausnahmen selbst dann im Fokus steht, wenn wir sie nicht steuern. Die Story des Romans bildet nach wie vor ein gelungenes Rückgrat für das Spiel und wird gut und auch für Neueinsteiger nachvollziehbar – wenngleich natürlich im Vergleich zum Buch ein wenig lückenhaft – erzählt. Leider bedeutet dieser Ansatz eines interaktiven Romans, dass wir oft spielerisch hinter der Geschichte zurückstecken müssen. Der große Handlungsbogen wird nicht aufgeweicht, auch wenn Entscheidungen natürlich Konsequenzen haben; die Adventure-Abschnitte schicken uns auf eher nebensächliche Aufgaben und sind durchgehend viel zu leicht zu lösen – ein Item einsammeln, zwei, drei Gespräche führen, viel komplizierter wird’s nicht. Auch die Dialoge, die den Großteil der Handlung erzählen, verzetteln sich bisweilen und hätten knackiger ausfallen können. Bei aller Kritik möchten wir dieses Review allerdings mit einer positiven Note beenden: Die Säulen der Erde hat uns niemals dazu verleitet, aufzuhören, eher im Gegenteil: Wir wollten wissen, wie es weitergeht, wie sich das Drama rund um Kingsbridge entwickelt und wie sich das Leben unserer Protagonisten weiterentwickelt. Ja, als Spiel muss man mit Abstrichen klarkommen; aber als interaktive Version des Romans kann Die Säulen der Erde durchaus überzeugen.

Genre: Interaktiver Roman
System: PC, PS4, Xbox One
Entwickler: Daedalic
Erscheint: Erhältlich
Preis: ca. 30 Euro (umfasst alle drei Episoden)

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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