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Review: Das Schwarze Auge: Book of Heroes

Die Welt des Schwarzen Auges hat schon allerhand Arten von Abenteuern gesehen: Neben den vielen, vielen Spielergruppen, die Aventurien (oder die mittlerweile zusätzlichen Gebiete wie Uthuria, Myranor oder Tharun) auf klassische Pen & Paper-Art bereisen, gab es seit den 90ern auch zahlreiche mehr oder weniger gelungene Videospiele, die uns nach Dere führten. Kann der Neuzugang DSA: Book of Shadows an Highlights wie die legendäre (originale) Nordlandtrilogie oder Drakensang anschließen? Hier ist unser Reisebericht aus Aventurien.

Karten des Schicksals

Wer in die Welt des Schwarzen Auges eintauchen will, braucht einen Charakter, den er verkörpern will. Das gilt auch für Book of Shadows, das allerdings das recht flexible, aber auch relativ aufwendige Generierungsmodell der für dieses Spiel verwendeten fünften Regeledition vermeidet. Stattdessen hat man sich für eine deutlich schnellere, wenn auch weniger flexible Mechanik entschieden, mit der man in Windeseile eine Figur zusammenstellen kann: Ihr lauscht ihr im Stil der Ultima-Teile einer Wahrsagerin und entscheidet euch mithilfe der Karten vor euch für Rasse, Klasse und Lebensgeschichte eures Helden. Das legt flott und ohne großes Vorwissen nicht nur eure Werte fest, sondern gibt eurem Charakter auch gleich einen Einstiegspunkt in die Story und eine Motivation, ins Abenteuer zu ziehen. Trotz dieser Einfachheit sollte man sich als Kenner des Rollenspielsystems einiger Dinge bewusst sein: Eure Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten sind gegenüber dem Original eingeschränkt und die Klassen sind bisweilen etwas zu breit gefasst (zum Beispiel wird bei den Magiern nur zwischen weiß, grau und schwarz unterschieden, während es eigentlich zahlreiche Schulen mit höchst unterschiedlichen Ausrichtungen innerhalb dieser Einteilung gibt). Das führt dazu, dass so mancher DSA-Spieler überrascht sein wird, mit welchen (eingeschränkten) Skills und Zaubersprüchen er ins Abenteuer startet.

Willkommen im Wirtshaus „Zum Schwarzen Keiler“

Dieses führt nach einem (hintergrundabhängigen) Intro ins Wirtshaus „Zum Schwarzen Keiler“, das als Basis für unsere Abenteuer dient. Hier können wir Ausrüstung schmieden, erbeutete Gegenstände verkaufen, Tränke mischen, unseren Charakter aufleveln und uns ins Abenteuer aufmachen. Ein kurzes Tutorial hilft euch, die (simplen) Grundlagen zu lernen: Ihr bereist im Diablo-Stil den von oben gezeigten Dungeon, interagiert in begrenztem Umfang mit eurer Umgebung (entsprechende Proben werden automatisch gewürfelt), durchsucht eure Umgebung nach Loot, löst Rätsel und bekämpft auf Mausklick Gegner. Leider müssen wir hier auch schon festhalten, dass es nicht spannender wird: Die Umgebung ist auf Dauer nicht besonders abwechslungsreich – und oft genug auch einfach leer, sodass man Feindkontakt oder wenigstens Objekte zum Untersuchen fast herbeisehnt. Die Steuerung tut zwar im Normalfall, was sie soll, kann aber auch etwas bockig sein, und selbst die Kämpfe, die man vielleicht als Highlight sehen möchte, bleiben unspektakulär: Man wählt das Ziel aus, und daraufhin werden Zug für Zug (aber dennoch in Echtzeit) Angriffs- und Paradeproben automatisch gewürfelt. Das macht die Gefechte ein wenig eintönig, da man vor allem zu Beginn nur begrenzt mit Skills, Zaubern und Items eingreifen kann. Dazu kommt, dass man auf den niedrigeren Leveln mehr verfehlt als trifft, was zwar dem Regelwerk entspricht, aber die Kämpfe auch in die Länge zieht.

Nur zu mehrt ist man eine Party

Die einzelnen Abenteuer sind eher häppchenhaft klein, laden also zu kurzen Ausflügen zwischendurch ein; gleichzeitig folgen sie aber immer derselben Formel, die euch von einem Anfangspunkt aus mit zwei Aufgaben in den Dungeon schickt: Findet den Ausgang und den dazugehörigen Schlüssel (der zum Beispiel vom „Boss“ des Gebiets getragen wird). Ja, selbst eigentlich offene Waldgebiete haben einen klaren „Ausgang“. Auch das lässt leider Abwechslung vermissen – genauso wie die folgende Entscheidung der Entwickler: Es ist durchaus vorgesehen, dass ihr die einzelnen Abenteuer mehrfach durchspielt. So bekommt ihr erneut die Belohnungen (neben dem Loot auch Erfahrungspunkte und Karten, die ihr bei der Wahrsagerin zur Stärkung eures Charakters einsetzen könnt), die ihr braucht, um für spätere Aufgaben bereit zu sein. Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Ihr müsst eure Abenteuer nicht alleine bestreiten. Nach dem Tutorial könnt ihr für die kommenden Missionen eine Party zusammenstellen. Hier könnt ihr euch wahlweise für NPCs entscheiden, die ihr allerdings im Feld nicht kommandieren könnt, sondern ihr eigenes, nicht immer sonderlich intelligentes Ding abziehen, oder euch mit anderen Spielern zusammentun. Zugegebenermaßen ist es wohl dieser Modus, wo dann doch noch mehr Spielspaß aufkommt: Vor allem mit einem befreundeten Team im Voice-Chat kann man sein Vorgehen gut koordinieren und kurzweilig zocken.

Wer hat die 20 gewürfelt?

Ihr lest vielleicht aus diesem Review schon heraus: Book of Shadows hat so einige Probleme, die zum Teil wohl zu sehr Teil des Designs sind, um auf eine Überarbeitung zu hoffen, zum Teil sich aber auch noch lösen lassen. Seit dem Release gab es bereits zwei Patches, die schon einige Bugs gefixt haben – die Entwickler bemühen sich also eindeutig darum, zumindest die gröbsten Probleme zu beheben. Dennoch gibt es noch einige Baustellen, wie zum Beispiel das Interface, das unter anderem in einigen Bereichen Tooltips vermissen lässt, oder Probleme mit der Lokalisierung, denn das Spiel wurde trotz der Tatsache, dass DSA das wohl wichtigste deutschsprachige Rollenspielsystem ist, eindeutig auf Englisch entwickelt – was dazu führt, dass ab und an der deutsche Text fehlt oder der Namensgenerator dann doch keine deutschen Namen ausspuckt. Das ist ärgerlich, aber vermutlich werden zumindest hier weitere Patches Abhilfe schaffen. Ob das den Spielspaß allerdings in Bereiche bringen wird, in denen man sich ausgiebiger mit dem Spiel beschäftigen will, steht auf einem anderen – und leider nach heutigem Stand zweifelhaften – Blatt.

Fazit

Wertung - 5.5

5.5

Leider DSA kaum würdig

Als DSA-Fan hat man es in Sachen Videospiele nicht ganz einfach. Neben all den guten Titeln der Vergangenheit gab es auch genügend Gurken – zu denen leider auch Book of Shadows gehört. Natürlich könnte man argumentieren, dass ich als Fan des Rollenspielsystems ein wenig voreingenommen bin – manche Dinge, wie Unstimmigkeiten mit der Klassenauswahl, fallen mir auf, weil ich DSA schon jahrelang spiele und das Spiel nicht nur als Videospiel, sondern eben auch als Abbild der Pen&Paper-Regeln sehe. Aber es gibt genügend andere Aspekte des Titels, die einfach nicht funktionieren wollen, selbst wenn man das Regelwerk außen vor lässt: Das Gameplay ist eintönig und bisweilen träge, die Abwechslung fehlt; das klassische Schwarze-Auge-Flair will einfach nicht aufkommen – fast bekommt man das Gefühl, als wäre man nicht in Aventurien, sondern in einer generischen Rollenspielwelt unterwegs, wenn nicht ab und an dann doch bekannte Begriffe verwendet werden oder Skills und Zauber ihre typischen Namen tragen würden. Das ist (anders als manche internationalen Reviews behaupten) nicht dem Rollenspielsystem selbst anzulasten, sondern dieser speziellen Umsetzung. Ja, die Entwickler bemühen sich, Fehler auszubessern, ja, das Spiel macht vor allem mit einer Gruppe von Freunden im Multiplayer ein wenig mehr Spaß. Aber im Endeffekt bleibt Book of Shadows statt kurzweilig und schnell eher eintönig und vielleicht zu wenig ambitioniert für die Rollenspielszene von heute. Hoffen wir, dass die Verantwortlichen bald erkennen, dass man „Das Schwarze Auge“ nicht mit Billigproduktionen verheizen, sondern wieder zu qualitativ höherwertigen Spielen im Stil der (originalen) Nordlandtrilogie, Drakensang oder auch der Daedalic-Spiele zurückkehren sollte, denn ob man mit diesem Spiel der Marke einen gefallen getan hat, darf bezweifelt werden.

Genre: Rollenspiel
Entwickler: Wild River Games
System: PC
Erscheint: erhältlich
Preis: ca.  25 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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