Review: Cyberpunk 2077 – XOXO
Eine düstere Liebesgeschichte im dystopischen Night City
Als bereits siebenden Band seiner Cyberpunk 2077 Comic-Reihe bringt der Panini Verlag mit XOXO einmal mehr eine in sich abgeschlossene Geschichte des gefeierten Autor und Hugo Award Preisträger Bartosz Sztybor, die uns tief in die düstere, neon-durchflutete Welt von Night City entführt und eine Geschichte erzählt, die sich von den typischen Action- und Abenteuergeschichten des Cyberpunk-Genres abhebt. Stattdessen konzentriert sich XOXO auf eine emotionale, fast schon tragische Liebesgeschichte, die die moralischen Abgründe und die menschlichen Kosten einer hypertechnologisierten Gesellschaft beleuchtet.
Liebe, Verrat und die Schatten von Night City
Die Geschichte folgt zwei Hauptcharakteren: einer jungen Frau namens Mio, die als Hackerin in den gefährlichen Gassen von Night City arbeitet, und einem mysteriösen Mann namens Oskar, der ein gefährliches Doppelleben führt. Ihre Wege kreuzen sich in einer Bar und zwischen den beiden entwickelt sich eine intensive, aber fragile Romanze. Doch wie so oft im Cyberpunk-Universum ist nichts so, wie es scheint.
Mio und Oskar sind beide von ihren eigenen Dämonen geplagt. Mio kämpft mit den Folgen ihrer Vergangenheit und den Konsequenzen ihrer illegalen Aktivitäten, während Oskar ein Geheimnis verbirgt, das ihre Beziehung auf eine harte Probe stellt. Die Handlung ist geprägt von Verrat, Manipulation und den unerbittlichen Gesetzen der Straße. Die Liebesgeschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund von Korruption, Gewalt und der allgegenwärtigen Präsenz von Megakonzernen, die das Leben der Menschen in Night City kontrollieren.
Bartosz Sztybor schafft es den Fokus auf die menschlichen Emotionen und die moralischen Dilemma, mit denen die Charaktere konfrontiert sind nahezulegen. Es ist eine Geschichte über Vertrauen, Verlust und die Frage, ob Liebe in einer Welt, die von Gier und Technologie dominiert wird, überhaupt möglich ist.
Tiefgründig und vielschichtig
Mio und Oskar sind keine stereotypen Helden oder Antihelden. Sie sind komplexe, fehlerhafte Charaktere, die sowohl Sympathie als auch Frustration hervorrufen können. Mio ist eine starke, unabhängige Frau, die jedoch von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Ihre Fähigkeiten als Hackerin machen sie zu einer Überlebenskünstlerin, aber ihre emotionale Verwundbarkeit zeigt, dass sie mehr ist als nur eine toughe Action-Figur.
Oskar hingegen ist ein Rätsel. Seine charmante Fassade verbirgt eine dunkle Seite, die im Laufe der Geschichte immer deutlicher wird. Die Dynamik zwischen den beiden Charakteren ist sowohl faszinierend als auch herzzerreißend, da ihre Beziehung von Misstrauen und Geheimnissen überschattet wird.
Neben den beiden Protagonisten gibt es eine Reihe von Nebenfiguren, die die Geschichte bereichern und die Welt von Night City weiter ausbauen. Von skrupellosen Gangmitgliedern bis hin zu korrupten Konzernangestellten – jeder Charakter trägt dazu bei, das düstere Bild einer Gesellschaft zu zeichnen, die von Technologie und Kapitalismus zerstört wurde.
Die Geschichte wirft Fragen auf: Kann Liebe in einer Welt überleben, in der alles einen Preis hat? Wie weit würden wir gehen, um die Menschen zu schützen, die wir lieben? Und was bedeutet es, Mensch zu sein, in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer mehr verschwimmen? Die Beziehung zwischen Mio und Oskar dient als Metapher für die größeren Themen des Cyberpunk-Genres – die Entfremdung, die Isolation und die Suche nach Bedeutung in einer Welt, die von Gier und Korruption beherrscht wird.
Jakub Rebelkas schaft es die Neon-Dystopie zum Leben zu erwecken
Jakub Rebelkas Zeichnungen unterscheiden sich deutlich von dem Zeichner der letzten Cyberpunk 2077 Comics. Sein Artwork ist (wie auch schon zuletzt bei Der letzte Tag des Howard Phillips Lovecraft) ein absolutes Highlight dieses Comic. Seine Illustrationen fangen die Atmosphäre von Night City perfekt ein – die grellen Neonlichter, die schmutzigen Gassen und die überwältigende Präsenz von Technologie. Die Farbpalette ist überwiegend dunkel, mit gelegentlichen Ausbrüchen von leuchtenden Farben, die die Hektik und die Gefahren der Stadt unterstreichen. Rebelka gelingt es auch die Emotionen der Charaktere durch seine Zeichnungen auszudrücken. Die Gesichtsausdrücke und Körpersprache von Mio und Oskar vermitteln ihre inneren Konflikte und die Spannung zwischen ihnen auf eine Weise, die Worte allein nicht könnten. Die Action-Szenen sind dynamisch und gut choreografiert, aber es sind die ruhigeren, intimen Momente, die wirklich beeindrucken.
Meinung:
Die bei Panini Comics auf deutsch erscheinende Comic-Bände zu Cyberpunk 2077 sind schon seit längerer Zeit ein Garant für erstklassige Science Fiction, die es gleichzeitig schafft für Fans das Universum von Cyberpunk 2077 zu erweitern und ihnen neue Perspektiven auf das Szenario gibt, aber genauso ausgezeichnet für sich allein gestellt funktioniert. XOXO ist hier keine Ausnahme und beweist, dass dieses Setting nicht nur für actiongeladene Geschichten geeignet ist. Bartosz Sztybor und Jakub Rebelka haben eine Geschichte geschaffen, die sowohl emotional als auch visuell beeindruckend ist. Die Kombination aus einer packenden Handlung, tiefgründigen Charakteren und atemberaubenden Illustrationen macht XOXO zu einem unvergesslichen Leseerlebnis. Allerdings könnte die düstere und oft hoffnungslose Atmosphäre der Geschichte für manche Leser überwältigend sein. Wer eine leichte, optimistische Lektüre sucht, wird hier nicht fündig werden. Doch für diejenigen, die sich auf eine emotionale Reise in die Schatten von Night City einlassen möchten, ist Cyberpunk 2077: XOXO ein absolutes Muss.
Infos:
Zeichner: Jakub Rebelka
Verlag: Panini Verlag (Original: Dark Horse)
Seiten: 112
Preis: ca. 15 Euro