FilmFilm-ReviewHighlightNews

Review: Back to the Future – The Musical

Der DeLorean auf der Musicalbühne

Zurück in die Zukunft ist Kult. Über 30 Jahre nach dem Release wird der Film nach wie vor geliebt, zitiert und hat schon längst mehr als eine Generation begeistert. Zu zeitlos ist die Geschichte von Marty McFly, der mit einer Zeitmaschine, die sein Freund Doc in einen DeLorean eingebaut hat, aus dem Jahr 1985 in das Jahr 1955 reist und dort nicht nur die Romanze seiner Eltern retten, sondern auch die Energie zusammenzubekommen muss, die er braucht, um „Zurück in die Zukunft“ reisen zu können. Der Kult sorgte dafür, dass neben den Filmen auch Spiele, Attraktionen in Vergnügungsparks sowie eine animierte Serie erschienen – und jetzt auch ein Musical. Wir haben uns eine Vorstellung in London angesehen.

Eins Punkt Einundzwanzig Gigawatt

Als vor mehreren Jahren angekündigt wurde, dass es Überlegungen gab, aus „Zurück in die Zukunft“ ein Musical zu machen, hatte ich zwei Gedanken. Erstens: „Muss das sein?“ – schließlich hat der Trend, aus Filmen Musicals zu machen, in den letzten Jahren überhandgenommen und allzu oft ging die Rechnung dabei zumindest künstlerisch nicht auf. Zweitens aber: „Kann man aus gerade diesem Film überhaupt ein Musical machen“? Das moderne Musiktheater hat zwar etliche technische Möglichkeiten gewonnen, ist aber nach wie vor nicht so gut darin, Actionsequenzen wie im Film nachzubilden. Und davon gibt es im ersten Teil (nur dieser wurde auf die Bühne gebracht) doch so manche – nicht zuletzt die bekannte Szene mit der Rathausuhr, die man einfach nicht weglassen kann. Aber andererseits: Das Musical-Genre profitiert im Allgemeinen vom Innehalten, vom Blick ins Innere einer Figur, der einem Charakter so mehr Tiefgang verleihen kann – und hier gibt es, wenn man die Handlung des ersten Films betrachtet, dann doch so einiges, was man auf einer Musicalbühne gut umsetzen kann. Mein Fazit also damals: Sollten beide Teile – die emotionalen Szenen und die Action – zusammenkommen, könnte Zurück in die Zukunft durchaus auch auf der Bühne funktionieren. Uns als Fan fügte ich hinzu: Hoffentlich klappt es.

Du musst mit mir zurückkommen!

Zum Glück stecken hinter dem Musical Leute, die von Zurück in die Zukunft viel verstehen. So schrieb Original-Co-Autor Bob Gale das Script (sein Co-Autor und Film-Regisseur Robert Zemeckis ist als Produzent an Bord) und Alan Silvestri sitzt an der Musik – wie schon im Zelluloid-Vorbild. Zumindest dieses Trio weiß also, was Zurück in die Zukunft ausmacht, was für die Fans wirklich wichtig ist und was man umgestalten kann und muss. Gleichzeitig muss man aber festhalten, dass sie noch nie ein Musical verfasst haben – ein Genre, das seinen ganz eigenen Regeln gehorcht. Diese Erfahrungen bringen andere Mitglieder des Creative Teams mit: Glen Ballard, der neben seiner Arbeit für Pop-Größen wie Michael Jackson oder Alanis Morissette u.a. die Musik der Musicalfassung von „Ghost – Nachricht von Sam“ erschaffen hat, ist Co-Komponist, John Rando (Urinetown, aber auch die desaströse Broadway-Version von Tanz der Vampire) führt Regie.

Trotzdem: Ganz vergessen lässt sich die Unerfahrenheit des Großteils des Autorenteams dann doch nicht, wenn man das fertige Werk auf der Bühne sieht. Der Beginn des Stücks wirkt ein bisschen gehetzt, weil man einiges an Exposition unterbringen muss, bevor man endlich zum DeLorean gelangt; einige Songs wirken aufgesetzt; „My Myopia“, gesungen von George, sorgt für Fremdschämen, weil es die Situation, dass er von einem Baum aus Lorraine heimlich in ihrem Zimmer begafft, für Humor nutzt – in Zeiten von #MeToo wäre weniger hier mehr gewesen. Auch das Finale I („Something about that Boy“ mit einer Szene, die die berühmte Skateboard-Sequenz mit Biff bühnentauglich ersetzen soll) ist nicht stark genug, um uns mit einem großen „Wow“ in die Pause zu entlassen. Andere Musikstücke – vor allem im stärkeren zweiten Akt – schaffen es aber tatsächlich, den Charakteren neue Tiefe zu geben und damit die Stärken des Genres zumindest teilweise auszuspielen. Besonders Doc und Marty profitieren hier davon, dass man sich mehr mit den Emotionen ihrer Figuren beschäftigt.

Wer ist John F. Kennedy?

Noch einen weiteren Kritikpunkt muss sich das Creative Team gefallen lassen: Das Stück schwankt zwischen einer Musical-Komödie, die die Geschichte des Films in einem neuen Medium nacherzählt, und einer Musical-Parodie, in der man die Konventionen des Genres überspitzt und persifliert. Während viele Szenen mit Martys Vater George (Grandios: Hugh Coles) wirklich zum Lachen sind und uns trotzdem den Charakter so sehr ins Herz schließen lassen, dass es bei der Prügelei mit Biff und dem ersten Kuss zwischen George und Lorraine spontanen Applaus gibt, stellt Doc schon in seiner ersten Szene fest, dass jedes Mal, wenn er singt, plötzlich Tänzer auftauchen – was aufgrund der Szene eigentlich gar keinen Sinn macht, außer um eine Show aus dem Song zu machen. Darsteller Roger Bart („Revenge“, „The Producers“) macht zwar das Beste aus diesem Musical-Klischee und holt sogar einige Lacher aus dieser Situation heraus, aber trotzdem wäre es nicht notwendig gewesen, aus (fast) jeder seiner Nummern eine große Production-Number zu machen. Eine emotionale Ausnahme („For The Dreamers“) bestätigt diese Regel.

Das ist stark, Doc!

Trotzdem muss man Roger Bart hoch anrechnen, dass er seinen Doc nicht als bloße Kopie von Christopher Lloyd spielt, sondern dem Charakter einen eigenen Spin verpasst – eine Aussage, die nicht auf jede Figur zutrifft. Die Show setzt stark darauf, bekannte Elemente zu verwenden und auch im Bühnenbild sowie im Aussehen und Verhalten der Charaktere soweit wie möglich den Film zu zitieren. Das gefällt den Fans, macht manche Figuren aber zu Abziehbildern. Das gilt vor allem für die Nebenfiguren, wie Direktor Strickland, aber auch für Martys Love-Interest Jennifer, die kaum etwas zu tun bekommen und deshalb auch eindimensional bleiben. Auch Biff bleibt in seiner Funktion als „Bösewicht“ der Handlung erstaunlich blass, auch wenn er sich wenigstens optisch von der Vorlage lösen darf. Anderen gelingt es aber, ihre Rollen wirklich auszufüllen. Neben Doc und George müssen wir hier vor allem Olly Dobsons Marty McFly erwähnen, der uns schon nach kurzer Zeit vergessen lässt, dass wir hier nicht Michael J. Fox in seiner Paraderolle sehen, sondern einen anderen Schauspieler. Er mag nicht viel Neues in die Rolle bringen, aber er füllt den Part vollkommen und sympathisch aus.

Ich schätze, ihr seid noch nicht so weit

Und dann wäre da noch ein Charakter, ohne den Zurück in die Zukunft nicht funktionieren würde: die Zeitmaschine selbst, der berühmte DeLorean. Das Auto wirbelt, fährt, flitzt und ja, fliegt über die Bühne und bekommt in der besuchten Vorstellung etwas, was die anderen Charaktere nicht bekommen: Auftrittsapplaus. Ausgestattet wurde es für die Musical-Version mit kleineren Upgrades, wie einer Spracherkennung und -Ausgabe; die Tatsache, dass deshalb nur Doc das Auto starten und programmieren kann, ist eine der wenigen Änderungen, die die Autoren vorgenommen haben (eine andere, auffälligere und auch nicht ganz so effektive ist, dass der Auftritt der libyschen Terroristen gestrichen wurde – stattdessen fängt sich Doc eine tödliche Strahlendosis ein). Die großen Auftritte des DeLorean sind aber natürlich die Actionsequenzen, die wirklich opulent, mitreißend und cineastisch gelungen sind – eine Verschmelzung von Elementen auf der Bühne, wie der Zeitmaschine, Marty und Doc, Projektionen, wie der Rathausuhr oder auch nur der vorbeirasenden Straße, und der mitreißenden Original-Musik von Silvestri. Vor allem beide Reisen durch die Zeit sind (auch wenn einzelne Projektionen etwas zu künstlich aussehen) ein Erlebnis. Ähnliches gilt auch für das große Finale, das nicht mit einem großen Song gefeiert wird, sondern das Ende von Zurück in die Zukunft abgeändert aufgreift – wenn der DeLorean in den Zuschauerraum hinausfliegt, ist das einerseits beeindruckend, aber andererseits ein Moment, in dem vor allem die Bühnentechnik Triumpfe feiert und das Schauspielerische in den Hintergrund tritt. Andererseits: Wie enttäuscht wären wir gewesen, wenn diese Sequenzen nicht vorgekommen wären?

Das ist ein Blues, Schema B

Auch bei der Musik war man sich bei den Autoren bewusst, welche Songs jeder mit Zurück in die Zukunft verbindet. So wird nicht nur ausgiebig Alan Silvestris Original-Soundtrack zitiert (schon bei der Ouvertüre darf der geneigte Fan ein paar emotionale Tränchen zerdrücken, wenn das Thema aus dem Orchestergraben dröhnt, während eine Projektion uns aus dem heutigen London ins Hill Valley der 80er entführt), sondern auch Klassiker wie „Earth Angel“, „Johnny B. Goode“, „The Power of Love“ und „Back in time“ (als Zugabe) haben ihren Platz in der Show gefunden. Leider überschatten sie die neuen Songs von Glen Ballard und Silvestri, die an diese Hits einfach nicht anschließen können – den Sound der 80er bzw. 50er hätten sie getroffen (auch wenn gerade die Sequenzen in den 80ern generell einen starken Kontrast zum Film darstellen: 1985 war damals das „heute“ und wurde dementsprechend präsentiert, auf der Bühne werden diese Szenen als überstilisiertes 80er-Klischee inszeniert), richtige Ohrwürmer sind ihnen allerdings nur eingeschränkt gelungen. Nicht falsch verstehen: Die Songs erfüllen durchgehend ihren Zweck, aber aus dem Theater hinausgehend summt man dann doch eher das, was man schon kennt – auch wenn mich der Refrain des etwas seltsamen 2. Akt-Openers „In the 21st Century“ am nächsten Tag noch verfolgt hat.

Fazit

Wertung

Für Fans - im positivsten Sinne

Kann man aus Zurück in die Zukunft ein Musical machen? Ja, kann man. Das beweist die Produktion im Adelphi Theatre eindeutig – auch wenn man immer wieder Verbesserungspotenzial sehen kann. Die Handlung funktioniert auf der Bühne; die Songs sind hingegen in weiten Teilen eher zweckmäßig und schaffen es nur in wenigen Momenten, die Handlung und Charaktere wirklich zu vertiefen. Überzeugend sind die Action-Szenen und der DeLorean genauso wie etliche Schauspieler – Doc, Marty und George sind echte Highlights mit zahlreichen Lachern auf ihrer Seite, auch Lorraine darf als nicht ganz unschuldiger Teenager punkten. Damit bleibt gesamt ein bisschen ein zwiegespaltener Eindruck zurück: Back to the Future funktioniert vor allem als Bühnenshow, wo einige beeindruckende Sequenzen gelingen, als Musical gibt es dann doch ein paar Schwächen, über die man allerdings hinwegsehen kann. Und damit sind wir bei der wichtigen Frage: Soll man sich Back to the Future ansehen? Ich teile meine Antwort: Als reiner Musical-Fan? Nicht unbedingt. Es gibt weitaus bessere Stücke. Aber als Zurück in die Zukunft-Fan? Definitiv. Hier wird das Original gewürdigt, referenziert – und das Publikum geht spätestens im zweiten Akt so sehr mit, dass das Musical ganz nah an eine Kinovorführung des Films vor begeisterten, mitfiebernden Fans herankommt. Gemeinsam mit den gelungenen Elementen und den guten Schauspielern gibt es von mir ein klares „Für Fans“ – und das ist in dem Fall durchaus als Empfehlung zu sehen.

Jetzt bestellen und SHOCK2 direkt unterstützen!

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"