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Retro Konsolen-Check: Vectrex

Hier dreht sich diesmal alles um einen echten Exoten. Ähnlich wie Nintendos Virtual Boy bietet auch das Vectrex des US-Herstellers GCE eine ganz besondere Videospiel-Erfahrung!

žDie meisten unserer Leser werden mit dem Begriff Vektor eher unangenehme Erinnerungen aus dem Mathematik- und Physikunterricht verbinden. Doch 1982 bewies eine Firma mit dem nüchternen Namen General Consumer Electronics, dass Geometrie nicht nur zum Quälen von Schülern geeignet ist, sondern bei richtiger Anwendung durchaus unterhaltsame Qualitäten haben kann. Jay Smith, der geistige Vater des Vectrex, das während der Entwicklungsphase Mini-Arcade hieß, hatte eine äußerst originelle Idee, um den heiß umkämpften Markt der Videospiele aufzumischen. Während fast alle anderen Konsolenhersteller auf Pixelgrafik setzten, überraschte das 200 Dollar teure Vectrex mit einer anderen Technik. Mit Hilfe von Vektoren werden Gittermodelle berechnet, wodurch Besitzer der skurrilen Maschine sehr viel früher in den Genuss von schnellen 3D-Darstellungen kamen als die restliche Zockergemeinde. Die Soundfähigkeiten waren durchaus konkurrenzfähig. Viele der Games bieten sogar eine simple Sprachausgabe, was für damalige Verhältnisse ein kleines Technikwunder bedeutete und heute für ein Lächeln im Gesicht von Nostalgikern sorgt.

Auch äußerlich hat das Vectrex nur wenig Ähnlichkeit mit anderen Oldie-Konsolen. Auf den ersten Blick wirkt das Gerät eher wie ein antiker tragbarer Fernseher als eine Konsole. Doch bei genauerer Untersuchung findet man an der Vorderseite einen gut getarnten abnehmbaren Controller sowie einen Modulschacht an der rechten Seite. Dank des eingebauten Spezial-Vertikal-Monitors mit einer Abmessung von circa 23 x 28 cm ist das Vectrex nicht auf einen Fernseher angewiesen. Trotzdem ist das leicht transportable System kein Handheld, da zumindest zum Spielen eine Steckdose nötig ist.

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Die innovative Technik des Vectrex hatte ihren Preis. Die Darstellung ausgefüllter Flächen war nahezu unmöglich und man musste sich bei der Grafik auf zwei Grundwerkzeuge beschränken. Das eine war Licht (weiß), das zweite die Abwesenheit von Licht (schwarz). Dank dem Atari VCS 2600 war es in den USA schon seit fünf Jahren möglich, bunte Videospiele auf dem heimischen Fernseher zu zocken, als das Vectrex erschien, und auch der fast zeitgleich veröffentlichte Konkurrent Colecovision konnte 16 verschiedene Farben bieten. Auch wenn es aus heutiger Sicht ein wenig lächerlich wirkt, muss man die bestechende Logik anerkennen, mit der die Spieleentwickler dem Problem damals begegneten. Jedes Vectrex-Game wurde mit einer transparenten farbigen Plastikfolie ausgeliefert, die man vor den Monochrom-Bildschirm schieben kann, um das triste Bild ein wenig zu verschönern. Aufgrund der sehr hellen Lichtstrahlen, die das Gerät auf den Monitor zaubert, empfiehlt es sich übrigens besonders bei längeren Vectrex-Runden, nie ohne die so genannten Overlays zu spielen.

Der Spielzeughersteller Milton Bradley kümmerte sich um die internationale Vermarktung des Systems und brachte das Vectrex im Sommer 1983 nach Europa, wo man umgerechnet 250 Euro dafür investieren musste. Selbst in Japan erschien die Konsole als Lizenzbau des späteren Tamagotchi-Erfinders Bandai.

glasshead1984 manövrierte sich Atari in ein finanzielles Desaster und riss die gesamte Branche mit sich. Homecomputer wie der Commodore 64 verdrängten die Konsolen aus den Händlerregalen. Auch für das Vectrex, über dessen genaue Verkaufszahlen wenig bekannt ist, kam während dieser Krise das endgültige Aus. Die letzten Systeme wurden in den USA für unter 100 Dollar verramscht und Milton Bradley fuhr letzten Endes einen Verlust von circa 32 Millionen Dollar ein.

Fast wäre das Vectrex gegen Ende der 80er Jahre in Form eines Handhelds wiederbelebt worden, doch dann entschied man sich gegen diesen Schritt, da niemand glaubte, dass die Konsumenten bereit wären, mehr als 100 Dollar für ein solches Gerät zu zahlen. Statt dessen eroberte der GameBoy die Welt. Wenn die Chefetage von Milton Bradley damals etwas risikofreudiger gewesen wäre, würden wir jetzt vielleicht ein Vectrex Advance benutzen, um die Zeit während einer Zugfahrt totzuschlagen.

Auch heute noch steht das ungewöhnliche System bei vielen Zockern hoch im Kurs. Wer ein gut erhaltenes Vectrex für die eigene Videospielesammlung sucht, muss circa 100 Euro investieren. Auch unter den Games findet man nur wenige echte Schnäppchen. Besonders wenn man auf der Suche nach kompletten Spielen samt Anleitungen und Overlays ist, kann es teuer werden. Die beiden begehrtesten Sammlerstücke sind der 3D-Imager, eine frühe 3D-Brille, und der Light-Pen, der vom Zeichenprogramm Art Master unterstützt wird. Wer sich für Vektor-Grafik interessiert, aber größere Investitionen scheut, sollte auf dem nächsten Flohmarkt versuchen, das PSone-Game Vib-Ribbon zu ergattern, das zumindest optisch sehr große Ähnlichkeit mit Vectrex-Spielen hat.

Vectrex Game-Tipps!

Mine Storm

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In den frühen 80er Jahren bekam man zu einem frisch veröffentlichten Videospiel-System oft auch gleich ein passendes Game dazu. Schade, dass diese Tradition inzwischen ausgestorben ist. Wer damals ein Vectrex kaufte, konnte sich über das bereits eingebaute Mine Storm freuen. Dabei handelt es sich um einen Asteroids-Clone mit hohem Suchtfaktor. Mit einem kleinen Raumschiff, das sich drehen und in alle Richtungen manövrieren lässt, müssen diverse Gegner und Objekte zerschossen werden, bis nichts mehr auf dem Bildschirm übrig ist außer das eigene Fluggerät.

 

Web Wars

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Für viele das beste Vectrex-Modul überhaupt. Dieser 3D-Shooter hat sowohl grafisch als auch spielerisch einiges zu bieten. Während man durch einen kurvenreichen Gitter-Tunnel rast, kommt es nicht nur darauf an, sich zu verteidigen. Als intergalaktischer Jäger muss man in jedem der Levels eine seltene Kreatur mit Hilfe eines Traktorstrahls einfangen und durch einen Warp zerren, um sie in den heimischen Trophäenraum zu verfrachten. Was sich einfach anhört, wird in den höheren Levels eine echte Herausforderung, die sehr viel Fingerspitzengefühl erfordert.

Spike

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Ein spaßiges Plattform-Game, das ein wenig an den Klassiker Donkey Kong erinnert. Molly, die Freundin des Strichmännchens Spike, wird zu Beginn jedes Levels entführt. Unser Held muss nun die höchste von drei Ebenen, die sich oft in unterschiedliche Richtungen bewegen, mit Hilfe von Leitern erklimmen, um seine Liebste aus den Klauen der Fieslinge zu befreien. Eine Schar von Gegnern erschwert die Kletteraktion, kann aber durch gut platzierte Tritte in Schach gehalten werden.

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