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Retro-Gaming: Bullfrog Productions (Teil 1)

Die Vergangenheit erscheint uns oft verklärt. Das Spiel, das damals „fantastische Grafik“ hatte, erweist sich zehn Jahre später als hoffnungslos veraltet. Der coole Film aus den 80ern ist vielleicht eine tolle Erinnerung, erweist sich aber im Nachtprogramm doch mehr als nur angestaubt. Und dennoch zaubert die Vergangenheit immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Das trifft insbesondere auf längst untergegangene Spieleschmieden zu, die uns sicherlich „niemals enttäuscht“ haben und nur „brillante Spiele“ abgeliefert haben. In diese Kategorie gehören wohl auch die britischen Bullfrog Productions, die uns Meisterwerke verschiedenster Genres präsentierten und denen wir deshalb ein Retro-Special spendiert haben, bei dem wir aber nicht nur auf die Hits, sondern auch auf jene Spiele, an die man sich kaum mehr erinnert, eingehen werden.

Die Geschichte eines Missverständnisses

Wie so oft wurde Geschichte nur durch Zufall geschrieben. Peter Molyneux, Sohn von Spielzeuggeschäftsbesitzern, wollte schon in jungen Jahren im Spiele-Business arbeiten. Zunächst verkaufte er Disketten, und um den Verkauf zu fördern, kopierte er Spiele auf die Datenträger. Als er erkannte, dass die Kunden eigentlich nur wegen der Software zuschlugen, designte er sein eigenes Spiel: Entrepreneur, eine Wirtschaftssimulation, die sich laut eigenen Angaben zwei Mal verkaufte (und eine Kopie davon, so erklärte Molyneux später, ging wohl an seine Mutter). Also gab er das Spielebusiness auf und gründete mit Les Edgar Taurus Impact, die Business-Applikationen und Datenbanksysteme für den C64 entwickelte. Eines Tages kam ein Anruf von Commodore, die anfragten, ob man die Programme auch auf den bald erscheinenden Amiga portieren konnte. Bei einem Meeting versprach der berühmte Computer-Hersteller mehrere Systeme, um „das Produkt“ auf den neuen Rechner zu bringen, der damals auch als Business-Maschine vermarktet werden sollte. Erst am Ende des Gesprächs wurde Molyneux klar, dass Commodore Taurus mit der Netzwerk-Firma Torus verwechselt hatte. Anstatt das Missverständnis aufzuklären und den Deal damit platzen zu lassen, portierte Molyneux die Datenbank auf den Amiga und nutzte das damit verdiente Geld, um gemeinsam mit Edgar Bullfrog zu gründen.

Druid II: Enlightenment (1988)

Die Geschichte von Bullfrog beginnt allerdings nicht mit einem großen Wurf von Molyneux, sondern mit einem Port: Andrew Bailey trat an die junge Spielefirma heran, um seinen C64-Titel Druid II: Enlightenment auf den Amiga zu porten – immerhin hatten Molyneux und Edgar bereits Erfahrung mit dem System. Druid II spielte sich in Top-Down-Perspektive und erzählte die Geschichte des Druiden Hasrinaxx, der gegen seinen Erzfeind Acamantor zieht. Auf den ersten Blick erinnerte das Spiel an Gauntlet, bot allerdings mit 32 Sprüchen (von denen man immer nur acht dabei haben konnte) und elementaren Begleitern ein reichlich komplexes Gameplay, das von den Kritikern gelobt und von den Fans geliebt wurde. In Hinblick auf diesen Rückblick ist Druid II allerdings vor allem für eine Sache relevant: Molyneux entdeckte im Zuge des Projekts seine Liebe für das Designen von Spielen erneut und begann, seine eigene Vision zu erfüllen.

01 Druid II

Fusion (1988)

Das erste eigene Spiel von Bullfrog hatte mit Molyneux allerdings wenig zu tun: Fusion erschien auf den ersten Blick wie ganz normales Top-Down-Shoot’em-up, doch schon hier zeigte sich, dass man bei Bullfrog gerne mit Konventionen brach. Ja, man steuerte seine Fahrzeuge (es gab ein Mutterschiff und ein kleines, deutlich verwundbareres Bodenvehikel, das vom Mutterschiff an vorgegebenen Punkten abgesetzt werden konnte) durch die in alle Richtungen scrollende Landschaft und schoss auf alles, was sich bewegte. Zusätzlich verbarg sich allerdings eine Puzzle-Mechanik in dem Spiel: In der Gegend verteilte Schalter, die nur mit dem Bodenfahrzeug ausgelöst werden konnten, öffneten Tore und Barrieren, sodass man seinen Weg durch die 13 Level sehr genau planen musste. Die Kritik fiel gespalten aus: Manche fanden den Mix großartig, andere meinten, das Spiel scheiterte schon am durchschnittlichen Shoot’em-Up-Gameplay. Einig waren sie sich nur in einem: Fusion war bockschwer.

02 Fusion

Populous (1989)

Kommen wir nun allerdings zu jenem Spiel, das Bullfrog auf einen Schlag berühmt machte: Populous. Von manchen als Urvater der Göttersimulationen bezeichnet (andere würden an dieser Stelle Don Dagalows Utopia nennen), stellt euch das Spiel vor eine interessante Herausforderung: Ihr müsst als Gott euer Volk über die KI-Konkurrenz triumphieren lassen. Allerdings könnt ihr eure Leute nicht direkt steuern, sondern müsst auf eure göttlichen Fähigkeiten zurückgreifen, mit denen ihr das Land (und damit natürlich indirekt die Bewohner) steuert. Für eine Siedlung benötigt man schließlich flaches Land, und der Gegner ist über einen Vulkan in seinem Anbaugebiet alles andere als erfreut. Das Ende der Partie wird mit einem großen Kampf eingeleitet, in dem die Völker gegeneinander antreten – wer den Gegner von der Karte fegt, gewinnt. Später erschienen noch zwei Add-ons namens Populous: The Promised Lands und das nur als Cover-Disk erhältliche The Final Frontier, die neue Arten von Landschaften ins Spiel brachten.

03 populous

Flood (1990)

Von einem der bekanntesten zu einem der unbekannteren Spiele von Bullfrog: Flood war ein Plattformer, in dem ihr die Kontrolle über ein kleines grünes Wesen namens Quiffy übernehmt. Er muss durch die Abwasserkanäle an die Oberfläche gelangen, dabei Müll einsammeln, dem Geist seiner Tante Matilda entkommen und dafür jede Menge Puzzles lösen. Der Kniff an dem Spiel war aber vor allem der Zeitdruck: Die Kanalisation flutete langsam, wodurch nach und nach Bereiche der Levels unzugänglich wurden, da Quiffy unter Wasser nicht atmen kann. Das Wasser verhielt sich für die damalige Zeit erstaunlich realistisch und sammelte sich zum Beispiel am tiefsten Punkt, was auch in vielen Kritiken positiv erwähnt wurde.

04 flood

Powermonger (1990)

Peter Molyneux nächster Streich hörte auf den Namen Powermonger und basierte auf der Engine von Populous. Auch in diesem Spiel ging es darum, auf einer Karte dafür zu sorgen, dass sich das eigene Volk gegen das fremde durchsetzt. Doch das „Wie“ verlief völlig anders: Diesmal wart ihr Feldherr und kein Gott, was euch einerseits erlaubte, eure Armeen direkt zu kontrollieren, andererseits euch die Möglichkeit nahm, das Terrain zu formen (wenngleich manche Angriffe Auswirkungen auf die Landschaft haben konnten). Das Spiel hatte einige neuartige Ideen (zum Beispiel gingen die Bürger eurer Städte automatisch ihrem Lebensrhythmus nach), die allerdings zum Teil unter einem recht verwirrenden Interface begraben wurden. Dennoch gab es viel Kritikerlob und auch bei den Spielern kam das Spiel sehr gut an. Eine Datendisk, die das Geschehen in den ersten Weltkrieg verlagerte, folgte.

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Populous II (1991)

Der große Erfolg von Populous verlangte nach einem Sequel, das 1991 mit dem Untertitel Trials of the Olympian Gods in den Handel kam. Die Grundidee des Spiels blieb gleich, allerdings wurden eure Möglichkeiten stark erweitert, die göttlichen Effekte in Kategorien eingeteilt und das ganze Spiel auf die griechische Mythologie zugeschnitten. Eine berühmte Kennzahl des Spiels waren die 1.000 Karten, die es in Populous II gab – allerdings musste man sie nicht alle absolvieren, um ans Ende des Spiels zu gelangen: Wer in einer Welt gut abschnitt, konnte einige der nachfolgenden Maps auslassen. Das Spiel wurde von Kritiken und Spielern zugleich gelobt und gilt noch heute als Klassiker. Eine spätere Datendisk (The Challenge Games) spielte übrigens in der japanischen Mythologie.

06 Populous 2

Syndicate (1993)

Stellt euch vor, in der nahen Zukunft regieren nicht mehr Regierungen die Welt, sondern Mega-Konzerne, die noch dazu untereinander Krieg führen. In Syndicate übernehmt ihr das Kommando über eine dieser Firmen und müsst die Weltherrschaft an euch reißen. Dafür setzt ihr auf euren Vier-Mann-Trupp, der verschiedene Missionen in simulierten Städten absolvieren muss. Hier ein Attentat, dort das Eskortieren einer VIP oder das Töten aller feindlichen Agenten. Berühmt wurde das Spiel für drei Dinge: seine tolle KI, dank der die Zivilisten zum Beispiel korrekt an roten Ampeln stehen blieben und warteten; die Gedankenmanipulation, die harmlose Zivilisten zu willigen lebenden Schutzschildern umfunktionieren konnte; und der hohe Gewaltfaktor, der rasch für Aufsehen sorgte. Später folgte übrigens noch ein Add-on namens American Revolt, das aufgrund seines hohen Schwierigkeitsgrades eher berühmt/berüchtigt ist.

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Theme Park (1994)

Was ist schöner, als Achterbahn fahren? Genau, die Bahnen selbst entwerfen! Theme Park gab euch ein Stück Land und eine eigentlich simple Aufgabe: Macht einen Vergnügungspark daraus, der euren Besuchern so richtig Spaß macht, damit sie ihr hart verdientes Geld dort ausgeben. Was generell nach keiner schweren Aufgabe klingt, hat seine Tücken allerdings im Detail, denn eure Kunden stellen unterschiedliche Ansprüche an die Fahrgelegenheiten, wollen unterhalten werden, suchen Nahrung, Getränke und Toiletten. Nebenbei will aber auch noch geforscht sowie Geld verdient werden und die Mitarbeiter wollen natürlich auch am Erfolg mitnaschen. Drei Schwierigkeitsgrade ermöglichen es allerdings auch Einsteigern, erfolgreich zu managen. Interessanterweise waren die Reaktionen auf das Spiel geteilt: In Europa war Theme Park ein Hit, in den USA floppte das Spiel.

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Magic Carpet (1994)

Bei Bullfrog wiederholte man sich scheinbar nicht besonders gerne, sondern versuchte es mit allen möglichen Genres, die aber dennoch den Bullfrog-Touch bekamen. Magic Carpet ist ein gutes Beispiel, das in keine Nische passen will: Der Spieler wird zu einem Zauberer, der auf seinem fliegenden Teppich über das Land fliegt, Mana einsammelt und Gegner bekämpft. Die gesammelte Zauberkraft wird dann in euer Schloss gebracht, wo sie euch hilft, stärkere Zauber zu sprechen und dem Sieg in dem Level näher zu kommen. Das Marketing von Publisher EA versuchte, das Spiel als Ego-Shooter an den Mann zu bringen, doch das Gameplay, das eher an ein Populous aus der Ego-Perspektive mit Shooter-Elementen erinnerte, schreckte diese Spieler rasch ab. Auch die technisch fortschrittliche Engine mit ihrer 3D-Echtzeitgrafik erwies sich als Fallstrick, denn die Hardwareanforderungen waren hoch. Aus diesem Grund gilt Magic Carpet zwar als Kritikerliebling, der sich allerdings nur schlecht verkaufte.

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Hi-Octane (1995)

Manchmal muss man einen schnellen Lückenfüller produzieren. Hi-Octane entstand laut Peter Molyneux eigentlich nur, weil man von Publisher EA, der das Studio Anfang 1995 gekauft hatte, unter Druck gesetzt wurde, ein Spiel zu veröffentlichen, aber gerade keines weit genug fortgeschritten war. Also bastelte man mit der Magic Carpet-Engine binnen acht Wochen ein Rennspiel namens Hi-Octane. In diesem steuert ihr sechs verschiedene Hovercrafts über diverse Rennstrecken. Allerdings geht es nicht nur um die Zeit, sondern auch um Abschüsse, weshalb ihr verschiedene Waffensysteme gegen eure Konkurrenten einsetzen könnt. Boni und offene Rennstrecken, die mit vielen Abkürzungen aufwarten, kamen bei den Fans gut an – für einen richtig großen Wurf war allerdings die Konkurrenz durch das bessere, stilistisch ähnliche Wipeout doch zu groß.

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Damit sind wir im Jahr 1995 angekommen – aber einige große, berühmte Bullfrog-Titel fehlen noch. In diesem Sinne: Fortsetzung folgt …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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