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Kolumne: Mehr Intelligenz für Spieler – Wie Lara & Co für uns mitdenken

Wenn wir am Controller sitzen, sind wir die Strippenzieher der Schicksale jener Figuren, deren Leben nicht am seidenen, sondern an den Fäden unserer Willkür hängen. Wir glauben, Mario, Lara Croft oder Nathan Drake machen genau das, was wir ihnen vorgeben, aber weit gefehlt. Schon lange haben die virtuellen Helden ihren eigenen Kopf und agieren teils intelligent, teils vorgegeben von alleine auf ihre Umwelt. Und wehe, wir ignorieren sie einmal und lassen sie unbeaufsichtigt, dann geht auf dem Fernseher ohnehin die Party ab.

Echt schlau
In der heutigen Zeit, in der wir fast schon lebensechte Figuren durch akribisch ausmodellierte Levels steuern, fällt es uns gar nicht mehr auf, wie sehr uns die von uns geführten Avatare an der Hand nehmen und uns ihrerseits geleiten. Natürlich wollen Entwickler nicht, dass wir ihnen und den von ihnen gestalteten Figuren auf die Schliche kommen; immerhin wollen wir als Gamer das Gefühl nicht verlieren, selbst Herr der Lage und Entdecker aller Geheimnisse zu sein. Also werden die Avatare in den Games mit subtilen Waffen der Intelligenz ausgestattet, dass wir es als völlig normal erachten, was sich da auf dem Screen abspielt. Das war aber nicht immer so: Anno 2003 überraschte ein mit riesigen Augen ausgestatteter Link in The Legend of Zelda: The Wind Waker damit, dass er, sobald er sich einem Geheimnis oder einem wichtigen Objekt näherte, seine gigantischen Glubscher nicht mehr davon nahm und sogar den Kopf dementsprechend drehte. Heute machen das so gut wie alle Figuren in Third-Person-Action-Adventures. Und mehr noch: Sie weisen uns mittlerweile schon darauf hin, wenn wir zu lange nicht weiterkommen bzw. die Lösung von Umgebungsrätseln partout nicht sehen wollen. Ein kurzer Spruch von Nate & Co. und wir sind wieder auf der richtigen Fährte. Aber auch in anderen Belangen zeigen uns unsere virtuellen Ebenbilder auf dem Bildschirm, dass sie mehr der Herr ihrer Cyberwelt sind, als wir das je sein können. Bevor wir noch die bewaffneten Gegenspieler erspäht haben, die über das verlassene Eiland patrouillieren, hat Lara Croft diese im jüngsten Teil ihrer Abenteuer bereits am Radar und begibt sich in Deckungshaltung. Oder schaut auch mal die Meuchelmörder aus der Assassin’s Creed-Reihe an. Deren agiles Freerunning ist nur dadurch möglich, dass die Spielfigur in gewissem Rahmen selbst entscheidet, wohin sie beim Klettern greift oder wo sie genau hinspringt. Die Spieler denken zwar, dass die coole Action ganz alleine ihren Händen entsprungen ist, aber einen Großteil der Arbeit haben Aveline, Connor & Ezio für uns erledigt. Praktisch, wenngleich hier auch die Frage gestellt werden muss, ob dies wirklich mit dem „Grips“ unserer Helden zu tun hat oder es sich dabei nicht bloß um einen vorgegebenen Ablauf handelt. Richtige Künstliche Intelligenz steckt nämlich nicht in jedem Fall hinter deren Aktionen, oft sind ihre Routinen gescriptet. Es fällt allerdings nicht immer leicht, hier eine Grenze zu ziehen.

Persönlichkeiten für sich
Gerade in von der Story getriebenen Videospielen zeigen unsere Avatare auch, dass sie zwar motorisch stark von unserem Input abhängig, aber dennoch von uns losgelöste – wenn auch künstliche – Persönlichkeiten sind. Monologe während des Abenteuers verstärken diesen Eindruck, aber auch diverse Animationen. Richtig auffällig wird dies, wenn die sogenannte „Vierte Wand“ durchbrochen wird – sich die Aktionen der Helden direkt an uns richten. Dieses Phänomen wird nicht nur durch Sprüche von Kerlen wie Deadpool (egal in welchem Medium) mit Bravour praktiziert, schon lange wissen Mario und seine Kollegen, jene Zeit für „Eigenständigkeit“ zu nutzen, in der wir dann mal wirklich das Joypad aus der Hand legen. Wer kennt es nicht: Schnell mal zur Toilette gehuscht, weil das Glas Cola seine Wirkung gezeigt hat, aber vergessen die Pause-Taste zu drücken, da nicht gerade viel Action im Game passiert ist – und wenn man dann zurückkommt, liegt da auf dem Bildschirm ein schnarchender Mario oder Sonic klopft nervös mit dem Fuß und blickt sich um. Andere wenden sich direkt an uns und fragen, wenn es denn nun weitergeht, oder zucken demonstrativ mit den Achseln in unsere Richtung. Gebt mal auf einer Videoplattform „idle animations“ (to idle = Englisch für „faulenzen“) ein und lasst euch z.B. von einem Link aus Ocarina of Time überraschen, der ganz gründlich seine Stiefel begutachtet, in kalten Dungeons niest oder sein Pferd Epona streichelt. Solche Szenen erfreuen unweigerlich das Gamer-Auge und festigen die Bindung an unsere „Schützlinge“ auf dem Schirm.

Richtige Intelligenz?
Hilfreiche Animationen und Idle Animations sind ja schön und gut, der Definition „Künstliche Intelligenz“ in Videospielen kommen aber oft jene spielbaren Charaktere (von NPCs reden wir mal gar nicht) am nächsten, die wir nur indirekt steuern. Man denke nur an die zu managenden Bewohner in diversen Simulationen wie Die Sims oder noch weitergehend die Creatures aus der gleichnamigen Reihe. Diese kleinen Norns, die bald als Free2Play-Titel zurückkehren werden, agierten schlau vor sich hin, während wir sie mit Klapsen oder Streicheleinheiten verwöhnten. Oder schwenkt mal gedanklich zu Games, die eine Party beinhalten; Echtzeitrollenspiele wie Mass Effect beispielsweise, in denen ihr darauf angewiesen seid, dass eure Teammitglieder aktiv und intelligent neben euch agieren. Jüngstes Beispiel hier: GTA V. Da ist jederzeitiges Wechseln zwischen den drei Helden möglich – und während ihr euch noch gerade selbst als Sniper versucht habt, seid ihr im nächsten Moment darauf angewiesen, dass die KI dies für euch erledigt, während ihr zu einem anderen Schurken des verbrecherischen Trios geswitcht seid.

Wie geht es weiter?
Die Perfektion und Lebensnähe, die Entwicklerstudios wie Naughty Dog oder Quantic Dream in ihren Spielen zu erreichen versuchen, gebieten es, dass auch die Intelligenz der von uns kontrollierten Figuren auf den Bildschirmen wächst. Natürlich nicht in allen Genres, denn wer braucht schon einen Mario der mathematische Gleichungen lösen und uns Kochtipps geben kann, während er in einem 2D-Level herumhopst. Schauen die von uns bewegten Haudegen auf dem Schirm jedoch aus wie reale Personen, wird man auch in Zukunft erwarten, dass sie eventuell mal von selbst in Deckung gehen oder nicht blindlings in jede Gefahr hineinlaufen, in die wir sie schicken wollen. Immerhin werden auch ihre Widersacher dank steigender KI immer klüger und fordern damit nicht nur uns vor dem TV, sondern auch die Avatare im Spiel kräftig heraus. Und ganz ehrlich: Solange die virtuellen Helden nicht irgendwann beschließen, ihren Dienst zu verweigern, weil sie keine Lust haben, sich in Schussgefechte zu werfen, oder aus Höhenangst dem Kraxeln abschwören, können wir sicherlich alle gut damit leben, wenn Lara & Co. auch auf der kommenden Konsolengeneration ein bisschen für uns mitdenken.

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