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Kolumne: Switch – Pick Up and Go Play

Switch heißt die neue Konsole von Nintendo, sie wird im März erscheinen und verschmilzt die Grenzen zwischen Heimkonsole und Handheld.

In dreieinhalb Minuten trennt sich Nintendo von Wii und Wii U. Es sind keine Kinder zu sehen, keine Familien in steril weißen Wohnzimmern, keine Miis. Stattdessen alles Leute in ihren Zwanzigern oder Dreißigern und wie die neue Konsole in ihr Leben passt. Vom Mann, der scheinbar noch vor dem Spaziergang mit dem Hund um 5 Uhr Morgens Zelda spielt bis hin zur Dachterrassenparty, in der Leute sich um ein Tablet versammeln. Wer kennt das nicht.

Mit Switch setzt Nintendo auf eine neue Strategie und das beginnt schon beim Namen. Switch. Klingt selbstbewusst, ein wenig forsch. Switch bedeutet Veränderung, etwas Neues, vielleicht der Sprung ins Ungewisse, ein wenig riskant. Mit dem freundlichen Zusammensein und dem kindlichen Klang Wii hat es nichts mehr zu tun. Auch das Logo brüllt “ich bin hier, ich bin rot, schenke mir deine Aufmerksamkeit”. Zusammen mit dem Namen erklärt das Logo wie schon die Wii die Kernfunktion der Hardware. Bei der Wii war es die Wii-Fernbedienung, bei Switch sind es die Joy-Con. Ein unglaublich sperriger Name für die zwei kleinen Steuerelemente, die im Mittelpunkt stehen.

Switch besteht aus einem Tablet, zwei Joy-Con, eine Halterung für die Joy-Con, die auch als Controller dient, einem Dock und einem separaten Pro Controller. Das ist viel Hardware auf einmal und doch schafft es der erste Trailer alles simpel zu halten. Du spielst ein Spiel am TV, du musst wohin, du kannst das Spiel weiterspielen. Ohne Pause, ohne irgendwas auf eine Cloud zu synchronisieren. Das neue Pick Up and Play quasi. So weit so gut und nicht wirklich überraschend. All die Leaks haben demnach gestimmt. Offene Fragen gibt es trotzdem.

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Nicht das Gezeigte hat überrascht, sondern das nicht Gezeigte.

Ist der verbaute Screen ein Touchscreen? 720p, 1080p? Ist eine Kamera verbaut? Gibt es einen Stylus? Hat das Tablet eigenen Speicherplatz und wenn ja wie viel? Was ist mit StreetPass? Gibt es Miiverse noch? Ist das ein neues Mario Kart? Ein neues Splatoon? Wie lange hält die Batterie? Nintendo hält sich bei den Details sehr bedeckt und dürfte bis 2017 nicht mehr viel Neues sagen. Das leuchtet ein. Auch wenn Switch gerade interessanter als Wii U und 3DS ist, vor dem Launch muss noch ein ganzes Weihnachtsgeschäft bedient werden. Jetzt noch mehr Ressourcen in Switch zu stecken, fünf Monate vor Release und vor dem so wichtigen Weihnachtsgeschäft? Wirklich effizient scheint dies nicht, auch wenn es Frust auslösen dürfte.

Switch ist also ein Hybrid. Eine Frage sticht heraus: Für wen ist Nintendo Switch eigentlich? Im Westen werden Handhelds von Smartphones und Tablets verdrängt, während die PS4 dominiert. Der Gedanke, neben einem Handy und vielleicht noch einem Tablet noch ein Gerät ständig bei sich zu tragen, ist schon heute für viele unrealistisch. Warum dann nicht gleich einfach eine Konsole machen, vielleicht auf technischer Augenhöhe mit PS4 Pro und Xbox Scorpio? Die Antwort liegt wie so oft bei Nintendo in Japan. Auch wenn die PS4 bei uns dominiert, in Japan schneidet sie nicht besonders gut ab. Dort dominiert immer noch der 3DS, trotz der hohen Beliebtheit von Handys. Mit Switch versucht Nintendo beide Märkte miteinander zu vereinen. Ein sehr ambitioniertes Unterfangen und viele erinnern sich wohl unweigerlich an die PS Vita. Den Weg der PS Vita dürfte Switch dank der starken Marken von Nintendo aber sicherlich nicht gehen.

Auch bei der Zielgruppe: Für wen ist Switch? Für Kinder, der traditionell stärkste Markt für Nintendo? Die Konsole an sich sieht für Nintendo-Verhältnisse sehr erwachsen aus und auch der Trailer zeigt kein einziges Kind. Das könnte auf eine Neuausrichtung deuten, aber marktwirtschaftliche Realitäten kann auch ein Trailer nicht umkehren. Nintendo braucht die Kinder, um Switch zu einem Erfolg zu machen. Da die Konsole aber erst im März erscheint und sich die Kinder doch bitte Pokémon und Mario Maker für den 3DS zu Weihnachten wünschen sollen, hat man sich die kindliche Aufmachung für den ersten Trailer gespart. Kindlich muss auch nicht gleich Fisher Price-Design bedeuten. Zwar sieht Switch ziemlich erwachsen aus, aber mittlerweile sieht alles ziemlich erwachsen aus, auch für Kinder. Sie spielen auf den Handys und Tablets der Eltern, an Fisher Price erinnern diese in der Regel nicht. Locken könnte man sie aber sicherlich mit einem Konzept wie dieses hier, das sich Twitter-User Salamanda ausgedacht hat. Es würde gut in den japanischen Spielzeugmarkt voller kleinerer Accessoires passen und mit Titeln wie Yo-Kai Watch perfekt harmonieren.

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Ist Switch für die Leute in dem Trailer? Sicherlich auch. In ihrem Alter ist man mit Nintendo aufgewachsen, hat vielleicht das Interesse an Videospielen irgendwann verloren und könnte mit Switch wieder einsteigen. Doch präsentiert Nintendo teilweise abstruse Alltagssituationen. Auf einer Dachterassenparty auf ein 6-Zoll-Display zu starren klingt ganz unterhaltsam, aber wer würde das schon machen? Nach einem Basketballspiel auf einer Bank gegeneinander auf Switch Basketball zu spielen klingt ganz unterhaltsam, aber wer würde das schon machen? Mittdreißiger? Wohl kaum. Die Antwort: Kinder. Kinder könnten Switch mit zur Schule nehmen und auf dem Pausenhof gegeneinander spielen, das leuchtet hingegen ein.

Sechs Spiele hat Nintendo für den Trailer ausgewählt. Zelda, Splatoon, Mario Kart, Mario, NBA 2K und Skyrim. Gerade Letzteres dürfte für Stirnrunzeln gesorgt haben. Warum gerade Skyrim? Kein anderes Spiel verdeutlicht Nintendos Pitch an die Drittentwickler besser als Skyrim, eines der populärsten Videospiele des letzten Jahrzehnts. Die Nachricht an die Publisher ist klar. Ihr könnt eure alten aber immer noch beliebten Spiele nochmal verkaufen, denn Leute wollten schon immer solche Spiele auch fernab des Fernsehers spielen. Auch soll Sykrim die Power des verbauten NVIDIA-Chips verdeutlichen. Ein angepasster Tablet-Chip von NVIDIA lebt im Inneren der Switch. An PS4 Pro und Xbox Scorpio kommt das Innenleben nicht an, für Handhelds ist der Sprung aber weitaus höher, als man sich das vor einigen Jahren erträumen hätte können. Mit dem Shield hat NVIDIA für mobile Konsolengrafik geworben, Nintendo konnten sie damit überzeugen.

Das nicht näher definierte NBA 2K soll verdeutlichen, dass es jetzt aber nun wirklich mit dem Support der Drittentwickler klappen wird. NBA 2K ist aber eine sehr beliebte Reihe und damit ein starkes Signal, auch wenn ein FIFA von EA hier eine ganz andere Tragkraft gehabt hätte.

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Die restlichen Spiele stammen alle von Nintendo. Gerüchte von aufpolierten Ports machten schon lange die Runde und auch das scheint einzutreffen. Zelda, Splatoon und Mario Kart sehen alle gut aus, aber sie sehen wie Wii U-Spiele aus. Es ist schwierig, etwas Neues zu verkaufen, wenn es wie etwas Altes aussieht. Nintendos Argument hier ist die zusätzliche Funktionalität als Handheld, Zelda Wii U lässt sich nicht im Park spielen, und neue Inhalte. Splatoon auf der Wii U sterben zu lassen, wäre unnötig und Mario Kart 8 lässt sich dank des starken Fundamentes mit mehr DLC leicht erweitern. Smash Bros. wurde zwar nicht gezeigt, soll aber Gerüchten nach auch einen ähnlich aufpolierten Port erhalten. Mario ist komplett neu. Viel gibt es nicht zu sehen bis auf amiibo, die nur während des Mario-Teils im Trailer zu sehen sind. Demnach werden also die Figuren weiterhin unterstützt, was nicht wirklich überrascht.

Es lohnt sich, einen längeren Blick auf den Splatoon-Teil zu werfen. Es wird nicht einfach nur Splatoon gezeigt, es werden zwei eSports-Teams in einer großen Arena in einem Wettkampf dargestellt, als wäre Nintendo das neue Capcom und Splatoon das neue Street Fighter. Schon in der Vergangenheit sprachen Nintendo-Mitarbeiter immer wieder von den eSports-Ambitionen aber irgendwie kann man das Nintendo nur schwer abnehmen. eSports bedeutet nicht nur ein guter Online-Modus, eSports bedeutet auch gutes Online. Eine starke Online-Struktur, ein Account-System, ein gutes Betriebssystem und die ständige Aufmerksamkeit für eine anspruchsvolle Community. Damit wollte Nintendo in der Vergangenheit wenig zu tun haben, bis sich Namco Bandai Smash Bros. annahm und Splatoon erschien. Was als kleines Experiment von ein paar Mario-Entwicklern begann, hat sich gerade in Japan zu einem Phänomen entwickelt und dürfte die Strategie für Switch beeinflusst haben.

Abseits der Spiele gab es nichts zu sehen. Kein OS, keine Apps. Überrascht nicht, aber da gehen die Gedanken beim Anblick eines Tablets heutzutage hin. Unterstützt Switch Apps? Und wenn ja, welche? YouTube, Twitter, Facebook, Netflix etc. sind Grundlagen, die es mittlerweile auf allen Tablets und Smartphones gibt. Ein Tablet, auch wenn es von Nintendo stammt und sich auf Videospiele konzentriert, muss diese Apps unterstützen. Irgendwie müssen Nintendos Mobile Games auch auf Switch laufen. Und wie sieht es mit dem mobilen Internet aus? Versteckt sich in der Hardware ein SIM-Kartenslot oder lässt sich eventuell die Handyverbindung für Switch tethern? Drei Minuten können und wollen diese Fragen nicht beantworten.

Nach dem Trailer folgten die Reaktionen. Der Aktienkurs fiel, was man getrost ignorieren darf. Auf YouTube wurde der Trailer binnen 48 Stunden über 12 Millionen Mal angeklickt, zusammen mit all den internationalen YouTube- sowie allen anderen Social Media-Kanälen ist diese Zahl deutlich höher. Interesse scheint da zu sein, Leute reden über Switch. Nintendo hat auch ein wenig offizielle PR veröffentlicht, unter anderem eine Liste mit allen involvierten Unternehmen. Neben alten Bekannten wie Ubisoft und Square Enix finden sich auch Bethesda und From Software wieder. So eine Liste präsentierte Nintendo auch mit der Wii U, viel übrig davon blieb ein Jahr nach Launch nicht mehr. Doch wird Switch gerade für Japan eine wichtige Rolle einnehmen. Nur Nintendo könnte Nintendo Konkurrenz machen, nur Switch könnte den 3DS ersetzen.

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Oben: Switch, unten: Wii U

Fazit
In drei Minuten reitet Nintendo auf der aktuellen Welle der neuen Popularität und erlaubt sich keine groben Schnitzer wie bei der ersten Wii U-Präsentation. Wir wissen was Switch ist, wir kennen das Hauptfeature Pick Up and Go Play. Mehr nicht. Es war Priorität für Nintendo alles so simpel wie möglich zu halten, was wiederum viele neue Fragen auftauchen lässt. Die zwei wichtigsten Fragen haben aber nichts mit Display-Auflösung, Speicherplatz oder Batterielaufzeit zu tun. Was geschieht aber mit dem 3DS? 60 Millionen verkaufte Einheiten lassen sich nicht einfach ignorieren und das sollte ein Unternehmen auch gar nicht versuchen. Werden zwei mobile Konsolen parallel existieren? Und die wichtigste Frage von allen: Wie viel Geld wird Switch kosten? Die Wii U kostete im Verkauf und in der Herstellung zu viel. Nintendo musste einen Streaming-Codec entwickeln, der zwar immer noch unerreicht ist in Punkto Qualität und Latenz, zusammen mit der teuren Herstellung des GamePads drückte er den Preis jedoch in Nintendo-untypisch hohe Regionen. Mit Switch hingegen zieht Nintendo ganz pragmatisch eigene Schlüsse aus der aktuellen Hardware-Landschaft und versucht einen Platz für sich zu finden. Tablets kennt jeder, Videospiele auf Tablets spielt jeder, gut steuern kann man diese aber nicht und 3D-Mario und Zelda gibt es sowieso nicht für andere Tablets. Diese Rechnung kann aufgehen, aber nur wenn Switch eben nicht nur eine Videospielkonsole ist, sondern auch Apps anbietet und als ganz normales Tablet nutzbar ist. Und sie kann auch nur dann aufgehen, wenn der Preis stimmt. Denn nur dann könnten genug Menschen es in Erwägung ziehen, ihr Handy, Tablet oder Phablet in der Hosentasche zu lassen und den switch zu machen. Auf Switch. (kf)

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