Kolumne: Shenmue 3 oder der alte Mann und die undurchsichtige Kickstarter-Kampagne
Im Rahmen von Sonys E3-Pressekonferenz leitete Adam Boyes, Sonys Vizepräsident für Publisher- & Entwicklerbeziehungen, die Ankündigung der Kickstarter-Kampagne zu Shenmue 3 mit folgenden Worten ein: „Es handelt sich ausdrücklich um deren [YS Net, Yu Suzukis Studio, Anm.] Projekt, doch wir wollten die Ankündigung auf unserer Bühne feiern, da es sich um ein Spiel handelt, nach dem PlayStation-Fans sehr, sehr, sehr lautstark verlangt haben.“
Nach einem Trailer und unzähligen Tränen langjähriger Fans betrat Shenmue-Schöpfer Yu Suzuki die Bühne und bat darum, Shenmue 3 mit einer Spende auf Kickstarter zu retten – Hashtag #SaveShenmue.
https://www.youtube.com/watch?v=aLRWL0s0l10
Die Kickstarter-Kampagne hat das Ziel von 2 Millionen Dollar bereits hinter sich gelassen, steht im Guinness Buch der Rekorde mit einer Million Dollar in 102 Minuten, und – oh Überraschung – Sony ist plötzlich als Publisher mit an Bord. Die GamePro zitiert Sonys Director of Third-Party-Production Gio Corsi mit folgenden Worten:
„Wir haben ein Ziel von zwei Millionen US-Dollar festgelegt und sollten die Fans es finanzieren, dann würden wir das alles natürlich Realität werden lassen. Sony und PlayStation sind definitiv Partner bei diesem Spiel. Und es wird als Third-Party-Produktion laufen, weshalb wir YS Net bei der Fertigstellung helfen. Wir werden den gesamten Weg entlang Partner sein.“
Sony ist also doch involviert. Die Pläne für den Einstieg ließ man bei der Pressekonferenz praktischerweise unter den Tisch fallen. Suzuki erhofft sich ein Budget, das dem der Vorgänger entspricht – im Fall von Shenmue 47 Millionen Dollar. Ein Teil kommt von Kickstarter, ein anderer Teil von Sony und möglicherweise auch SEGA, immerhin darf die Shenmue 3-Lizenz genutzt werden, … und der Rest?
Als Polygon nach dem Budget für Shenmue 3 fragte, gab sich Suzuki kryptisch:
„Momentan kann ich nur sagen, dass YS Net sich andere Geldquellen angesehen hat und wir andere Geldquellen vorbereiten, also haben wir für das Shenmue 3-Projekt das Geld aus externen Quellen und Kickstarter. Doch zu diesem Zeitpunkt ist das alles, was wir sagen können.“
Er verweigerte auch Auskünfte darüber, wie sehr das Projekt auf besagte externe Geldquellen angewiesen sei. Ebenfalls weigerte er sich die Frage zu beantworten, ob Sony Geld beisteuert. Diesen Punkt bestätigte Sony bereits, doch wie eng die Zusammenarbeit erfolgt und welcher Teil der Kosten von Sony getragen wird, bleibt weiterhin im Dunkeln.
Das Budget ist geheim, die beteiligten Parteien sind zum Teil unbekannt, doch Kickstarter-Stretchgoals scheinen dennoch einen großen Einfluss auf die Entwicklung zu haben. Selbst dann, wenn ein Großteil des Budgets gar nicht von der Crowdfunding-Plattform stammen kann.
„Bei zwei Millionen Dollar wäre es ein storyzentriertes Spiel geworden, mit dem die Leute zufrieden gewesen wären. Doch inmitten von 24 Stunden haben wir das Ziel überschritten und jetzt kommen wir zu den Stretchgoals“, so Yu gegenüber Polygon. Da es sich um ein Open-Wold-Spiel handle, werde es mit steigendem Budget immer besser.
Auch Sonys President of Worldwide Studios, Shuhei Yoshida, verwies im Interview mit Polygon auf Kickstarter als Faktor für den Spielumfang: „Was die finalen Entwicklungskosten anbelangt denke ich, dass Suzuki abhängig von den verfügbaren Mitteln flexibel ist. Ich denke nicht, dass er es als massives Open-World-Spiel plant, sondern das Ende der Kickstarter-Kampagne abwartet und sich dann orientiert.“
Wird Shenmue 3 mit der Kickstarter-Kampagne nun tatsächlich gerettet? (Hashtag: #SaveShenmue) Nein, vermutlich nicht. Es ist anzunehmen, dass die Crowdfunding-Mobilisierung in erster Linie den Hype schüren, Sony gute PR bringen, viele Spieler quasi zum „Vorbestellen“ bewegen und Extra-Budget sichern soll.
Eine solche Geheimniskrämerei ist bei einem Millionenprojekt wie Shenmue 3 den Fans gegenüber unfair. Dass es besser und transparenter geht, bewies in jüngster Vergangenheit Koji Igarashis geistiger Castlevania-Nachfolger Bloodstained: Ritual of the Night. Hier wurde von Anfang an offen kommuniziert, dass zusätzlich zu Kickstarter auch Geld aus externen Quellen bezogen wird und am Ende konnten trotzdem über 5,5 Millionen Dollar eingenommen werden.
Kickstarter sollte für große Unternehmen wie Sony nicht als Werkzeug dazu dienen, die Fanbasis eines Projekts auf Rentabilität abzuklopfen.
Zudem erwecken Kampagnen wie diese bei schnellem Hinsehen den Eindruck, ein Videospiel von diesen Ausmaßen könne einfach mal mit zwei Millionen Dollar entwickelt werden. Ein solches Vorgehen kann auch Druck auf kleinere Teams ausüben, ihre Budgets absichtlich sehr knapp zu kalkulieren, da ja auch große Projekte mit „nur“ ein paar Millionen finanziert werden können. Inzwischen findet sich ein Hinweis auf andere Geldquellen versteckt in der FAQ-Sektion am Seitenende der Kickstarter-Kampagne. In dieser wird Sony im Übrigen kein einziges Mal erwähnt, obwohl das Unternehmen als Publisher fungiert.
Am Ende bleibt aber die Aussicht, dass Shenmue 3 endlich entwickelt wird. Und das ist schön.