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Kolumne: Protektionismus – Gift für die Videospielindustrie

“America first” erklärte der neue US-Präsident Donald Trump bei seiner Inaugurationsrede. Eine Parole, die für Ökonomen etwas Unnatürliches und Gefährliches signalisiert: den Protektionismus. Der Markt wird mit Gewalt zu eigenen Gunsten manipuliert. Konkurrenten aus dem Ausland sollen geschwächt, eigene Unternehmen aus dem Inland gestärkt werden. Zu welchen Entwicklungen das für die Videospielindustrie führen kann, zeigt Platz 9 der größten Wirtschaftsnationen der Welt: Brasilien.

Wer in den 80er Jahren Konsolen in Brasilien kaufen wollte, musste lange Zeit zu illegalen Mitteln greifen. Importe waren gänzlich verboten, einzig in Brasilien selbst hergestellte Konsolen durften verkauft werden. Heimische Hersteller für Unterhaltungselektronik gab es aber kaum. Doch wo Nachfrage ist, kann Angebot nicht weit sein. Und so florierte der Schwarzmarkt. Konsolen wurden von benachbarten Ländern eingeschmuggelt und komplett am Staat vorbei unter der Hand verkauft. Die Nachfrage war groß, aber das Angebot knapp bemessen und illegal. Hohe Preise waren die Folge.

So etwas lässt sich ein Staat nicht gefallen. Brasilien legalisierte Importe, erhob aber eine Steuer (Einfuhrzoll). Die Preise waren mit der Steuer aber immer noch zu hoch und der Schwarzmarkt hatte sich schon längst etabliert. Ein schweres Pflaster für jedes Unternehmen. Brasilien wollte sie aber in das eigene Land locken. Sie sollten Büros und Fabriken öffnen, Kooperationen mit heimischen Unternehmen eingehen, Brasilianer einstellen und so zu mehr Wohlstand führen. Wer in Brasilien produzierte, musste weniger Steuern zahlen und konnte seine Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten. Dieser Umstand führte dazu, dass eine gewisse Konsole namens Mega Drive den Markt in den 90er Jahren mit 80% Marktanteil dominieren konnte. SEGA war früh eine Kooperation mit dem brasilianischen Unternehmen Tectoy eingegangen, produzierte die Konsolen in Brasilien und konnte so das Mega Drive zu niedrigeren Preisen als die Konkurrenz verkaufen. Der Rest des Marktes bestand aus dem teuren NES und vielen NES-Kopien. Als das SNES erschien, hatte SEGA den “Konsolenkrieg” schon längst gewonnen. Die Liebe zu SEGA ist tief in der brasilianischen Videospielkultur verwurzelt. Das Mega Drive verkauft sich immer noch und im Oktober 2016 kündigte Tectoy eine neue Edition an, mit 22 vorinstallierten Spielen und Modulschacht.

Seit den 90er Jahren hat sich in Brasilien viel getan. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, ein Maß für die Kaufkraft von Konsumenten, hatte sich in 2010 fast vervierfacht.

 Die Leute haben mehr Geld, auch für Unterhaltungselektronik. Hat sich Brasilien von den protektionistischen Maßnahmen der Vergangenheit verabschiedet? Der Preis einer PS4 sagt alles.

2350 Real sind knapp 700 Euro. Zum Launch kostete die PS4 über 1800 US-Dollar. 63% des Launchpreises der PS4 war dem Protektionismus geschuldet.

Nirgends auf der Welt kostet die PS4 mehr als in Brasilien. Wer seine Produkte günstig verkaufen möchte, der muss in Brasilien investieren. Büros und Fabriken öffnen, Brasilianer einstellen und so zu mehr Wohlstand führen. Andernfalls sind hohe Einfuhrzölle zu bezahlen. Das treibt die Preise nach oben, das wiederum lässt den Schwarzmarkt weiter florieren. 2015 hat Nintendo die Reißleine gezogen und die Kooperation mit dem brasilianischen Distributor Juegos de Video Latinoamérica beendet. Damit hat sich Nintendo aus dem brasilianischen Markt fürs Erste zurückgezogen. Microsoft hat einen kleinen Teil der Produktion nach Brasilien ausgelagert und kann die Xbox One so für relativ günstige 400 Euro anbieten.

Diese Maßnahmen der Regierung haben ihre Spuren hinterlassen. Aktuelle Konsolen und Spiele sind zu teuer. Der Marktführer ist die PS2, gefolgt von der Xbox 360. Konsolenhersteller scheuen sich vor großen Investitionen, da sich die Kundschaft nach Jahrzehnten des Protektionismus an den Schwarzmarkt und Softwarepiraterie gewöhnt hat. Selbst wenn Sony und Microsoft die Produktion komplett nach Brasilien verlagern, was in unserer globalisierten Welt wirtschaftlich wenig Sinn ergibt, ist ein Erfolg nicht garantiert.

Und was geschieht nun mit den USA? Jetzt gerade in diesem Moment arbeiten im Hintergrund die Lobbyisten der Videospielindustrie daran, genau das herauszufinden. Videospiele sind ein globales Geschäft. An Assassin’s Creed Unity haben zehn Ubisoft-Studios aus Kanada, Ukraine, Frankreich, China und Rumänien gearbeitet. Wie in jeder Tech-Industrie wird Hardware in Japan oder den USA entworfen, hergestellt wird sie jedoch in China. Globalisierung hat Videospiele zum milliardenschweren Geschäft gemacht und zu neuen Jobs, zu mehr Wohlstand, auf der ganzen Welt geführt.

Wie auch immer der Protektionismus der neuen US-Administration aussehen wird, der globale Videospielmarkt wird darunter leiden. (kf)

Weiterführende Links

Tech in Brazil: The Market for Video Games in Brazil

SEGA-16: Interview mit Stefano Arnhold (Tectoy)

Global Brand Prices: PS4

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