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Kolumne: Nun sag, wie hast du’s mit den Leaks?

Immer wieder wird die Videospielindustrie von Leaks geplagt. Je mehr Leute Zugriff auf unveröffentlichte Informationen haben, desto höher die Chancen für Leaks. Sie sind aufregend, vielleicht die letzten großen Überraschungen dieser durchkalkulierten Industrie. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, einen wirklichen Nutzen haben Leaks nicht.

Bei einem Leak sind immer drei Akteure vorhanden. Das Unternehmen, die Presse und die Konsumenten.

Für ein Unternehmen gibt es kein größeres Horrorszenario. Der Release eines neues Spiels ist von A bis Z durchkalkuliert. Wann ist der Reveal? Nur ein CG-Trailer oder gleich Gameplay? In welchem Rhythmus veröffentlichen wir neue Informationen? Wann halten wir ein Presseevent ab und wird ein Entwickler für Interviews bereitstehen? In diesen Plänen stecken jahrelange Erfahrung im Geschäft und Befunde um die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung der Konsumenten. Dieses Konstrukt aus Kommunikation und Werbung existiert aus einem guten Grund, es soll die Konsumenten auf den wichtigsten Tag im Leben eines Videospiels vorbereiten: den Release. Kein Tag ist wichtiger für den Erfolg eines Projektes als der erste Verkaufstag. Bis zu diesem einen Tag hat das Unternehmen noch die Kontrolle, bis die Presse ihre Reviews veröffentlicht und die Mechaniken des Gebrauchtmarktes greifen. Dieser Drang zur Kontrolle mag zwar drakonisch wirken, doch hängen gerade bei immer teurer werdenden AAA-Projekten die Zukunft vieler Familien von den Verkäufen eben dieses ersten Tages ab.

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Mit der PS4 Slim gelangte in diesem Jahr eine Konsole in Spielerhände, die noch nicht einmal angekündigt war.

Für die Presse sieht die Geschichte natürlich ganz anders aus. Sie können ohne Vorwarnung aus jedem “Slow News Day” einen erfolgreichen Tag machen und man kann der Marketingmaschinerie ein wenig eins auswischen. So wichtig nämlich die Marketingpläne für die Unternehmen auch sein mögen, so frustrierend sind sie für die Presse. Oft saß ich einem Interviewpartner gegenüber, der partout nicht die simpelsten Fragen zu einem angekündigten Spiel beantworten wollte. “We haven’t communicated that yet” ist die verhasste Floskel, bei der man sich fragt, warum man eigentlich überhaupt ein Interview führt. Gerade in der Preview-Phase des Marketingplans bleibt der Presse oft nichts Anderes übrig, als einfach nur das vorgekaute Material mit eigenen Worten wiederzugeben. Heraus kommen Artikel, die sich zu sehr ähneln und kaum Mehrwert für die Leser bringen. Durch Internet und YouTube können Leser ohnehin alles selber von einem angekündigten Spiel lesen und sehen, perfekt inszeniert und kontrolliert von den Unternehmen. Zusammen mit dem neuen Trend der Influencer-Kampagnen, die vielleicht “total authentisch” auf die Zielgruppe wirken mögen, aber natürlich ebenfalls durchkalkuliert sind, findet sich die Presse in einer prekären Situation wieder. Da kommt ein Leak natürlich genau richtig. Der Leaker betreibt investigativen Journalismus und kann sich, auch wenn das Unternehmen vielleicht die kostenlosen Testmuster von da an unterbindet, das auf die Fahne schreiben. Der Rest hat ein neues Thema für News, Kolumnen oder Podcasts und kann einen freien Dialog mit der eigenen Leserschaft starten.

Für die Konsumenten gibt es zwei Seiten. Viele Leaks haben überhaupt keinen Nutzen. Ob man nun schon vorher weiß, dass die neue Nintendo-Konsole ein Hybrid sein oder das neue Assassin’s Creed in Ägypten spielen soll, was soll man mit diesen Informationen denn überhaupt anstellen? Die Ankündigung eines Spiels ist der Startschuss für den Marketingplan, ohne Bildmaterial oder zusätzliche Informationen ist eine Ankündigung nutzlos. Zwar wissen wir nun, dass Mario und die Rabbids wohl in einem Crossover erscheinen sollen, was genau bringt aber diese Information ohne jedwedes Bildmaterial oder Informationen zum Spielablauf? Um früher Hype für ein Spiel aufbauen können? Dafür sorgt schon der Marketingplan, dafür existiert dieser ja überhaupt. Ubisoft und Nintendo werden uns schon wissen lassen, dass dieses Spiel erscheinen wird.

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Die andere Seite hingegen kann tatsächlich nützlich sein. Da wir nun wissen, dass ein Pokémon für Switch erscheinen soll, kann jeder für sich selber entscheiden, ob Pokémon Sonne und Mond für den 3DS eine gute Investition darstellen. Das spart Frust und Geld und dürfte gleichzeitig keinen allzu schädlichen Einfluss auf die Weihnachtsverkäufe haben. Kinder wollen Pokémon zu Weihnachten haben, nicht erst in mehreren Monaten. Auch Fans der Serie dürften sicherlich schon jetzt zuschlagen, es ist ja schließlich Pokémon. Nintendo selber findet das natürlich überhaupt nicht nützlich und dürfte sich sicherlich ärgern. Der Leak “rained on their parade” und hat es geschafft, Aufmerksamkeit von Sonne und Mond abzulenken.

Leaks sind die vielleicht letzten großen Überraschungen dieser durchkalkulierten Industrie und verleihen ihr nach all den Jahren der Professionalisierung immer noch einen gewissen Hauch Chaos. Auch wenn Leaks in den meisten Fällen nutzlos sind, sind sie ja vielleicht deswegen so beliebt. Man weiß nie so genau, was sie bringen werden und der nächste Leak könnte in nur fünf Minuten aufschlagen. (kf)

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