HighlightKolumneNewsVideogames

Kolumne: Mit Sega nach London, Boxtraining & Zurück in die Zukunft im Theater

Die Rückkehr der Pressereisen

Pressereisen gehörten vor der Pandemie zu jenen glamourösen Events, von denen „normale“ Gamer nur träumen konnten: Man spielt Spiele weit vor Release, trifft Entwickler, entlockt den Anwesenden Geheimnisse und jettet durch die Weltgeschichte. Die Realität sieht nicht immer so exquisit aus: Ja, oft genug haben wir auf solchen Events Gelegenheit, Spiele vor dem Launch zu spielen – in einer sehr kontrollierten Umgebung zumindest; Entwickler trifft man immer wieder – im Laufe meiner Jahre haben ich einige bekannte Namen zumindest kurz kennenlernen dürfen; Geheimnisse zu entlocken ist allerdings zu Zeiten von genau abgestimmter PR deutlich schwieriger geworden. Und ja: Man jettet tatsächlich durch die Weltgeschichte – oft genug allerdings so, dass man von der Welt da draußen kaum etwas mitbekommt. Dafür ist die Zeit einfach zu knapp.

Sightseeing a la Pressereise: Einmal am Tower vorbeifahren muss reichen.

Auch als selbsternannter Schreibtischtäter hat mich der pandemiebedingte Paradigmenwechsel zu Online-Events deshalb nicht gestört: Man „trifft“ Entwickler nun virtuell, streamed die frühen Versionen auf den heimischen Rechner und verlässt dabei das Haus nicht. Ja, es gibt manchmal technische Probleme und Online kann ein offline-Treffen nicht ersetzen, aber der Zeitaufwand ist dafür deutlich geringer. Da dadurch so nebenbei auch die Kosten für die Publisher sinken (billig können diese Events sicherlich nicht sein), war ich eigentlich davon überzeugt, dass die Tage der „kleinen“ Pressereisen gezählt waren.

Umso mehr war ich überrascht, als eine Pressereise in die Shock2-Redaktion flatterte, die ich nicht ablehnen konnte: Persona 4 Arena Ultimax sollte in London gelaunched werden – und optimaler Weise sollten wir schon am Tag zuvor anreisen, um sicher pünktlich beim Event zu sein. Zwei Tage in London (eine meiner Lieblingsstädte), Flug und Hotel bezahlt, ein Tag davon zur freien Verfügung, und dann ein Event zu einem Spiel, dessen Serie für mich letztes Jahr eine große neue Entdeckung war? Ja, das erforderte ein wenig Organisation, aber im Endeffekt (danke an meine Frau!) hat es geklappt und ich flog nach London.

Wo ich mich in London am wohlsten fühle? In einem Theater natürlich.

Bevor ich zum eigentlichen Event komme, möchte ich noch dazu sagen, dass man sich bei Sega – denke ich – durchaus bewusst war, dass das Event vor allem ein sozialer Termin nach der langen Pandemie werden würde. Allein wegen Persona 4 Arena Ultimax wäre wohl kaum jemand hingefahren – und zwar nicht, weil es schlecht ist (dazu bald mehr in meinem Review), sondern weil es keine Spielvorstellung, sondern ein Launch-Event war. Mehr noch: Schon Tage nach dem Event flatterte der Reviewcode in unsere Postfächer – wer wollte, konnte das Spiel also schon spielen, ohne dafür extra nach London zu fahren. Und selbst ohne Review-Code hätte man nicht allzu lange warten müssen – zum Event kam Persona 4 Arena Ultimax auch schon in den Handel. Und da haben wir noch gar nicht berücksichtigt, dass es sich nicht einmal um ein neues Spiel handelt – die ursprüngliche Version des Titels erschien schon vor Jahren auf PS3 und Xbox 360. Man kann diese Reise also weniger als eine klassische Pressereise sehen – eher als eine Feier, dass soziale Events wie dieses wieder möglich sind.

Um meine Zeit in London gut zu nutzen, hatte ich um einen sehr frühen Flug gebeten (und ihn auch bekommen – danke an die Organisation bei Cosmocover!). Das hieß in dem Fall tatsächlich Tagwache um drei, Abfahrt zum Flughafen so gegen vier Uhr früh – es versprach, ein langer, aber immerhin freier Tag zu werden. Und den hatte ich vor, sinnvoll zu füllen. Wer mich kennt, weiß: In London bekommt man mich normalerweise nicht aus den Theatern und noch weniger aus dem West End heraus. Und zumindest eine Show sollte sich ausgehen, lautete der Plan. Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Daraus wurden tatsächlich zwei, weil ich nach einem (zu) ausgiebigen Mittagessen – danke, Pizza Hut, ich habe dich vermisst – einfach keinen Hunger mehr hatte, das geplante Abendessen absagte und während eines kleinen Abendspaziergangs mich doch entschied ins Theater zu fahren, um mir eine zweite Show anzusehen. Dazu aber an anderer Stelle mehr.

Die Turnier-Stationen waren stilecht im Boxring aufgebaut

Nach einer ausgiebigen (und dringend nötigen) Mütze Schlaf gehörte der nächste Tag dann aber definitiv Sega und Persona 4 Arena Ultimax. Für den Launch des Brawlers hatte Sega einen Box-Club gemietet, in dem nicht nur ein virtuelles Turnier anstand, sondern auch ein Box-Training. Auch hier zeigte sich also der Unterschied zu einem „normalen“ Presseevent: Wäre sonst das Spielen des Titels im Mittelpunkt gestanden, gab es gerade mal vier Anspielstationen für eine Menge Journalisten – und die waren für das Turnier gedacht. Die Konsolen waren dafür recht cool im Boxring aufgestellt, was von der Atmosphäre durchaus Sinn machte. Für den Sieg und die Siegertrophäe gerecht hat es für mich zwar nicht – für ein Stechen ums Halbfinale allerdings immerhin schon. Für mich, der definitiv nicht der beste Brawler-Spieler der Welt ist, schon ein kleiner Erfolg.

Danach folgte jener Abschnitt des Events, auf den sich ein Teil von mir freute – und vor dem ein Teil von mir Angst hatte: das Box-Training. Falls ihr dabei an jene Trainings denkt, wo Sportler mit Boxhandschuhen auf Kommando auf die von den Trainern gehaltenen Pads einschlagen, denkt ihr richtig. Eher überraschend hat mir das sogar richtig Spaß gemacht, auch wenn es durchaus anstrengend war. Wer hätte gedacht, dass meine Theater-Erfahrung mit Choreographie mir dabei helfen würde, mir die vom Trainer angesagten Kombinationen einzuprägen? Profi-Boxer, wie von Michael befürchtet, werde ich allerdings trotzdem keiner.

In einem Punkt haben sich die Pressereisen allerdings nicht geändert: Warten gehört einfach dazu. Vor dem Event: Warten darauf, dass es losgeht. Nach dem Event: Warten darauf, dass das Turnier zu Ende ist; und noch weiter danach: Warten auf die Taxis, die die Journalisten auf die vier internationalen Flughäfen verteilen. Und dort: Wieder warten auf den Heimflug. Zeit – allein letzter Punkt war nahezu drei Stunden -, die ich jetzt zumindest zum Teil genutzt habe, um diesen Bericht zu tippen.

Mein Fazit? Pressereisen sind offensichtlich zurück und haben sich nicht so sehr verändert, wie man vielleicht erwarten würde. Sie machen noch immer Spaß – und kosten eine Menge Zeit. Sie bieten die Gelegenheit – diesmal wirklich – ein bisschen in einer fremden Stadt unterwegs zu sein (wobei „fremd“ bei mir und London nicht gerade zutrifft). Und es gibt die Gelegenheit, eine Menge Kollegen kennenzulernen. Ein Stück Normalität, das wir zurückbekommen haben – in einer Stadt, für die die Pandemie offensichtlich ebenfalls schon vorbei ist (zumindest trifft man kaum mehr Leute mit Masken, trotz zahlreicher Hinweise, doch bitte Mund und Nase zu bedecken). Danke Sega und Cosmocover für diese Normalität, die Reise und die tolle Betreuung (und das Nerven-Bewahren beim Taxi-Chaos am Ende). Aber jetzt freue ich mich dann doch schon wieder darauf, nach Hause zu kommen …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"