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Kolumne: Mein Walk of Shame – Vom PC zur Konsole

Ich bin schwach, ich gebe es zu. Wie sicher viele war auch ich anfangs kein großer Fan der neuen Konsolengeneration mit PS4 und Xbox One. Die Ermangelung reizvoller Launchtitel machten es mir leicht, den Start der beiden zu „versäumen“. GTA V und Destiny liefen auch wunderbar auf meiner guten alten Xbox 360 und so vergingen die Monate und die wirklich reizvollen Spiele ließen auf sich warten. Was jedoch nicht auf sich warten ließ, waren Dutzende Horrorgeschichten über fürchterliche Framerate-Zusammenbrüche, unnötige Online-Zwänge und kaum sinkende Preise. Alles Gründe, die mich immer weiter von diesen Geräten, die ich doch eigentlich so gerne geliebte hätte, wegtrieben. So war nach einem halben Jahr etwa die Entscheidung getroffen: Ein Gaming-PC muss her.

Wartet, ich will doch mitfahren!
Nach einer gefühlten Ewigkeit war dann das nötige Kleingeld zusammengekratzt und ein leistungsstarkes Monstrum zusammengestöpselt. Und wie war die Freude groß, wie schön war die Grafik, wie flüssig das Spielgefühl, wie schmerzhaft die Retroperspektive auf all die „vergeudeten Jahre“. Als Party-Konsole wurde noch eine Wii U angeschafft, in die kaum je etwas anderes als First-Party-Titel eingelegt wurden und damit konnten mir Microsoft und Sony gestohlen bleiben. Ein Halo ohne Splitscreen und ein paar aufgepeppte Remaster-Versionen konnten mich da kaum umstimmen.

Sprung zwei Jahre in die Zukunft und siehe da plötzlich befindet sich doch eine PS4 Pro unter meinem Fernseher, nun gut ihr habt mich doch noch erwischt. Doch wie konnte es dazu kommen und wie fühlt es sich so an, nach Jahren der Stolz getragenen Rebellion doch wieder mit eingekniffenem Schwanz vor Sonys Tür zu stehen und zu betteln, ob man nicht doch noch mit Noctis und seinen Kameraden auf einen Roadtrip gehen darf?

Schmeckt nach Schande.
Nun, einen bitteren Beigeschmack hat das schon, aber wenn es um Videospiele geht, will ich einfach nicht warten. Das prominent auf meinem Schreibtisch platzierte VR-Headset kann davon ein Ständchen singen. Daher war ich beinahe von mir selbst beeindruckt, wie lange es mir möglich war dem Drang zu widerstehen. Und immerhin, sieht man die PS4 Pro nun als offizielle Ankündigung des Endes der Konsolengenzyklen im herkömmlichen Sinne, könnte man ja sogar sagen, ich habe eine ganze Generation übersprungen. Doch um ehrlich zu sein war der bedrohend größer werdende Haufen an verpassten, reizvollen Exklusivtiteln einfach zu groß geworden. Uncharted 4, Final Fantasy XV, The Last Guardian, Let it Die, Bloodborne und dann auch noch die Ankündigung von The Last of Us Part 2 … ok, ok, ok ich gebe auf … Aber nicht ganz ohne Kampf.

Ernsthaft jetzt ?!
Nach ausgiebigem Testen ist mein Fazit zum aktuellen Zustand dieser Konsolengeneration: Hölle, Hölle, Hölle. Wie können wir uns so etwas gefallen lassen? Jeder einzelne der oben genannten Titel ist ein Meisterwerk für sich und doch merkt man jedem einzelnen an, wie die für seine Erschaffung verantwortlichen Künstler faktisch mit einer an den Rücken gefesselten Hand arbeiten mussten. Trotz extra eingebauter Hybrid-Festplatte Ladezeiten bei Bloodborne von weit über einer Minute? Trotz PS4 Pro und „Leistungs-Modus“ Frameraten von unter 20 FPS bei Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2 und unschöne Fragmente soweit das Auge reicht bei Final Fantasy XV? Dazu keine Möglichkeit daran irgendetwas zu ändern? Können wir wirklich so leben? Wollen wir das?

Mut zur Selbsterkenntnis
Ich jedenfalls bin schockiert, wie wir als Spieler schon so lange Zeit mit diesem IST-Zustand leben konnten. Ich möchte hiermit nicht zum großen Boykott gegen die Konsolen anstiften und alle zum Kauf eines Gaming-PCs ermutigen. Schließlich habe ich selbst ja erst kürzlich wieder meinen Weg zu den Konsolen zurückgefunden und sitze jetzt im selben Boot. Eher möchte ich den unschuldigen Wunsch ausdrücken, die verehrten Herrschaften bei Sony und Microsoft mögen so wie ich mit diesem Artikel die eigenen Schwächen eingestehen.

Und hier sehen sie, wie mich ein Wolf frisst, weil ich nicht ausweichen konnte.
So muss ich mir einfach eingestehen, dass ich trotz aller Kritik nicht in einer Welt ohne diese, mit Sicherheit teils nur durch ihre Exklusivdeals entstandenen Meisterwerke leben möchte. Genauso aber müssen sich Sony und Microsoft endlich eingestehen, dass sie keine Gaming-PCs zu Spottpreisen produzieren können und das hübsche Grafik zwar auf Screenshots nett aussehen mag, aber selbige Screenshots in Diaform aneinander gereiht leider noch kein spielbares Spiel darstellen. Vor allem, wenn mir hier bereits die Wahl zwischen „Leistungs-Modus“ und „Visuellen-Modus“ gelassen wird, darf mir besagter Leistungs-Modus dann nicht in regelmäßigen Abständen Standbilder präsentieren.

Am schönsten ohne Make Up.
All diese Spiele profitieren von ihrer Optik, aber all diese Spiele werfen mit ihrem famosen Gameplay und ihren fantastischen Geschichten auch absolut hervorragende Argumente in den Ring, um auch ohne bis an die Grenzen des ertragbaren gepeitschte Grafik ihren Mann stehen zu können. Nintendo scheint dies verstanden zu haben und letztendlich war es mit Sicherheit nicht die Grafik, sondern die großartigen Spiele dahinter, die mich nun meine jahrelang hochgehaltenen Prinzipien über Bord werfen ließen. Und ich bereue es nicht. Trotz allem. (bz)

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