ArtikelHighlightNewsTV-Serien

Ersteindruck: House of the Dragon (spoilerfrei!)

Das Lied von Blut und Feuer

2019 endete eine der einflussreichsten Serien des letzten Jahrzehnts mit einer Enttäuschung: Die achte und letzte Staffel von Game of Thrones war heiß ersehnt worden, aber an vielen Punkten gescheitert – ein plötzlicher Sprint zum Ende, Plot-Stränge aus der Vergangenheit, die einfach nicht mehr aufgegriffen wurden, und Charaktere, die eine 180 Grad-Wende in schwindelerregender Geschwindigkeit hinlegten, waren nur einige der Kritikpunkte, die nicht nur in zahlreichen Memes verewigt wurden, sondern sogar zu Petitionen führten, die letzte Staffel noch einmal zu drehen. Überraschenderweise scheint die Gesamtfranchise rund um George R.R. Martins Lied von Eis und Feuer allerdings von dieser Enttäuschung kaum beschädigt worden sein: Sage und schreibe acht Spin-off-Projekte sind in verschiedenen Stadien der Entwicklung; das erste davon, nämlich House of the Dragon, feierte soeben Premiere. Wir haben uns die erste Folge angesehen.

Willkommen bei den Drachen

Die Geschichte von House of the Dragon ist knapp 200 Jahre vor der Geschichte von Daenerys, Jon & Co. angesiedelt und damit zu einem Zeitpunkt, als das Haus Targaryen noch in Königsmund auf dem Thron saß. Um Spoiler zu vermeiden, wollen wir nur kurz die Ausgangslage der Serie beleuchten: Bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit muss sich das Herrscherhaus mit der Nachfolge herumschlagen; König Viserys (Paddy Considine) hofft auf die Geburt eines männlichen Erben, denn sonst ist sein Bruder Daemon (Matt Smith aus „Doctor Who“ und „The Crown“) der logische Nachfolger. Doch auch das einzige lebende Kind des Monarchen, Prinzessin Rhaenyra (zunächst gespielt von Milly Alcock, als Erwachsene übernimmt in späteren Folgen Emma D’Arcy), wäre eine mögliche Kandidatin. Rasch werden die Wurzeln zahlreicher möglicher Konflikte mit Politik und Intrigen in bester Game of Thrones-Manier gelegt, auch wenn die Pilotfolge nur an der Oberfläche kratzt und so nebenbei die handelnden Personen einführt. Bei letzterem hilft die Konzentration auf den Hof von Königsmund, sodass man trotz der unbekannten Figuren den Ãœberblick behält und nicht gleich zahlreiche Locations samt dazugehörigem Personeninventar in den Kopf bekommen muss.

Vertrautes Mittelalter

Ursprünglich hätte als erstes Prequel zu Game of Thrones eine Serie namens The Long Night (später auch Bloodmoon genannt) veröffentlicht werden sollen – doch nach dem Dreh des Pilotfilms wurde dieses Projekt eingestampft und stattdessen House of the Dragon gestartet. Einer der Gründe dafür, dass man sich für letzteres Projekt entschieden hat, soll dabei gewesen sein, wie anderes sich das Tausende Jahre in der Vergangenheit spielende erste Prequel zur Mutterserie angefühlt hat. Diesen Vorwurf kann man House of the Dragon keineswegs machen, ganz im Gegenteil: Die Serie fühlt sich vertraut an und sorgt so für allerhand „Aha“-Momente, wenn vertraute Familiennamen und -wappen, bekannte Objekte und bereits bereiste Orte erneut einen Auftritt bekommen. Auch der Look der Schauplätze und der Kostüme ist vertraut – genauso wie die Musik, die gerade in den ersten Minuten fast zu aufdringlich oft Variationen des Game of Thrones-Themas zitiert. Auch in Sachen „Schauwerte“ wissen die Macher genau, was sich das Publikum von Game of Thrones erwartet – schon in der Pilotfolge gibt es einiges an grafischer Gewalt, Blut, Nacktheit und Sex (auch wenn die letzten beiden Punkte laut den Machern deutlich zurückgedreht wurden) zu sehen. Die Einstufung der Serie für ein älteres Publikum ist durchaus verständlich.

Das Lied von Blut und Feuer

Wie schon bei Game of Thrones folgt auch diese Serie einer literarischen Vorlage von George R.R. Martin – in diesem Fall einem Teil des Buchs „Feuer und Blut: Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen von Westeros“ (auf Englisch: „Fire & Blood“). Der hintere Teil dieser Sammlung von Texten zur Geschichte des Hauses Targaryen dient als Grundlage der Serienstory, die sich um die später als „Tanz der Drachen“ bezeichnete Epoche drehen soll. Das Vorhandensein dieser Vorlage hat einen klaren Vor- und Nachteil. Der Vorteil: Anders als bei Game of Thrones wird den Machern nicht gegen Ende die literarische Vorlage ausgehen, da diese – zwar nicht so detailliert wie bei den bereits erschienenen Büchern des Lieds von Eis und Feuer, aber zumindest klar skizziert – wohl die Geschichte der Serie abdeckt (auch wenn natürlich nur spekuliert werden kann, bis zu welchem Punkt der Familiengeschichte die Serie gehen soll). Der Nachteil ist allerdings: Schon jetzt muss man aufpassen, in keine Spoiler zu geraten, weil Leser der Vorlage ihr Vorwissen rund um das Schicksal gewisser Figuren in Diskussionen einbringen. Kenner des Buches müssen sich übrigens trotzdem auf Ãœberraschungen gefasst machen. Erstens ließ GRRM seine historischen Texte von „Chronisten“ verfassen, wodurch nicht gesagt ist, dass sich die Aufzeichnungen auch immer völlig mit den „tatsächlichen“ Ereignissen decken. Zweitens kann es immer wieder zu Ãœberraschungen kommen, von denen auch die Autoren der fiktiven Bücher nichts wissen. So gibt es zum Ende der ersten Folge eine Enthüllung, die wir hier definitiv nicht spoilern wollen, aber direkt von George R.R. Martin in die Serie eingebaut wurde und wohl selbst für eingefleischte Fans eine Ãœberraschung ist …

Ersteindruck

House of the Dragon ist ganz klar Game of Thrones – und zwar nicht die verkorkste letzte Staffel, sondern das, was wir davor an der Serie lieben lernten: Schönes Worldbuilding, Intrigen, Politik; auch die Charaktere haben zumindest interessante Ansätze, auch wenn es wohl noch ein wenig dauern wird, bis sie uns so ans Herz wachsen, wie ihre Vorgänger (ob wir das zulassen sollten, steht bei der blutigen Geschichte von Westeros auf einem anderen Blatt). Wenn man House of the Dragon nach der ersten Folge eines vorwerfen will, dann vermutlich, dass die Macher hier ganz klar auf Sicherheit setzen: Diese Serie wagt zunächst kaum Experimente, sondern versprüht aus allen Poren „Ich bin Game of Thrones“, von den Locations über die Charaktere, das Design, die Musik bis hin zum Einsatz von Sex und Gewalt. Hoffentlich darf die Serie im Laufe der Zeit etwas mehr Eigenständigkeit finden, auch wenn wir uns natürlich nicht beschweren wollen, sofern es gelingt, an die beste Zeit von Game of Thrones anzuschließen. Die nächsten Folgen werden es zeigen, ob es den Machern gelingt, an die Magie des Vorgängers anzuschließen …

House of the Dragon startet in der Nacht zum 22. August exklusiv auf Sky X (Österreich), Wow TV und über Sky Q auf Abruf sowie abends um 20.15 Uhr auf Sky Atlantic. Dannach gibt es jede Woche eine neue Folge!

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

Ähnliche Artikel

Überprüfen Sie auch
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"