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Ersteindruck: Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht (Spoilerfrei!)

Geschichten aus dem alten Mittelerde

Es ist endlich soweit: Nach langer Wartezeit können wir mit Die Ringe der Macht in J.R.R. Tolkiens wundersame Welt aus „Der Herr der Ringe“ zurückkehren – und zwar in Serienform. Das Prestigeprojekt mit gewaltigem Budget von Amazon Prime wurde von Mittelerde-Fans sowohl heiß ersehnt als auch mit einer gewissen Furcht betrachtet und schon die Trailer kritisch nach Anzeichen durchsucht, ob die Serie der großen Vorlage (und für viele sind damit auch die „Herr der Ringe“-Trilogie von Peter Jackson gemeint) gerecht werden kann. Jetzt sind die ersten beiden Folgen gestartet – und wir berichten nahezu spoilerfrei aus Mittelerde, ob wir eher freudig gespannt auf die nächsten Folgen sind oder uns doch eher enttäuscht abwenden wollen.

Mittelerde vor unserer Zeit

Die Ringe der Macht spielt weit vor den Ereignissen um Frodo, Sam, Aragorn, Legolas, Gimli und Co, genauer gesagt im zweiten Zeitalter Mittelerdes („Der Herr der Ringe“ zeigt das dritte Zeitalter). Der dunkle Herrscher Morgoth ist besiegt, aber die Gefahr, die von seinen Untergebenen ausgeht, noch nicht gebannt. Insbesondere was mit dessen Diener Sauron und seiner Ork-Armee passiert ist, ist unklar und lässt der Elbin Galadriel (Morfydd Clark spielt eine deutlich jüngere Version des Charakters, der in den Peter Jackson-Filmen von Cate Blanchet gespielt wurde) keine Ruhe. In Erinnerung an ihren Bruder Finrod, der den Heldentod starb, jagt sie der zunehmend schwächer werdenden Fährte Saurons unerbitterlich und bis zur Selbstaufgabe nach. Denn auch wenn Elbenkönig Gil-galad überzeugt ist, dass nun endlich wieder Frieden herrscht, zeigen Ereignisse quer durch Mittelerde, dass seltsame Dinge vor sich gehen und der Friede wohl nur eine vergebliche Hoffnung ist …

Mammutaufgabe

Als knapp vor dem Release der Serie die ersten Kritiken der Serie auftauchten, war die Aufregung groß – und auch das spricht wohl von der hohen Erwartungshaltung, die in die Serie gesetzt wird. Es gab etliche Reviews, die die Serie in höchsten Tönen lobten, aber auch einige Totalverrisse – und einiges in der Mitte. Nach den ersten beiden Folgen kann man die polarisierenden Meinungen durchaus verstehen: Man merkt Die Ringe der Macht an, dass hier für eine Serie ein gewaltiges Budget verwendet wurde – das Produktionsdesign, die diversen Locations, Kostüme und Maske und sogar die Orchestergröße zeigen einen für eine TV-Produktion ungeahnten Aufwand. Auch die Geschichte, die man erzählen will, ist ambitioniert und vielschichtig. Auf der anderen Seite muss man aber auch festhalten, dass die Story so ambitioniert und umfassend ist, dass sie in den ersten beiden Episoden nur schwer in die Gänge kommt, weil die Macher damit beschäftigt sind, die einzelnen Handlungsstränge und Protagonisten vorzustellen (und, blickt man auf die Castliste, damit noch immer nicht fertig sind). Das soll nicht heißen, dass die Geschichte stillsteht, da die Autoren recht geschickt einzelne Handlungsstränge anstoßen und loslaufen lassen, während andere, davon (noch?) separate langsam hinzugefügt werden, aber dennoch bleibt selbst am Ende der zweiten Episode (wo schon ein wenig mehr Handlung stattfindet) der Eindruck zurück, dass man nun viele Figuren und Orte kennengelernt hat, aber noch nicht allzu viel passiert ist und man vor allem viele Fragen, aber noch deutlich zu wenig Antworten bekommen hat. Der Fokus liegt momentan noch deutlich auf dem Worldbuilding und der Vorstellung der Figuren. Das ist an sich nichts Schlechtes, aber auch wenn die Serie auf fünf Staffeln angelegt ist, hat die erste nun mal nur acht Folgen, um ihre Geschichte zu erzählen.

Die Freude am Wissen

Apropos Geschichte erzählen: Spätestens seit der Ankündigung des Namens der Serie sowie des Settings kann man sich (auch ohne dazugehörige Interviews der Macher, die diese Theorie bestätigen) ausrechnen, welche Story die Serie auf den Fernseher bringen will. Das Autorenteam hat dabei aber in Sachen Vorlage nur eingeschränkte Möglichkeiten: Amazon hat nur die Rechte am Hobbit und Der Herr der Ringe erworben, weshalb nur Inhalte verwendet werden dürfen, die dort (sei es in Liedern, in Erzählungen oder auch in den Anhängen) erwähnt werden. Das deutlich umfassendere Material aus dem Silmarillion und ähnlichen Werken bleibt ihnen verwehrt und sich daraus ergebende Lücken müssen mit eigenen Ideen gefüllt werden. Zwar sollte man nicht damit rechnen, dass die Serie allzu weit von den dort erwähnten Ereignissen abweicht – darauf achtet schon das Tolkien Estate, das bei The Rings of Power ein Mitspracherecht hat -, aber dennoch muss man sich darauf einstellen, dass auch diese Serie sich nicht sklavisch an die Vorlagen halten wird. Trotzdem ist die Serie ein Fest für Kenner dieser Geschichten, die bei der Erwähnung von manchen Orten oder Figuren rasch wissend nicken und erste Querverbindungen ziehen werden. Aber ohne diese Vorkenntnisse kann man der Handlung problemlos folgen (auch wenn manche Details, die in aller Kürze gezeigt werden, diesen Zusehern entgehen werden) und freut sich über ein Wiedersehen mit einzelnen Charakteren, die man – so wie Galadriel oder eben auch Elrond – viele, viele Jahre älter kennengelernt hat und denen man nun deutlich jugendlicher (für Elben) begegnet.

Wir sind nicht bei Peter Jackson

Übrigens ebenfalls keine Rechte haben die Macher an Peter Jacksons Herr der Ringe-Filmen – im Gegenteil, sie sind sogar vertraglich verpflichtet, sich nicht an diesen zu orientieren. So ganz scheint man sich allerdings nicht daran gehalten zu haben, denn Mittelerde und ihre Bewohner wirken zumindest in manchen Punkten und Designs vertraut, auch wenn die Serie (was ebenfalls heftige Kritiker gefunden hat) die einzelnen Völker deutlich diverser gecastet hat. Das fühlt sich allerdings in den ersten beiden Episoden organisch und alles andere als unpassend an. Auch bei der Musik ist man um eine gewisse Kontinuität bemüht: Bear McCreary (God of War, Outlander, The Walking Dead, Battlestar Galactica) setzt auf orchestralen Bombast, der in seinen besten Momenten an Howard Shores Soundtrack erinnert (die Chöre wurden übrigens in Wien aufgenommen), aber zumindest noch ikonische Themen wie in den Peter Jackson-Filmen vermissen lässt. Aber auch Howard Shore ist an der Serie beteiligt und liefert das Main Credits-Thema, das allerdings überraschend wenig an seinen Soundtrack von anno dazumal erinnert. Da hätten wir uns doch mehr – oder zumindest etwas anderes – erwartet.

Ersteindruck

Man muss ehrlich sein: Die Ringe der Macht muss mit einer Erwartungshaltung zurechtkommen, die die Serie wohl kaum realistisch erfüllen kann. Dennoch stürzen sich die Macher in dieses Abenteuer, das mit etlichen Charakteren, Locations und Handlungssträngen sowie einer bislang außerhalb der Bücher unbeleuchteten Zeit der Geschichte Mittelerdes punkten soll. Der Preis dafür zeigt sich in den ersten beiden Folgen, die vor allem dazu dienen, erste Motivationen und Figuren zu etablieren, sodass die Handlung etwas schwerfällig in die Gänge kommt. Schon die zweite Folge zeigt hier allerdings eine Verbesserung und es bleibt zu hoffen, dass die Serie nächste Woche deutlich an Tempo aufnimmt und beginnt, die einzelnen Handlungsstränge näher zusammenzuführen. Die Zutaten für eine tolle Serie in der Welt von „Der Herr der Ringe“ sind nämlich da – jetzt müssen sie nur noch als Gesamtmix punkten

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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