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Da Capo-Review: Shadow of the Colossus (PlayStation Plus)

Mehr als ein HD-Port

Zwischen 3. März 2020 und 7. April 2020 gibt es den grandiosen PS4 Remaster von Shadow of the Colossus im Rahmen der PlayStation Plus Mitgliedschaft für die PlayStation 4. Aus diesem Anlass servieren wir euch das passende Review aus dem Februar 2018 als Da Capo-Review.

Da Capo-Review

Es gibt Spiele, die sind fast so schnell vergessen, wie wir sie gespielt haben. Und es gibt jene Titel, die uns weiter begleiten, an die wir immer wieder zurückdenken, egal, wie lange sie zurückliegen. Shadow of the Colossus, jenes Spiel, mit dem Fumito Ueda (Ico, The Last Guardian) schlagartig großen Kreisen der Spielerschaft bekannt gemacht wurde und das heute oft in der Debatte „sind Spiele Kunst“ zitiert wird, gehört definitiv in die zweite Kategorie. Grund genug, den PS2-Titel nun nach der PS3 auch auf die PS4 zu bringen. Und das, soviel sei schon vorweg genommen, auf eine Art und Weise, die diesem Ausnahmetitel absolut gerecht wird.

Geschichtsstunde

Für alle, die bislang Shadow of the Colossus ausgelassen haben, eine kurze Einführung: Ihr spielt einen jungen Mann, der an einen verbotenen Ort gereist ist; nicht etwa um Reichtümer zu ergattern, sondern um ein Mädchen zu retten, das aufgrund eines finsteren Schicksals getötet wurde. An seinem Ziel angekommen erfährt unser Protagonist, dass es möglich ist ihr das Leben zurückzugeben, doch nur, wenn er die sechzehn Kolosse tötet, die das Land durchstreifen. Gemeinsam mit seinem treuen Pferd Argo macht er sich auf die Reise durch die einsamen Gegenden und folgt der Reflektion der Sonne von seinem Schwert zu den mächtigen Gestalten, die einsam ihre Runden drehen. Spätestens dort wird uns klar, wie klein und unwichtig wir im Vergleich zu den Kolossen sind – und doch ist es möglich, ihnen das Leben zu nehmen. Jede Begegnung fühlt sich einzigartig an und erfordert sowohl Beobachtungsgabe, um herauszufinden, wie sich unser Gegner verhält, als auch Geschick, um an die verwundbaren Stellen zu gelangen. Und auch wenn sich jeder Kampf wie ein Bossfight in jedem x-beliebigen Action-Adventure anfühlen könnte, will sich dieses Gefühl nicht einstellen: Das liegt nicht nur an den abwechslungsreich designten Gegnern und Boss-Mechaniken, sondern auch an der Atmosphäre des Spiels: Haben wir den Kampf gegen den Koloss und unsere Ausdauer-Leiste gewonnen, bleibt kein Gefühl des Triumphs über einen übermächtigen Kontrahenten, sondern eine seltsame Melancholie, dass wir etwas so Majestätisches getötet haben. Es sind diese Momente, die Shadow of the Colossus besonders machen, denn es gelingt mit einfachen Stilmitteln große Emotionen in uns zu erwecken.

Ein Kunstwerk

Einfache Stilmittel und Emotionen sind auch gute Stichwörter, denn es ist die Reduktion auf das Wesentliche und die Gefühle, die Shadow of the Colossus zu einem Kunstwerk machen. Hier ist kein Ballast an Bord, das Spiel fokussiert sich ganz auf die Geschichte unseres Helden und seinem Kampf gegen die Giganten, die uns eigentlich nichts getan haben, aber der Preis für das Leben des Mädchens sind. Anderen Spielen würde man vielleicht die  leere Landschaft vorwerfen, doch so gekonnt wie in diesem Titel eingesetzt birgt diese Leere eine unglaubliche Atmosphäre. Wenn man mit Argo seine Runden durch die Gegend zieht, fällt Kennern des Originals rasch auf, wie gründlich die PS4-Fassung grafisch überarbeitet wurde. Oft genug werden bei einem HD-Remake vor allem die Polygonzahl nach oben geschraubt, die Texturen verbessert und die Sichtweite erhöht; damit gab sich Bluepoint Games (die auch schon die PS3-Fassung umsetzten) diesmal allerdings nicht zufrieden, sondern überarbeitete das Spiel gründlich. Wo im Original Nebel die Landschaft verhüllte (und Rechenleistung sparte), bekommen wir jetzt klarere Sicht; aus kargen Landschaften wurde nun eine detailverliebte Umgebung; auch das Spiel mit dem Licht ist völlig anders. Das Resultat ist einerseits, dass das Spiel nicht einfach wie ein hochgerechneter Klassiker, sondern wie ein aktueller Titel aussieht (und auch ordentlich von der zusätzlichen Rechenleistung einer PS4 Pro profitieren kann); andererseits kann man natürlich diskutieren, ob man die eher verträumte, simplere Optik des Originals bevorzugt oder den fotorealistischeren Stil des Remakes. Das ist Geschmackssache – ähnlich wie die Frage, ob man ein gemaltes Portrait oder ein Foto bevorzugt. Beides hat einen ganz eigenen Reiz.

Liebe zum Original

Diese detailverliebte Behandlung des Urspiels, den Titel ans Heute anzupassen, aber gleichzeitig die Einzigartigkeit des Spiels nicht anzutasten, zieht sich durch die gesamte Umsetzung – und damit auch zu einem Punkt, der vielleicht mehr Überarbeitung verdient hätte, als er bekommen hat: der Steuerung. Die PS2-Version ist bekannt für ihre etwas hakelige Steuerung, das suboptimale Kontrollschema und eine bockige Kamera. Wirklich überarbeitet wurde allerdings nur die Controllerbelegung, bei dem man nun zwischen mehreren Möglichkeiten (darunter natürlich auch das Original) wählen kann – eine klare Verbesserung. An anderen Fronten bleiben die Probleme allerdings erhalten: Bei der Steuerung unseres Helden bzw. unseres Pferdes klappt nicht immer alles so, wie wir uns das vorstellen und die Kamera hat oft ihren eigenen Kopf. All das sind Dinge, die man bereits am Original bekritteln konnte und manchen Spielern den Titel vergällt haben (andere hingegen meinen, dass dies absichtlich so designt wurde, um den Helden weniger perfekt zu machen). Fakt ist: Sie wurden – wohl auch aus dem Vorsatz heraus, das Vorbild nicht zu stark zu verändern – nicht oder nur geringfügig verbessert. Doch auch sonst hält man sich mit Neuerungen zurück: Abgesehen von einem Fotomodus und versteckten Münzen (und einer eigenen Belohnung, wenn wir alle von ihnen gesammelt haben) haben die Entwickler das Spiel so belassen, wie es war. Und das ist gut so, denn mit all seinen Ecken und Kanten ist Shadow of the Colossus ein Spiel, das nicht umsonst zur Legende wurde. Und die PS4-Fassung ist eine würdige Neuauflage, die diesem Ruhm sicher nicht schaden wird, sondern sich mehr als würdig erweist.

Fazit

Wertung - 9

9

Geniales Spiel, toll aufpoliert

Würde man Spiele wie Waschmaschinen bewerten, hätte Shadow of the Colossus vermutlich ein Problem: Eine Welt, die zwar technisch großartig präsentiert wird, aber vor allem durch ihre Leere auffällt, gäbe sicherlich Abzüge für mangelnde Abwechslung; dazu kommen die bockige Kamera und die bisweilen hakelige Steuerung, und schon haben wir einen Titel, der vermutlich streng nach Checkliste mit um die 70 Prozent bewertet werden würde. Zum Glück sind Spiele allerdings mehr als das: Spiele leben neben der Technik von Emotionen, von der Fähigkeit, uns in die Welt hineinzuziehen. Und Shadow of the Colossus brilliert hier auf allen Ebenen. Die Geschichte des jungen Mannes, der große Opfer bringt, um ein Mädchen zu retten, zündet; die Leere der Welt ist ein Stilmittel, das uns in die Spielwelt hineinsaugt; und der Kampf gegen die diversen Kolosse ist abwechslungsreich und spannungsgeladen, lässt uns allerdings mit einem melancholischen Gefühl zurück, das manchen von uns dazu bringen könnte, das Spiel beiseite zu legen. Statt Triumphgefühlen, wie wir sie in anderen Titeln an solchen Stellen verspüren würden, stellt sich – unterstützt von der Präsentation und der Musik – ein Gefühl von Traurigkeit ein, das uns bis zum Ende weiterbegleitet. Sind Spiele Kunst? Sicher nicht alle. Aber ein Spiel wie Shadow of the Colossus, das solche großen Emotionen aus uns herausholen kann, ist definitiv ein Kunstwerk, das man erlebt haben sollte.

Genre: Action-Adventure
System: PS4
Entwickler: Bluepoint Games
Erscheint: erhältlich
Preis: ab ca. 45 Euro

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Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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