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Da Capo-Review: Forza Motorsport 6 (Xbox Live Gold)

Turn 10 hat sich nicht lumpen lassen und nach dem Open World Ansatz des von Playground Games entwickelten Spinoffs Forza Horizon 2 wieder in die reine Simulationsecke zurück gefunden. Auch angesichts eines neuen Konkurrenten auf der Racingbühne ein spannender Schritt für Freunde des virtuellen Rennsports. So gab es an dem im Mai erschienen Project Cars nicht viel zu meckern, war die Detailtreue doch auf einem derzeit unerreichten Niveau und die Grafik ein Augenschmaus. Zusätzlich dazu ist dieser durch Crowdfunding finanzierte Titel auch noch plattformübergreifend erhältlich, wodurch nun endlich auch PC-Spieler in den Genuss einer ansprechenden Rennsimulation kommen konnten und sich Forza und Gran Turismo nun zeitgleich mit einem Konkurrenten auf der eigenen Plattform herumschlagen müssen. Wer da trotzdem noch mit einem Exklusivtitel die Spieler auf die eigene Konsole locken will, muss sich reinhängen.

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Juhuu mein Kilometerstand erhöht sich!
Und genau das hat das von Microsoft selbst gepublishte Studio gemacht. Angefangen mit der neue Forzatech Engine, mit der das Spiel grafisch in das Jahr 2015 katapultiert wurde, wurden nicht nur alle bekannten Strecken einem Feintuning unterzogen, sondern auch einige neue per Laserscan und mit viel Expertise in die virtuelle Welt geholt. Mit insgesamt 26 Locations hängt Forza Motorsport 6 den 31 verschiedenen in Project Cars zwar ein wenig hinterher, dafür ist die Qualität aber auf einem extrem hohen Niveau und man merkt, dass sehr viel Liebe zum Detail in die Betonachterbahnen gesteckt wurde. Neben den Strecken wurde natürlich auch fleißig an den Boliden herum geschraubt und so kann man nun satte 460 Autos von innen und außen bewundern, womit der Konkurrent mit seinen ca. 65 verschiedenen Flitzern im Staub zurück gelassen wird. Während die Karosserie der ein weites Spektrum von SUVs, über Coupes, bis hin zu Formel-Eins- und Supersportwagen umfassenden Karren schon ein Highlight darstellt,  befindet sich der wahre Blickfang aber im Innenraum. So detailliert und wunderschön hat man wohl noch nie im virtuellen Fahrersitz gesessen. Das gesamte Armaturenbrett ist bei jedem Fahrzeug nicht nur bis ins kleinste Detail originalgetreu nachgebaut worden, sondern funktioniert sogar. So verhalten sich neben dem Tacho und dem Drehzahlmesser sogar die Tankanzeige und der Kilometerstand absolut akkurat: Vorbildlich!

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Ich nehm die Treppe
Zu kritisieren gibt es hier nur das äußerst inkonsistente Anti-Aliasing. Ob die Ecken und Kurven perfekt abgerundet sind oder Treppchenbildung wie bei einem Ps2-Spiel entsteht, entscheidet das Spiel nämlich dynamisch. Oft ist diese Entscheidung aber nicht ganz nachvollziehbar und es werden die Kanten des Streckenzauns perfekt abgerundet, während der Kühlergrill des Nissan GTR aussieht wie ein M.C. Escher-Gemälde. Im Innenraum kommt dieser Störfaktor Gott sei dank größtenteils nur bei den Rückspiegeln zum Tragen. Diese bieten aber abgesehen davon einen derartig schönen und detaillierten Überblick über euer Heck und alles dahinter, dass man dies gerne verschmerzt. Vor allem, weil der Titel flüssige 60fps bei 1080p ermöglicht.

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Erzähl mir was
Hat man sich dann an den ganzen Wägelchen satt gesehen, sich in Forzavista zu jedem von ihnen von einer angenehm vertonten Frauenstimme Details zu Entstehung und Bauart vorlesen lassen und sich für ein persönliches oder aus dem Community heruntergeladenes Design entschieden, geht es auch schon zum ersten Mal auf die Rennstrecke. Wer als Veteran die Vorgänger schon gespielt hat, kann auch noch seinen Drivatar (KI, die aus dem Verhalten des Spielers lernt) übernehmen und erhält gleich sechs Hochleistungsboliden und einen kleinen Creditboost für den Anfang. Alle anderen machen sich daran, ihren Drivatar zu trainieren um ihn dann online in das Singleplayerspiel anderer Spieler zu schicken.

Mama braucht ein neues Lenkrad!
Am allgemeinem System der persönlich anpassbaren Fahrhilfen hat sich dabei auch nicht viel verändert. Nett hierbei: Für jeden Schritt näher an die Simulation wird auch ein gewisser Geldbonus gewährt. Das Verhalten der Autos ist dabei etwas gewichtiger und im Allgemeinen eine weitere Spur näher an der Realität. Wer ein passendes Lenkrad besitzt, bekommt hier ein sehr gut umgesetztes Fahrverhalten und wird in Kombination mit den atemberaubenden Innenräumen ein übermannendes Mittendringefühl verspüren. Leider unterstützt das Spiel aber nur eine sehr eingeschränkte Zahl an Lenkrädern, wovon kaum eines unter 300 Euro zu haben ist. Zwar darf das neue Logitech G920 Lenkrad verwendet werden, leider aber keines der Vorgängermodelle. Ähnlich verhält es sich mit anderen Herstellern. Hier wäre eine großzügigere Abwärtskompatibilität wünschenswert gewesen.

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Ich helf dir mal. Ätsch, doch nicht!
Doch zum Glück funktioniert auch die Steuerung per Gamepad hervorragend. Das Forcefeedback der Tasten fühlt sich, wie schon beim Vorgänger so großartig an, wie sich eine Rennsimulation auf einem Controller nur anfühlen kann. Allgemein funktioniert die Steuerung sehr gut, solange nicht in den „Simulations“-Modus gewechselt wird. Hier tritt nämlich ein seltsames Phänomen auf. Sollte hier doch eine absolut exakte Umsetzung der Controller-Eingabe erwartet werden können, wird man leider immer noch durch leichte Verzögerungen bevormundet, die verhindern sollen, dass das Fahrzeug allzu digital gesteuert wird. Das funktioniert auch ganz gut und vermittelt trotz der Steuerung mit dem Controller ein halbwegs flüssiges Fahrgefühl. Problematisch wird es nur, sobald das Heck des Boliden auskommt. In dieser stressigen Situation wird nämlich plötzlich eine direkte Übertragung der Stickeingabe gewährt. Was sich am Papier wie eine ganz gute Idee anhört, führt leider in den meisten Fällen zum vollkommenen Kontrollverlust. Stellt ihr die Lenkung auf „Normal“ wird einem ebenfalls nur wenig unter die Arme gegriffen, aber zumindest eine konsistente Steuerung ermöglicht, die in stressigen Situationen ihr Verhalten nicht gänzlich auf den Kopf stellt. Spieler ohne passende Ausrüstung sollten also eher einen Bogen um die „Simulations“-Einstellung des Lenkrads machen.

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I’m singing in the rain!
Ein Highlight an Realismus sind dafür die neuen Nass-Racing-Strecken. Für etwa ein Viertel der 26 Location stehen euch Strecken im strömendem Regen zur Verfügung und hier wurde nicht an Details gespart. Tröpfchen bilden sich auf eurem Lack und den Fenstern und bewegen sich je nach Beschleunigung, Bremsung oder Seitenlage in der Kurve nicht nur in die richtige Richtung, sondern werden auch regelmäßig von eurem Scheibenwischer von der Windschutzscheibe gewischt, nur um die Scheibe gleich erneut langsam zu bedecken. So nass Asphalt aussehen kann, so tut er es und ist überall mit wunderschön reflektierenden Pfützen versehen. Diese haben aber nicht nur einen ästhetischen Nutzen, sondern verändern auch euer Fahrverhalten. So können die richtigen Reifen hier Gold wert sein, steht Aquaplaning und allgemeinen Traktionsverlust im Regen an der Tagesordnung. Auch verreißt euch das Auto vor allem bei höheren Geschwindigkeiten leicht, wenn ihr eine Lacke nur einseitig streift und dadurch nur eine Achsenseite Grip hat. Hier wird sich so mancher dabei erwischen, wie er nach einem halben Überschlag und einem sowieso verlorenen Rennen einfach nur im Auto sitzt und einige Sekunden dem Regen zuhört und zusieht, wie er langsam auf die Scheibe tröpfelt und mit dem bekannten Wischgeräusch der Scheibenwischer davongewischt wird. Und schon ist der Ärger über das verlorene Rennen wie weggeblasen.

Dunkel wars, der Mond schien helle
Einzig Spritzeffekte, wenn zum Beispiel eine tiefere Lacke durchfahren wird, sucht man leider vergebens. Auch das vom Reifen aufgewirbelte Wasser macht den Anschein, einfach eine größere Menge des auch bei strahlenden Sonnenschein produzierten Reifenrauchs zu erzeugen. Dieser ist dafür generalüberholt worden und sieht nun schöner und voluminöser aus denn je. Auch Nachtrennen haben ihren Weg ins Spiel gefunden. Nicht ganz so eindrucksvoll wie die Nass-Racing Strecken, haben auch sie einen großen Realismusanspruch. So sind vor allem ländlichere Strecken stockdunkel und es sind teils nur die Kegel der eigenen Scheinwerfer und die Bremslichter des Vordermanns zu sehen, was einen geradezu entrischen Flair hervorruft. Wer sich einen Vorteil herausschlagen möchte, passt seine Reifen an den kalten Asphalt an, um noch einmal ein Stück besser um die Kurven zu kommen.

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Kein Brumm? Wie dumm!
Allgemein ist der Realismusanspruch des Titels sehr hoch. Ein kleiner Wermutstropfen ist daher der etwas synthetische Motorensound. Er wirkt zwar passend zu den jeweiligen Autos, aber selbst auf der 1000-Euro-Soundanlage von Teufel in unserem Testsetup fehlte leider sogar bei den amerikanischen PS-Monstern einiges an Volumen und Tiefe. Im direkten Vergleich mit der Konkurrenz wird einem  fast das Gefühl vermittelt, die Entwickler hätte einfach ein EDST (Exhaust Dynamic Sound Technologies zu dt. dynamischer Auspuffgeräuscherzeuger) aufgenommen statt der realen Autos.

Top (Gear) Story!
Beim Storymodus hat sich Turn 10 etwas Nettes überlegt und so wird in etwa 70 Stunden durch die Geschichte des Automobils gefahren und alle Locations, Fahrzeugklassen und Generationen die es ins Spiel geschafft haben bereist und erklärt. Vertont wurde das Ganze von bekannten Rennfahrern und Autonarren wie zum Beispiel Richard Hammond oder James May. Hier könnte sich Project Cars mit seiner trocken sachlichen Rennenabfolge, welche kaum Storymodus genannt werden kann, durchaus noch eine Scheibe abschneiden.

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SOGAR Splitscreen!
Auch der Multiplayer funktioniert sehr gut und dynamisch. Fahrt ihr mit euren eigenen Fahrzeugen, könnt ihr hier sogar ordentlich Geld, Erfahrungs- und Herstelleraffinitätspunkte sammeln, welche euch noch mehr Geld und neue Wägen für kommende Rennen freispielen können. Wer den passenden Boliden noch nicht zur Hand hat, kann sich auch einfach einen mieten, verzichtet dadurch aber auf seine Belohnung. Eine Anzeige welche Fahrhilfen der Gegenspieler eingeschalten hat und ob er mit einem Lenkrad oder einem Controller spielt, sucht man leider vergebens. Dies wäre insofern nett gewesen, da  sich mit dieser Information leichter vergleichen bzw. an seinen Gegner anpassen hätte  können. Wer sich gerade einen Freund nach Hause eingeladen hat, kann mit ihm vorbildlicherweise, wie heutzutage leider gesagt werden muss, sogar im Splitscreen spielen. Der Mitspieler kann dabei sogar seine eigenen Fahrzeuge von seinem Profil verwenden und selbst Geld, Erfahrung und Affinität gewinnen. Einziger Wermutstropfen: Die Cockpitperspektive wurde hier gänzlich gestrichen. Zumindest eine abgespeckte Version mit weniger Details (oder schlechterem Anti Aliasing) wäre hier nett gewesen.

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Der hat mir zu wenig Hubraum
Beim Tuning hängt Turn 10 leider der Konkurrenz mit seinen tausenden Werten ein wenig hinterher. So wurde im Vergleich zum Vorgänger z.B. sogar jede Information über den Hubraum gestrichen, eine nicht zwangsläufig relevante aber durchaus interessante Information. Dafür ist das Perfektionieren eurer Rennmaschinen nun zugänglicher denn je und ihr könnt euch vor dem Austausch jedes Teils dynamisch simulieren lassen, welche Auswirkung dieses auf Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit, Querbeschleunigung etc. haben wird. Angenehmer geht es kaum. Allgemein gestaltet sich die Menuführung trotz der Masse an Inhalten äußerst übersichtlich und zugänglich, was den Titel um einiges einsteigerfreundlicher als seinen Hauptkonkurrenten macht.

Review Overview

Wertung - 8.5

8.5

Forza auf der Ãœberholspur!

Alles in allem hat Turn 10 hier einen tollen Racer abgeliefert. Manche Designentscheidungen wie beispielsweise das seltsam priorisierende Anti Aliasing sind wenig nachvollziehbar und hätten vermieden werden können. Forza-Fans bekommen hier aber das Sequel ihrer Träume, welches einfach an allen Ecken und Enden verbessert wurde, wunderschön aussieht, tausende Tuningmöglichkeiten für hunderte Autos, massig Strecken zur Verfügung stellt und dabei trotzdem einsteigerfreundlich bleibt. Ein großer Kritikpunkt bleibt aber die Inkompatibilität mit ca. 80% der am Markt erhältlichen Lenkräder. Dies tut bei einem Spiel wie diesem besonders weh und wird hoffentlich bald durch Updates nachgerüstet.

Genre: Rennspiel
Entwickler: Turn 10
Erscheint: 18. September 2015
System: Xbox One

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