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Chrissi’s Midweek Madness: Auf den Spuren der aussterbenden Videotheken

“Die Video City, eine der größten Videotheken in Frankfurt macht zu!”, erfuhr ich letzte Woche per Twitter. Dafür dass ich diese weder persönlich kannte noch in Frankfurt lebe, traf mich die Meldung viel zu stark. Sofort musste ich an meine unzähligen Besuche und Erlebnisse in verschiedenen Videostores denken.

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Meine erste Mitgliedskarte bekam ich zum 14. Geburtstag im Jahr 2000, als in meiner Stadt eine Familienvideothek eröffnete. Endlich alleine bestimmen was und wie viel ich sehen will!

Ich war jede Woche mehrere Male in der Videothek und wurde zum Stammgast und Filmfan. Waren die neuen Blockbuster verliehen, wählte ich spontan nach Cover aus und langte so auch oft genug zu Schrott. Um die Fehlgriffe zu vermeiden, lungerte ich fortan immer etwas länger zwischen den Regalen, bis ich von anderen Kunden oder Mitarbeitern die ein oder andere gute Empfehlung aufschnappte.

Seitdem habe ich laut meinem IMDb-Profil aktuell knapp 3.000 Serien-, Film- und Videospieletitel bewertet. Der Großteil dieser Liste wurde aus meiner örtlichen Videothek geliehen.

Dass Videotheken aussterben ist kein Geheimnis. Wie es dazu kam und was das für die Zukunft aller Filmliebhaber bedeutet, schaute ich mir, aus Nostalgie, vergangenes Wochenende auf meiner Fahrt von NRW nach Bayern bei zwei sehr unterschiedlichen Videotheken an.

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In einem kleinen schwäbischen Dorf gibt es das Videolädle Wallerstein, eine Videothek, die es seit über 20 Jahren gibt. Dort stehen immer die neusten Blockbuster, die nach einiger Zeit wegen Platzmangels aussortiert werden. Der Besitzer ist ein älterer Herr, der auf einem kleinen Röhrenfernseher einen seiner Filme laufen lässt, während er auf selten gewordene Kundschaft wartet. Da er keine Miete bezahlen muss, kann sich sein Laden gerade noch über Wasser halten. Wie lange, das ist die Frage.

videocity

Kurz vor dem Aus hingegen steht die größte Videothek die ich kenne: Die Video City in Frankfurt am Main, welche von einem freundlichen, aber wegen der bevorstehenden Schließung melancholisch gestimmten, älteren Herren geführt wird.

VHS

In mehreren großen Räumen sind wandhohe Regale vollgepackt mit so ziemlich allen Filmen, die es gibt. Von VHS-Bändern über DVDs hin zu Blu-ray-Disks findet man eine riesige Auswahl an Hollywoodstreifen, aber eben auch ältere Videos und Nischenfilme, importierte Animes und ganze Staffeln von Serien. Diese sind sortiert nach Ländern oder Schauspielern, Chinesisches, Koreanisches, Russisches Kino, etc.

Beim Schlendern ziehe ich die ein oder andere Hülle aus dem Regal und fachsimple mit meiner Begleitung über gesehene Filme. Mir fällt aber auch die eine oder andere DVD in die Hand, die selbst ich noch nicht kenne. Genau das liebe ich am Stöbern in den Filialen so sehr.

kaufen

Am Ausgang gibt es ein Verkaufsregal mit sehr vielen, günstigen Filmen. Dieser Berg wächst jeden Tag. Es lohnt sich also auf alle Fälle ein Besuch in FFM bis zur Schließung Ende 2015, wenn man seine eigene Sammlung bereichern möchte.

Was heute traurig stimmt, war von den 1980er bis Anfang der 2000er Jahre, dank dem Boom der Videokassetten und DVDs, eine garantierte Goldgrube. Videotheken sprießten aus dem Boden und erreichten ihre Primetime – bis die 56k-Modems von High-Speed-Internet überholt wurden.

Zuverlässige Streaming-Dienste und kostenlos abrufbare Mediatheken mit guter Auswahl und hoher Bildqualität, machen den Besuch bei der Videothek einfach zu unbequem und unkomfortabel. Neue Filme sind online rund um die Uhr verfügbar und der aktuelle Streifen ist nicht zufällig schon verliehen.

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Für einen Film zahlt man in der Videothek circa 2 € – wenn man am selben Tag noch von der Couch aufsteht und ihn wieder zurückbringt. Bei Streaming-Anbietern zahlt man ungefähr 10 € pro Monat. Fünf Filme im Stream schauen schafft man auf alle Fälle, und immer wieder ein paar Folgen seiner Serien auch. Da lohnt sich der Weg für viele Kunden nicht mehr. Sie schauen sich kurz vor dem Einschlafen noch eine Serie an, entscheiden sich spontan während eines Films für einen anderen und müssen nicht mehr von der Couch aufstehen.

Für Videothekenbesitzer rechnet sich das längst nicht mehr. Bevor sie Schulden machen, schließen sie schweren Herzens lieber ihr Lebenswerk. Mit dem Sammeln und Anbieten aller möglichen Filme haben sie unzählige Filmfans und Cineasten beglückt, sich mit der Kundschaft über Filme unterhalten und Videothekbesuche zu besonderen Pilgerfahrten gemacht. Videotheken waren Schreine für das große Kino, aber auch Anlaufstellen um Neues zu entdecken und für wenig Geld unzählige Streifen als Teenager sehen zu können. Dafür danke ich ihnen.

regal

Anfangs hielt ich die Plastik-Hüllen lieber selbst in der Hand und kaufte mir DVDs. Diese vergilbten und verstaubten dann aber im Schrank. Sie brauchen viel Platz und mehrmals schaue ich nur selten Filme, da es zu viel interessanten Nachschub gibt. Während meines Filmstudiums holte mich die digitale Welle ein und ich verkaufte meine komplette Sammlung. Seitdem bin ich täglich, zwischen virtuellen Wänden voller Filme und Serien, unterwegs.

Persönlich finde ich es sehr schade, dass die Läden und Filmfan-Treffpunkte bald komplett wegfallen. Doch wer Mitarbeiter, Miete und Energiepreise zahlen und von dem Geschäft leben muss, ist wirtschaftlich auf wiederkehrende Kundschaft angewiesen.

Allerdings geht mir heutzutage weder die Filmauswahl, noch das Angebot neuer Inhalte verloren und online kann man sich in den sozialen Netzwerken fachmännisch mit Gleichgesinnten unterhalten. Eine Weiterentwicklung der Bezugsquelle für Filme fand statt.

Auf bequeme Weise ist es heute möglich, eine hohe Auswahl mit alten und neuen Inhalten, darunter auch nagelneue US-Serien kurz nach US-Start auch in Deutschland zu beziehen.

Wie seht ihr das? Sammelt ihr Filme in Hüllen? Geht ihr noch regelmäßig in Videotheken? Und wo unterhaltet ihr euch über gesehene Filme?

Schließt euch der Unterhaltung an – und am Ende bitte das Band zurückzuspulen. Danke.

Chrissi

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