Brettspiel Review: Talisman – Die magische Suche (5. Edition)
Das Fantasy-Abenteuer-Brettspiel Talisman, des britischen Schriftstellers Robert „Bob“ J. Harris, hat seit seinem erstmaligen Erscheinen 1983 eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich von den Warhammer-Machern Games Workshop herausgegeben und in den folgenden Jahren weiterentwickelt, erschien das Spiel in den vergangenen Jahrzehnten bei unterschiedlichen Verlagen. Bereits 1985 erschien auch die erste digitale Version des Spiels für das ZX Spectrum, viele weitere Umsetzungen sollten bis heute folgen. Auch wenn die Regeln und das Aussehen des Spiels laufend überarbeitet wurden, bleibt die zugrundeliegende Intension des Spiels bis heute gleich: Talisman ist ein zugängliches Brettspiel, das die Spielenden in eine Fantasywelt von Rollenspielen wie Dungeons & Dragons entführen soll.
Für die nun vorliegende fünfte Edition des Spiels zeichnet sich die Hasbro Tochter Avalon Hill verantwortlich, die in den letzten Jahren vor allem auch durch die Neuauflage und Weiterentwicklung von Hero Quest bekannt wurde. Im Fokus stand bei der Entwicklung eine Vereinfachung der Regeln, um die Spielzeit zu verkürzen und das Spiel fehlerverzeihender zu machen. Obwohl die ursprünglichen Regeln auch für Spielende angepasst wurden, die die frühere, anspruchsvollere Version bevorzugen, ist es klar, dass Talisman 5th Edition ein Spiel ist, das für moderne Brettspielenthusiasten geschaffen wurde.
Öffnet man die schön gestaltete Box entdeckt man bereits die Spielmaterialien bestehend aus: einem großen Spielbrett, 12 Spielfiguren, 12 Charakterkarten, 100 Abenteuerkarten, 24 Zauberspruchkarten, 18 Kaufkarten, 4 Talismankarten, 1 Krötenkarte, 6 Krötenmarker, 114 Spielmarker, 38 Schicksalsmarker, 12 Gesinnungsmarker, 30 Goldstücke, 3 sechsseitige Würfel und dem Regelheft. Trotz der Fülle an Teilen schafft es Talisman in eine unglaublich kompakte Schachtel zu passen. Wer keine Lust hat, die Regeln zu lesen, findet einen QR Code der euch zu einem entsprechenden Einführungsvideo führt.
Sobald alle Teile aus ihren Kartonrahmen und Plastiktüten befreit sind, können diese in kleinen, aus Plastik geformten Schalen aufbewahrt werden. Die wichtigsten Teile, die Charakterfiguren und Spielsteine, sind von höchster Qualität. Auch die Goldstücke sind aus Kunststoff gefertigt und haben feine detaillierte Embleme auf beiden Seiten. Außerdem ist jede Figur mit der für Games Workshop, dem Partner von Avalon Hill, typischen Finesse gefertigt. Allerdings sind andere Teile, insbesondere die Karten und die Kegel, nicht so toll gefertigt. Die Kegel sind im Grunde unmöglich zu nehmen, ohne sie leicht zu kippen; optimaler wäre etwas Textur auf der Oberfläche gewesen. Die Karten sind nur Standard-Karten, und fühlen sich auch genauso an. Bedenkt man, dass die 5. Auflage von Talisman bei unserem Partner Siren Games unter 60 Euro kostet, geht die Qualität der Materialien aber mehr als in Ordnung.
Wie bei jedem Brettspiel mit Rollenspiel-Elementen kann das erste Mal, wenn man das Spiel einrichtet, etwas länger dauern als üblich, da man die letzten Überprüfungen und so weiter durchführen muss. Nachdem man das erste Mal der Anleitung gefolgt ist und eine erste Partie mit seinen Charakteren gespielt hat, ist es jedoch fast wie ein Plug-and-Play-Spiel, bei dem die Karten und Plättchen mechanisch verteilt werden, entsprechend den offensichtlichen Zahlen auf jeder Charakterkarte.
In der Grundbox gibt es 12 verschiedene Charaktere, weitere werden in Erweiterungen folgen. Die Vielfalt der Charaktere geht in Ordnung und ist typisch für eine Fantasy-Welt nach europäischer Ausrichtung. Dabei können die Spielenden grundlegende Charaktereigenschaften ihrer Spielfiguren festlegen, diese können sich aufgrund der Ereignisse im Spiel jedoch auch ändern.
Trotz der Bemühungen von Avalon Hill, den Umfang des Spiels gering zu halten, ist es jedoch für mehr als zwei Spielende ziemlich schwierig, dieses Spiel auf einem normalen Küchentisch zu spielen. Sobald man Dinge wie Getränke, kabellose Lautsprecher oder persönliche Gegenstände berücksichtigt, könnten sich sogar zwei Spielende an einem Esstisch etwas beengt fühlen. Die geschickt gestapelten Kegelplättchen helfen sicherlich dabei, die Dinge zu verdichten, aber sie reichen nicht aus, um die Vielzahl an Gegenstands-, Gefährten- und Zauberkarten zu kompensieren, die man wahrscheinlich am Ende haben wird.
Macht Talisman auch zu zweit Spaß?
Obwohl es immer beliebter wird, dass Spieleentwickler ihre Abenteuer für nur zwei Spielende spielbar machen, ist jedoch nicht garantiert, dass Spiele auch zu zweit gut funktionieren. Talisman 5th Edition ist eine ausgezeichnete Wahl für zwei Spielende, kann aber auch mit bis zu sechs Spielenden gespielt werden. Für diese Rezension wurde kein Spiel mit sechs Spielenden getestet, aber selbst mit vier Spielenden gibt es genug Wege und Angriffsmethoden, dass das Spiel aufregend und chaotisch werden kann, obwohl es definitiv viel länger dauert, das Spiel zu beenden. Während des Tests konnten zwei Spielende das Spiel in weniger als zwei Stunden beenden. Fünf Spielende werden deutlich länger brauchen, aber eine komplette Gruppe erfahrener Spielender würde das Spiel wahrscheinlich in weniger als drei Stunden beenden.
Das Spiel spielt sich im Wesentlichen genauso wie in den letzten Editionen, mit einigen Ausnahmen, wie z. B. der Tatsache, dass es viel schneller läuft und den Spielenden erlaubt, das Schicksal zu nutzen, um einen beliebigen Wurf zu wiederholen oder sich auf ein beliebiges Feld zu bewegen (innerhalb der Reichweite eines Würfelwurfs). Das Spiel ist extrem einfach zu erlernen und eignet sich perfekt für Neulinge. Ziel ist es, sich einen Talisman zu schnappen und mit ihm den Drachen in der Mitte des Spielfelds zu besiegen. Das erfordert ein gewisses Maß an strategischer Planung, aber da jeder Zug aus Würfeln besteht, um sich zu bewegen, gefolgt von der Interaktion mit dem Feld, ist es schwierig, zu weit im Voraus zu planen. Das macht es neuen Spielenden leicht, einfach zu würfeln und ihren Zug auszuführen. Gleichzeitig werden erfahrene Spielende wahrscheinlich von den vielen Möglichkeiten verführt, ihr Glück zu nutzen, um mehr Macht zu erlangen oder auf einen vorteilhafteren Platz zu ziehen.
Die Würfel verleihen dem Spiel ein gewisses Maß an Zufälligkeit, das einen Großteil der schweren Arbeit erledigt, wenn es um das Gleichgewicht des Spiels geht. Oftmals wurden Spielende in der zentralen Region von anderen Spielenden überholt, die weit zurücklagen. Schlechte Würfe können die Spielzeit um einiges verlängern, aber letztlich geben sie den anderen Spielenden eine letzte Chance, aufzuholen und vielleicht selbst das Spiel zu gewinnen. Obwohl das Spiel größtenteils sehr einfach ist, gibt es Zeiten, in denen Kartenkombinationen oder Charakterfähigkeiten die Spielenden aus der Bahn werfen. Hier kommt das Regelwerk wieder ins Spiel und wir empfehlen euch dringend einmal auch das oben erwähnte, gut gemachte Anleitungsvideo anzusehen. Den das Regelwerk ist nicht sehr gut organisiert, angefangen mit dem nüchternen Inhaltsverzeichnis. Zweifellos soll dies neue Spielende nicht einschüchtern, aber es ist unmöglich, sich darin zurechtzufinden. Die Informationen sind über das gesamte Regelwerk verstreut, wobei sie oft nicht mit verwandten Informationen oder einem verwandten Thema, das der richtige Abschnitt zu sein scheint, übereinstimmen. Jedes Mal, wenn eine Regel nachgeschlagen werden musste, dauerte es ein paar Minuten, obwohl die gesamte Anleitung nur ein paar Seiten lang ist. Dieses Problem wird durch das gedämpfte Farbschema verschlimmert, das in der gesamten Spielgrafik verwendet wird. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau und betrifft auch nur die ersten 1-2 Runden.
Grundsätzlich schafft es das Farbschemas, jede Region auf dem Spielbrett klar zu definieren. Allerdings sind die Farben innerhalb dieser Regionen oft zu ähnlich, so dass es schwierig ist zu erkennen, wo einige Felder enden und wo das nächste anfängt, ein Problem, das durch die Tatsache verstärkt wird, dass nicht alle Felder die gleiche Größe haben. Dadurch wird das Spielbrett zwar kohärenter, aber auf Kosten von markanten Rändern und Beschriftungen, die für das Spielgeschehen wohl wichtiger sind. Das Farbschema passt zu den drei mitgelieferten Würfeln, sehr zum Leidwesen der Spielenden. Die Würfel verschwinden komplett vom Brett, und es ist besser, wenn man stattdessen andere Würfel verwenden kann. Bei fast jedem Wurf mussten die Spielenden nach den Würfeln auf dem Spielbrett suchen, als wäre es ein Wimmelbild. Das war zwar einen Moment lang lustig, aber es wurde schnell langweilig.
Hoher Wiederspielwert durch vielfältige Möglichkeiten
Unabhängig davon, hat man zu Beginn des Spiel schnellen Fortschritt auf dem Spielfeld, der sich verlangsamt, wenn man die zentrale Region erreicht. Die Vielfalt an Charakterfähigkeiten, Gegenständen und Gefolgsleuten ist ziemlich groß und erlaubt es den Spielenden zu wählen, wie sie das Zentrum erreichen wollen, obwohl die meisten dieser Methoden darauf hinauslaufen, sich zu teleportieren, Gold zu bezahlen oder im Kampf zu gewinnen. Aggressives Verhalten gegenüber anderen Spielenden kann sehr hilfreich aber auch sehr schädlich sein oder überhaupt keine Auswirkungen haben, je nachdem, welche Gegenstände und Fähigkeiten man besitzt. Ferner verändern andere Karten die Landschaft auf dem Spielbrett, während man vorankommt. Läden und Händler können Upgrades anbieten, Gegenstände, die man nicht tragen kann, werden abgeworfen und können von (im Grunde) jedem aufgehoben werden. Feinde, die man nicht besiegt, bleiben in der Nähe und fordern den nächsten Spielenden heraus. Das bedeutet auch, dass jedes Spiel einen etwas anderen Schauplatz hat. Auch hier entscheidet das Losglück, ob das Spielbrett einfach ist und viele Upgrades bietet oder ob auf jedem zweiten Feld ein Drache steht. Erreichen Spielende das Ende des Spiels, ist klar, dass der Sieg alles andere als garantiert ist. Die Todesregeln der 5. Auflage sehen vor, dass man nach dem Tod einfach mit seinen Sachen in die Stadt zurückkehrt und sich langsam wieder auf den Weg zum Endkampf machen kann. Während dieses Kampfes hoffen die Spielenden um den Tisch herum jedoch sowohl auf einen Sieg als auch auf ein Scheitern, warten darauf, einen Zauber auszusprechen oder planen ihre möglichen nächsten Schritte. Selbst wenn man weit vom Zentrum entfernt ist, hat man leicht das Gefühl, dass man eine Chance hat, alles zu gewinnen, wenn Mitspielende gerade gegen den großen Bösewicht antreten. Die letzten Minuten des Spiels können sehr aufregend sein, wenn vier Spielende verzweifelt versuchen, einander zu behindern, um in die beste Position zu kommen.
Meinung:
Talisman war schon immer ein unterhaltsamer Einstieg in Welt der Tabletop-Rollenspiele, aber die 5. Edition hat den Klassiker zu einem noch moderneren und zugänglicheren Spiel weiterentwickelt. Die wunderbare und rasante Aufregung gegen Ende des Spiels kommt nicht von ungefähr. Talisman wurde sorgfältig ausbalanciert, um jedem eine Chance auf den Sieg zu lassen. Die Fantasy-Elemente verleihen der Welt einen tollen Flair, aber es sind natürlich die Spielenden selbst, die ihr Leben einhauchen, indem sie einfach würfeln und sich in das Abenteuer stürzen. Die Vielseitigkeit der Fähigkeiten jedes Charakters, gepaart mit den weltverändernden Karten, die über das Spielbrett verstreut werden, machen jedes Abenteuer zu einem einzigartigen Unterfangen. Das ausgewogene Gameplay macht Talisman zu einem perfekten Spiel für einen Spieleabend, dessen Wert weit über seinen bescheidenen Preis hinausgeht. Mit einem Preis unter 60 Euro ist auch die Preis/Leistung im grünen Bereich! Die erstklassigen Figuren sind genau das, was man von Games Workshop erwartet und machen das Spiel allein schon wert, dass man es in die Hand nimmt. Die kompakte Größe des Spiels selbst macht es nicht nur einfach, es der eigenen Spielesammlung hinzuzufügen sondern es auch einmal mitzubringen, und die einfachen Regeln ermöglichen es neuen Spielenden, dem Spaß beizutreten, ohne zuerst einen Regelvortrag zu erhalten. Letztendlich ist Talisman in seiner 5. Edition unglaublich gut gestaltet und macht Spaß, und es sollte bis Weihnachten im Regal eines jeden Brettspielers stehen oder unter dem Christbaum liegen.
Hersteller: Hasbro
Sprache: In Deutsch oder Englisch verfügbar
Spieldauer: ca. 120min
Setting: Fantasy Exploration/Rollenspiel
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Preis: ca. 60 Euro