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Asterix Review-Special (7): Der Kampf der Häuptlinge

Am 22. Oktober 1964 war es endlich soweit. Das neue Abenteuer „Le Combat des Chefs“ startete mit einer überformatigen Doppelseite, die mit ihrem Format von 24 x 31,5 cm ausnahmsweise sogar größer war, als es später im Albennachdruck der Fall war in Pilote Nr. 261.

In dieser Ausgabe widmete sich „Das Magazin für die Jugend des Jahres 2000“, wie es sich selbst untertitelte, dem Jahr 2000. Diese Sonderausgabe zierte dann auch passenderweise zum neuen Abenteuer ein Titelbild, auf dem sich die beiden Chefredakteure des Magazins Jean-Michel Charlier und René Goscinny einen heftigen Kampf. Jeder der beiden steht ähnlich, wie es Majestix bei den Galliern der Fall ist, auf einem von je zwei Männern getragenen Schild und ist mit den für ihre Profession typischen Waffen ausgestattet. Charlier greift mit einer Schreibmaschine an und Goscinny wehrt sich mit seinem Füllfederhalter, während Asterix, Obelix, Idefix und Majestix mit einem verschmitzten Lächeln im Hintergrund die Situation beobachten. Zum Anfang des Jahres 1966, knapp ein halbes Jahr nachdem dieses Abenteuer im Pilote beendet wurde, gelangte „Der Kampf der Häuptlinge“ zum Nachdruck bei Dargaud im Albenformat. Wiederum etwa eineinhalb Jahre später kamen auch die deutschen Leser in den Genuss des durchgedrehten Miraculix, als die Geschichte im vom Ehapa Verlag verlegten Magazin MV debütierte. Der Kampf der Häuptlinge stellte auch das erste Abenteuer, das in MV zum Abdruck kam. Dementsprechend zuversichtlich und selbstsicher wurde auch das Editoral verfasst:
„Es gelang uns, den ebenso hintergründigen wie umwerfend komischen Asterix für MV 67 zu gewinnen. Asterix, der ulkige Gallier, ist längst zu einer Lieblingsfigur von Millionen Lesern in der ganzen Welt geworden. Was Asterix und seine drolligen Freunde im Kampf mit den alten Römern erleben, ist so phantastisch und amüsant, dass ihm ohne Zweifel die Herzen der MV-Leser zufliegen werden.“

Goscinny im Kampf mit seinem Kollegen.

Wie auch schon einige der vorangegangenen Abenteuer, so kam auch der Kampf der Häuptlinge in den Genuss, als Film einem noch größeren Publikum zugänglich gemacht zu werden. Hier wurden jedoch die beiden Abenteuer „Der Kampf der Häuptlinge“ und „Der Seher“ zusammengemischt. Als deutsch/französische Koproduktion im Jahre 1989 und somit 35 Jahre nach der Erstveröffentlichung eines teils der Handlung in Pilote, startete das Abenteuer in Filmform am 12. Oktober des Jahres in den deutschen Kinos.

Der Freizeitpark der fahrenden Barbaren inklusive Holzachterbahn.

Mit einer eigentlich sehr einfachen Idee („Kein Druide, kein Zaubertrank“) erzeugten Goscinny und Uderzo eines der humorvollsten Abenteuer der beiden Gallier. Schon in der Comicvorlage ließen es sich die beiden geistigen Väter nicht nehmen, haufenweise Anspielungen und Running Gags zu verstecken. Sei es der Römer Handzumgruß, der als Lachnummer und Versuchskaninchen für die Tränke des durchgeknallten Druiden herhalten muss, und dem seit Beginn eine Eule fast schon bedingungslos folgt oder der Vergnügungspark der fahrenden Barbaren. Dort befindet sich neben einer hölzernen Berg- und Talbahn, auch ein fußbetriebener Pferdescooter, ein Stand für die Jugendzeitschrift des Jahres 1, MV-Comix (im Original findet sich hier natürlich das französische Pendant Pilote), sowie das Wunder der Natur: Marsupilami, mit dem Uderzo seinem belgischen Kollegen André Franquin Respekt zollt. Aber auch bekannte Größen der Weltgeschichte werden parodiert. So wartet bei dem Druiden Amnesix, ein Patient, der sich nach der Pose her für Napoleon hält, was dem 1812 angefertigten Gemälde von Jaques-Louis David stark ähnelt. Aber auch Amnesix erinnert in seiner anfänglichen Charakterisierung, wenn Obelix sich auf dessen Couch legt, an den bekannten, modernen Psychoanalytiker Sigmund Freud.

Obelix auf der Couch. Ob er massive Gewichtsprobleme hat?

Aber nicht immer sind die Anspielungen so deutlich wie hier, und nicht alle konnten in die deutsche Fassung gerettet werden. So rückt zum Beispiel erstmals der Häuptling Majestix in den Vordergrund einer Geschichte, als er seinen Widersacher Augenblix mit nur einem Schlag niederstreckt. Majestix, der im Original Abraracourcix heißt, wurde namentlich von der französischen Redeweise „frapper à bras raccourcis“ abgeleitet, was soviel wie „mit aller Kraft auf jemanden einschlagen“ bedeutet. Ähnlich verhält es sich mit dem Druiden Miraculix, der in Frankreich auf den Namen Panoramix hört. Dessen Name wurde von Goscinny und Uderzo ganz bewusst gewählt, da er durch das verwendete „Panorama“ Weitblick symbolisieren sollte, was wiederum für einen Druiden eine nicht gerade unwichtige Eigenschaft darstellt.

Doch bevor ich jetzt zu viel verrate, folgt jetzt erst einmal das Review zu diesem Band:

Asterix Special 007 Bild 000Der Kampf der Häuptlinge
[Egmont, 1969]

Die römische Legion im Lager Babaorum hat sich einen weiteren Plan ausgedacht, um die kleine gallische Widerstandsburg, in der auch Astrix lebt, endlich dem römischen Reich untertan zu machen. Und so schickt Zenturio Lacmus nach der Idee von Lagerführer Spreizfus eine Gruppe Legionäre aus, um den gallischen Druiden Miraculix gefangen zu nehmen oder zu töten. Danach wollen sie einen anderen gallischen Häuptling, der den Römern freundlich gesonnen ist, Augenblix, dazu anstiften Majestix im Kampf der Häuptlinge herauszufordern. Der Sieger erhält die Herrschaft über den Stamm des Anderen. Mit der Grundidee, dass es ohne den Druiden keinen Zaubertrank gäbe, wollten sie die Gallier schwächen. Doch Asterix ahnt bereits, dass es für Miraculix gefährlich werden könnte, wenn er wieder einmal alleine in den Wald geht, um seine Misteln zu schneiden. Und so folgen ihm Asterix und auch Obelix. Kaum im Wald angekommen lauert dem Druiden auch bereits die Gruppe Legionäre auf, kann aber dank eines gezielten Hinkelsteinwurfes von Obelix verjagt werden. Leider trifft dieser Hinkelstein aber auch den Druiden. Und von diesem Moment an ist Miraculix nicht mehr in der Lage, sich an das Rezept des Zaubertrankes zu erinnern. Nun müssen die Gallier eine Lösung finden. Zum einen um sich gegen die Römer zu wehren, und zum anderen um aus dem Kampf gegen Augenblix siegreich hervorzugehen. Doch wie sollen sie das anstellen?

Und es war doch nur ein „Klaps“ mit einem Hinkelsteinchen.

Auch wenn es, wie in anderen Abenteuern bereits üblich war, viele zur damaligen Zeit bekannte gesellschaftliche und politische Anspielungen in Massen gibt, so ist dieses Abenteuer weitaus lockerer ausgefallen. Wesentlich mehr Gags und Wortspiele erzeugen eine locker leichte Atmosphäre und ein fast schon unbeschwertes Abenteuer. Trotz der enthaltenen Spannung und Dramatik kommt zu keiner Zeit Unruhe auf. Alle Handlungselemente sind gezielt aufeinander abgestimmt. Besonders die sich nicht zu oft wiederholenden Running Gags erzeugen jedes Mal ein Schmunzeln beim Lesen. Dennoch schaffte es Goscinny die Charakterisierungen seiner Helden, bzw. deren Umfeld ein Stückchen voranzutreiben. Wirkt Miraculix im ersten Moment durch seinen Schaden, der mittels des Hinkelsteins hervorgerufen wurde, etwas Out of Character, so resultiert genau aus dieser Entwicklung eines der witzigsten Elemente dieses Bandes. Es zeigt außerdem auf, dass die Gallier auch ohne den Druiden nicht vollkommen hilflos sind, solange ihnen nicht der sprichwörtliche Himmel auf den Kopf fällt.

Bunte Experimente bei Miraculix. Da bekommen sogar die Römer die richtige Farbe.

Ebenfalls eine Weiterentwicklung hat das Artwork von Albert Uderzo erfahren. Waren die Bilder in den ersten Alben noch ein wenig steif und verhalten, sind sie auch und gerade durch die leichtfüßige Stimmung sehr viel lockerer, frecher und dynamischer geworden. Sowohl die Gestik und Mimik als auch die Körperhaltungen der Figuren sprechen eine fast schon eindeutige Sprache. Unterhaltung, die jedermann anspricht. Gerade wenn es um die Darstellung des überdrehten Miraculix geht, trumpft Uderzo so richtig auf. Zwar liegen ihm auch die ernsteren Bilder, aber seine Stärke sind meiner Meinung nach einfach die etwas verschrobeneren und weniger geradlinigen Charaktere. Und auch die Landschaften und Hintergründe, vor allem innerhalb des gallischen Dorfes und auch bei den Attraktionen der fahrenden Barbaren, weisen den bekannten Wimmelbildcharakter auf, der förmlich dazu einlädt, nach versteckten Gags und visuellen Anspielungen Ausschau zu halten. Trotzdem schafft er es, sich nicht in den Details der Hintergründe zu verlieren und den im Vordergrund agierenden Figuren genug visuelle Tiefe zu verleihen, sodass jede Figur einzigartig scheint.

Manche Menschen haben echt Probleme. Gut, dass es Psychiater gibt.

FAZIT:

Thomas Muelbradt AvatarDer Kampf der Häuptlinge ist chronologisch gesehen das erste Abenteuer, das mit einer inhaltlich leichteren aber dafür witzigeren Geschichte daherkommt. Die lockeren Zeichnungen, die humorvolle Handlung, die abgedrehten Figuren, einfach alles macht einen unglaublichen Spaß und lässt die 48 Seiten wie im Flug vorbeiziehen. Schon alleine der Teil, in dem Miraculix nicht zurechnungsfähig ist, macht deutlich, warum dieser Band ausgewählt wurde, um ihn als Animationsfilm umzusetzen. Wenngleich mir persönlich so manch eine Passage im Film nur halb so gut gefällt, wie es hier im vorliegenden Album der Fall ist.
(Thomas Mülbradt)

Willkommen beim Druiden-Kochduell. Der Gewinner erhält einen klaren Geist. 😛

Copyright aller verwendeten Bilder © 1964-2013 Dargaud / Les Editions Albert-René, Goscinny-Uderzo / Egmont

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