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Asterix Review Special (24): Asterix bei den Belgiern

Werbeanzeigen für den 24. Band.
Links die französische Ausgabe, rechts die Deutsche.

Am 14. April 2013 ging das erste Asterix Review Special online. Inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen und ich habe euch mit großer Regelmäßigkeit jeden Monat ein neues Special präsentiert. Mit vielen Hintergrundinfos und eigens angefertigte Scans habe ich versucht, aus jedem Review Special etwas Besonderes zu machen. Dies wird sich auch in Zukunft nicht ändern, wenngleich es bei dem heute vorgestellten Band zu massiven Veränderungen kam. Denn „Asterix bei den Belgiern“ ist der letzte Band, der gemeinsam von René Goscinny und Albert Uderzo geschaffen wurde. Doch das dies nicht so einfach war, ist vielen nicht bewusst gewesen. Darum möchte ich euch heute einen kleinen Einblick in die Probleme geben, welche die Veröffentlichung des 24. Abenteuers der beiden Gallier damals begleiteten.

Uderzo – Der weite Weg zu Asterix.
Links der Schuber und rechts der in Leder gebundene Band.

Die unschönen Umstände, unter denen „Asterix bei den Belgiern“ entstand, zeigen bereits folgende zwei Zitate, aus „Uderzo – Der weite Weg zu Asterix“:
„Als Frankreich und die Welt bestürzt erfahren, dass René Goscinny gestorben ist, sind 23 Asterix-Bände erschienen. Die Nummer 24 ist gerade in Arbeit. Die Beziehungen zu Dargaud sind nicht gut. Die Autoren haben das Vertrauen zu ihrem Verlag verloren. Es war schon davon die Rede gewesen, einen eigenen Verlag zu gründen. Albert Uderzo hatte nicht den Mut, das letzte mit seinem Freund geplante Album zu vollenden. Justitia wird angerufen. Sie verurteilt ihn unter Androhung von Strafe weiterzumachen. Seit wann kann ein freier Autor gezwungen werden zu schreiben oder zu zeichnen? Er fügt sich, geht aber in die Berufung. Das Gericht gibt ihm Recht. Zu spät. Der Band ist bereits auf dem Markt.“
Schon damals zeigte sich, dass Uderzo und Goscinny keine richtige Wahl mehr hatten, was die Abenteuer ihrer gallischen Helden betraf. Uderzo war mit sich im Konflikt wegen des 24. Bandes und äußerte sich selbst dazu mit folgenden Worten: „Goscinny sagte mir: „Ich möchte nicht, dass du dieses Asterix-Album abschließt!“ Da war er kategorisch. Ich meinte: „Gut, wenn das dein Wille ist, verhalte ich mich entsprechend“ und hörte damit auf. Da waren noch sieben Seiten zu zeichnen. Der dramatische Tod von René kam kurz nach dieser Entscheidung. Ich wollte weiterhin den Wunsch meines verstorbenen Freundes respektieren, und damit begannen die Scherereien. Dargaud machte mir den Prozess und legte mir eine fürchterliche Zwangsmaßnahme auf: Ich schuldete ihm tausend Francs pro Tag Verspätung, zudem forderte er zehn Millionen Francs Schadenersatz, falls das Album nicht erscheint! Das überstieg meine Möglichkeiten! Ich wurde per Gerichtsbeschluss zur sofortigen Ausführung verpflichtet. Mit diesem Druck vor Augen fertigte ich die sieben Blätter, die um zu beweisen, dass ich die Frist einhalte, von einem Gerichtsvollzieher sogar einzeln abgestempelt und mit dem Datum sowie der Uhrzeit ihrer Präsentation versehen wurden… Ich denke, das ist einmalig, das gibt es nicht noch einmal … Das war es dann. So etwas wollte ich mit keinem anderen Verlag mehr erleben, und um das sicher zu stellen, entschied ich, mich selbst zu verlegen.“
Diese Umstände beeinflussten auch maßgeblich den langjährigen Rechtsstreit gegen Dargaud, an dessen Ende Albert Uderzo und René Goscinnys Tochter Anne die Rechte an den zwischen 1961 bis 1979 erschienenen 24 Alben zu jeweils 50 Prozent zugesprochen wurde. Bis dahin haben die 24 Alben der Gallier bei Dargaud bis zum Jahr 1998 eine millionenfache Neuauflage erfahren. Seit 1999 werden die gallischen Abenteuer daher vom Pariser Verlagshaus Hachette editiert und erscheinen im vom Albert Uderzo eigens gegründeten Verlag Les Editions Albert René.

Nach den ganzen Begleitumständen zur Entstehung von „Asterix chez les Belges“ erschien das Abenteuer als Vorabdruck vom 17. April 1977 bis zum 19. Februar 1978 in den Ausgaben 4923 bis 4966 des Magazins Le Pèlerin, bevor Dargaud den kartonierten Band als letzte Ausgabe 1979 in den Handel bringt. In Deutschland wurde, nach der Einstellung der Heftserie MV Comix im Jahre 1977 dieses Abenteuer vorab in den Ausgaben 38 von 1978 bis Nummer 20 von 1979 der Fernsehzeitschrift GONG veröffentlicht. Noch während der Vorabdruck lief, wurde der Band am 19. Februar 1979 als „Grosser Asterix Band XXIV“ im Albumformat aufgelegt.
Zum Schluss wäre noch anzumerken, dass es bei diesem Abenteuer bis zum heutigen Tag einen Unterschied zur Originalausgabe gibt. Denn im Innentitel bedanken sich Goscinny und Uderzo bei zwei für diesen Band wichtigen Persönlichkeiten.
Da wäre zum einen der französische Schriftsteller Victor Hugo, der mit seinem Poem „Waterloo“ den (leicht modifizierten) Begleittext zum Kampf zwischen den Römern, Galliern und Belgiern liefert.
Zum Anderen wäre da der Maler Pieter Bruegel der Ältere, von dessen Kunstwerk der „Bauernhochzeit“ sich Uderzo für sein „Gemälde“ auf der vorletzten Seite des Abenteuers inspirieren ließ.

Bruegels „Die Bauernhochzeit“, rechts daneben Uderzos Fassung.

Asterix bei den Belgiern
(Egmont, Februar 1979)

Im Dorf herrscht große Unruhe. Cäsar hat es doch tatsächlich gewagt zu behaupten, dass die Belgier das tapferste Volk Galliens wäre. Majestix ist deshalb sehr wütend und macht sich sofort auf den Weg nach Belgien. Nicht jedoch ohne das ihn Asterix und Obelix begleiten. Kaum in Belgien angekommen treffen die drei mutigen Gallier auf Stellartoix und seine Freunde, denen sie auch gleich erklären, weshalb sie zu Besuch gekommen sind. Stellartoix ist amüsiert und sogleich starten sie einen Wettkampf. Die drei Gallier und Stellartoix‘ Team sollen jeweils die gleiche Anzahl an Römerlagern dem Erdboden gleichmachen und am Ende soll Cäsar entscheiden, wer denn nun tapferer ist. Die keltischen Gallier in Vertretung von Asterix, Obelix und Majestix oder die Belgier. Doch Cäsar ist von dieser Situation überhaupt nicht begeistert und macht sich auf den Weg nach Belgien, wo so viele seiner Römerlager dem Erdboden gleichgemacht wurden …

Zum letzten Mal stammt das Skript aus der Feder von René Goscinny. Wie es Goscinnys Art war, ist das Abenteuer gespickt mit Gesellschaftskritik, geschichtlichen und popkulturellen Anspielungen und herzlichem Humor. Basierend auf der heimlichen Rivalität zwischen den Franzosen und Belgiern entstand ein Abenteuer mit sehr viel Augenzwinkern und Versöhnlichkeit. Nicht umsonst beendet Asterix das Abenteuer mit dem Satz: „Ich denke, irgendwie können wir uns gegenseitig das Wasser reichen, wir und die Belgier.“
Doch auch die Schlacht der Belgier und Gallier gegen Cäsars römische Legion hat einen geschichtlichen Hintergrund. Goscinny lehnt diesen Kampf an die Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 an, als Napoleon I. den britischen und preußischen Truppen unter der Führung der Feldmarschälle Wellington (auf britischer Seite) und Blücher (auf preußischer Seite) unterlag, was schlussendlich auch zu seiner Verbannung auf die Insel St. Helena führte. Ein weiterer Hinweis hierauf ist auch der Ausspruch von Cäsars Truppenführer: „Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!“ Mit diesem Ausspruch soll angeblich der französische General Pierre Cambronne die Aufforderung zur Kapitulation abgelehnt haben.
Des Weiteren lässt es sich Goscinny nicht nehmen auf die lukullischen Eigenheiten der Belgier einzugehen. Allen voran die bekannten Pommes frites mit Muscheln (Moules et frites) und dem Nationalgetränk der Belgier, dem Bier. Aber auch die Zweisprachigkeit im Land, mit Französisch und Niederländisch, und die heimliche Rivalität zwischen den Wallonen und Flamen wird durch die beiden Figuren Stellartoix und Egmontix thematisiert.

Oben links: Eddy Merckx
Oben rechts: Annie Cordy
Unten: Pierre Tchernia

Wie schon Goscinny, so nutzt auch Uderzo seine Möglichkeiten, eine ganze Menge an Anspielungen zu verstecken. Mal weniger und mal mehr offensichtlich. Erneut darf der Freund und Wegbegleiter Pierre Tchernia in einem Asterix-Abenteuer auftreten. Aber auch das Rad-Idol Eddy Merckx, bekommt eine Rolle. In seinem Fall tritt er als Eilbote auf. Stellartoix‘ Vrouw (Frau) ist an die bekannte belgische Sängerin und Schauspielerin Annie Cordy angelehnt, die unter anderem in den Filmen „Viktor und Viktoria“ (1957) unter der Regie von Karl Anton und „Die Katze“ (1971) auf Basis des gleichnamigen Romans von Georges Simenon.

Oben links: Maneken Pis, rechts daneben: Brüsseler Spitzen
Unten: Schulze & Schulze von Hergé

Es werden jedoch nicht nur Persönlichkeiten porträtiert. Auch das bekannte Manneken Pis bekommt einen kurzen Auftritt im Band, genau wie die allseits bekannte Brüsseler Spitze. Zu ganz besonderen Ehren kommt der in Brüssel geborene Künstler Georges Remi, auch bekannt als Hergé, mit dem Auftritt der beiden aus Tim und Struppi bekannten Figuren Schulze & Schulze, die im Original Dupond & Dupond heißen. Da dieses Abenteuer im Jahr 1979 erscheint, kann dieser Auftritt als Glückwunsch zum 50. Geburtstag der Kultserie Tim und Struppi gewertet werden.

Meissoniers „Campagne de France“ im Original und in Uderzos Version.

Aber auch von bekannten Kunstwerken hat sich Uderzo inspirieren lassen. Neben dem in der Einleitung bereits erwähnten Gemälde „Die Bauernhochzeit“ von Pieter Bruegel hat es Uderzo auch Jean Louis Ernest Meissoniers Bild „Campagne de France“ angetan, welches den Rückzug Napoleons nach Paris zeigt.
Sogar zeitgenössische Bilder dienten Uderzo als Referenz. So gibt es auf Seite 40 des Abenteuers ein Bild, welches in Anlehnung an ein Gemälde entstand, dessen Künstler leider unbekannt ist und etwa aus dem Jahr 1815 stammen soll.

Und auch das allseits bekannte „Abendmahl“ findet sich leicht angepasst in diesem Album wieder.

„Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci. Darunter die Versammlung im gallischen Dorf.

Selbst auf dem Abschlussbild findet sich eine kleine, aber durchaus ernste Widmung. Leicht versetzt über dem Schriftzug von Goscinny und Uderzo verewigt Albert Uderzo ein kleines trauerndes Kaninchen. Der Sinn und Zweck dahinter ist, dass „Le Lapaing“ (nach der südfranzösischen Aussprache von Lapin, was auf Deutsch Kaninchen bedeutet) der Kosename von René Goscinnys Frau Gilberte war.

Abschied und Trauer im letzten Panel.

Goscinnys letztes Abenteuer für die gallischen Helden ist ein gelungenes und unterhaltsames Reiseabenteuer, welches sich auf gleicher Höhe mit den vielen anderen Reiseabenteuern befindet. Trotz der eher unrühmlichen Umstände, unter denen der Band entstand, die ihm im Übrigen zum Glück auch nicht anzumerken sind, entstand ein zeitloses Abenteuer mit dem Charme, dem Witz und der Ernsthaftigkeit, die nur ein René Goscinny zu Papier bringen konnte. Doch auch sein Freund Albert Uderzo glänzt noch einmal mit all seinem Können, wenngleich es nicht ganz freiwillig geschah. Doch Uderzo ist nunmal ein Profi durch und durch, und lässt den Leser nicht merken, was im Hintergrund den Frieden störte. Stattdessen erweist er Goscinny zum letzten Mal die Ehre und vollendet das letzte gemeinsame Werk souverän und mit viel Hingabe, die man in jedem Panel spürt.

Copyright aller verwendeten Bilder © 1979-2015 Les Edition Albert/René Goscinny/Uderzo / Egmont

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