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Asterix Review Special (22): Die große Überfahrt

Thomas Muelbradt AvatarWie jeden Monat, so gibt es auch heute wieder ein Asterix Reviewspecial. Nur dieses Mal möchte ich nicht einfach so loslegen und euch mit interessanten Hintergrundinfos überfallen. Nein, diesmal möchte ich die Zeit nutzen, um ein wenig ernsthafter zu werden. Wie viele (wenn nicht sogar alle) von euch mitbekommen haben, gab es am letzten Mittwoch in Paris einen Terroranschlag. Drei bewaffnete Männer drangen in die Redaktionsräume der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo ein und töteten zwölf Menschen. Dieser feige Anschlag auf die Presse und Meinungsfreiheit hat weltweite Bestürzung hervorgerufen. Aber auch Albert Uderzo, der Cabu immerhin seit 53 Jahren kannte, machte seinen Gefühlen Luft. Er zeichnete ein Bild, welches seine Emotionen widerspiegelte. Doch aufgrund der doch sehr offensichtlichen Bildsprache, in der Asterix einen Mann in Schuhen, die nach Morgenland aussehen schlägt, wurde zuerst ein anderes Bild verbreitet, welches Uderzo bereits zum Tod seines Freundes René Goscinny anfertigte und weitaus friedlicher aussieht. Beide Bilder möchte ich euch dennoch nicht vorenthalten.

Links: Das erste Bild, welches um die Welt ging
Rechts: Das eigentliche Original zum Anschlag

Da ich hier weder Stellung beziehen möchte, noch eine weit schweifende Diskussion über Religion und Gewalt lostreten will, widme ich mich nun dem aktuellen Asterix Review Special, denn auch ich möchte weiterhin von meiner Meinungs- und Pressefreiheit gebrauch machen, auch wenn ich kein Journalist bin. Doch aus als privater Blogger darf und will ich mich äußern dürfen. Darum geht es jetzt los mit „La Grande Traversée“, wie „Die große Überfahrt“ im Original heißt.

Nachdem Goscinny und Uderzo Pilote bereits bei dem letzten Asterix-Abenteuer den Rücken gekehrt hatten, erschien „La Grande Traversée“ 1975 als Vorabdruck in der Tageszeitung Sud-Ouest. Natürlich wurden sie auch damals wieder symbolträchtig angekündigt. Mit den Worten: „Asterix und Obelix gehen auf Fischfang und entdecken… – noch vor Christoph Kolumbus – die Neue Welt, in der es diese komischen, federgeschmückten Römer gibt. Dank Goscinyn und Uderzo an Bord kommt keine Langeweile auf bei der großen Überfahrt.“ werden die Leser auf das startende Abenteuer vorbereitet. Noch im selben Jahr erscheint der Band als Album bei Dargaud. Ein Blick in den damaligen Verlagsprospekt zeigt neben den französischen Bänden auch die deutschen und englischen Ausgaben, sowie die Ankündigung einer lateinischen Ausgabe. Immerhin will man mit Asterix deutlich machen, wie leicht das Erlernen fremder Sprachen sein kann, und leistet sich auch gleich einen bösen Schnitzer. Der typische Ausspruch von Obelix „Ils sont fous ces Romains!“ wird dort nämlich mit „Die stinnen die Romer!“ wiedergegeben, anstatt dem richtigen „Die spinnen die Römer!“. So einfach scheint es dann wohl doch nicht zu sein, oder anders gesagt „These Romans are crazy!“

Die Verlagsübersicht der Asterix-Titel mit deutschem Übersetzungsfehler.

Die größte Angst von Schriftstellern und Zeichnern ist wohl die vor dem leeren weißen Blatt. Jeder Mensch, der auch nur ansatzweise Mal etwas geschrieben oder gezeichnet hat, kennt dies. Auch bei Uderzo und Goscinny war dies nicht anders, aber es gibt Wege damit umzugehen. Und so haben die beiden ihr 22 Abenteuer einfach mit weißen Panels und ein paar Sprechblasen eröffnet. Doch es hat auch noch einen anderen Zweck, den der Versinnbildlichung vom eisigen Meer unter dem undurchdringlichen Nebelschleier. Stilecht und witzig zeigen die beiden auf, was Ängste sind. Nur Aufgaben, die es zu bewältigen gibt. Ein paar Seiten später greifen sie erneut hierauf zurück, nur das hier die Panels Schwarz statt Weiß sind. Denn hier ist es kein Nebel, sondern die rabenschwarze Nacht auf dem Meer. Und noch eine Kleinigkeit gilt es zu entdecken. Denn die Wolken über dem stürmischen Meer tragen eine seltsame Musterung. Hier hat Uderzo die Wolken ganz einfach mit Tusche und seinem Finger getupft, sodass die Wolken, wenn man genau hinschaut, Uderzos Fingerabdrücke sind.

Fingerabdrücke als Wolken. Genau hinsehen, dann sieht man es.

Auch wenn er in dem Band selbst, anders übrigens als im Film „Asterix in Amerika“ der auf diesem Abenteuer basiert, nicht auftritt, ist „Die große Überfahrt“ als Hommage an das Frühwerk „Umpah-Pah“ von René Goscinny und Albert Uderzo zu verstehen. Leider brachte es der tapfere Indianer und sein treuer Mitstreiter Hubert de la Pâte zwischen 1958 und 1962 nur auf fünf Kurzgeschichten, und so blieb ihm der große Erfolg seines kleineren Bruders verwehrt. Ein erster Achtungserfolg und auch Höhepunkt stellt Umpah-Pah dennoch in der Laufbahn von Goscinny und Uderzo dar.

Asterix mit seinem großen Bruder Umpah-Pah.

Und damit der Leser auch gleich erkennt, auf welchem Gebiet sich die beiden Gallier befinden bedient sich Uderzo einiger humorvoller Elemente. So sieht der von Obelix niedergeschlagene Indianer nicht einfach nur Sternchen, sondern gleich ganze 50 Sterne, was der Anzahl der US-Bundesstaaten entspricht. Kurze Zeit später, bei einem zweiten Hieb des großen kräftigen Galliers, gibt es dann auch noch drei Kokarden (Militärzeichen) zu sehen, die um den benommenen Kopf kreisen. Aber damit nicht genug, denn auch Lady Liberty wird auf’s Korn genommen, und zwar als Asterix und Obelix, auf einer kleinen Insel, auf sich aufmerksam machen wollen.

Das ist doch …
Also ich …
… ich glaube das ist Amerika!

Zu guter Letzt noch die fast schon obligatorische Info, dass dieses Abenteuer in Deutschland erstmals in MV Comix Nummer 15 von 1975 bis Nummer 10 von 1976 zum Vorabdruck kam, bevor es im Januar 1979 als 22. Großer Asterix-Band die Veröffentlichung im Albumformat erfuhr. Und damit geht es jetzt als Review direkt weiter:

Die große Überfahrt
(Egmont, Januar 1979)

Wie so oft kommt es im Dorf mal wieder zu einem Streit und zum wiederholten Male sind die Fische von Verleihnix schuld daran. Denn diese sind wirklich nicht mehr frisch. Und diesmal stimmt es sogar, da Verleihnix‘ Lieferant streikt und er daher keine neue Ware aus Lutetia bekommt. Das Problem ist nur, dass Miraculix frischen Fisch für den Zaubertrank benötigt. Darum machen sich Asterix und Obelix selbst auf das Meer um frische Fische zu fangen. Doch nach einem heftigen Sturm finden sie sich auf dem offenen Ozean wieder, weit weg von Zuhause. Lange dauert es, aber sie finden Land und dort treffen sie auf seltsame Geschöpfe, wie die zweibeinigen Gurugurus und die gefiederten und bemalten Römer. Aber so richtig willkommen sind die beiden Gallier dort nicht und so flüchten sie wieder, nur um kurz darauf in die Fänge von Wikingern zu geraten …

Diese Gurugurus sind schon komische Vögel.

Auch wenn der Band als Vorlage für „Asterix in Amerika“ diente, so kann er nicht verdecken, dass er bei Weitem nicht an die Glanzzeiten früherer Abenteuer heranreicht. Die Geschichte ist solide geschrieben und hat auch ein paar witzige Momente, kommt aber irgendwie nicht so recht in Gang. Die Römer spielen keine Rolle, die Indianer sind mehr oder weniger stumm und auch die Dialoge zwischen Asterix und seinem Freund Obelix retten den Humor nicht über die ganze Länge des Bandes. Lediglich die Wikinger am Ende können mit ihrer etwas verqueren Sprache noch den einen oder anderen Lacher hervorzaubern. Das soll aber nicht heißen, dass der Band schlecht ist, oder Goscinny hier eine minderwertige Leistung abgeliefert hat. Es ist nur leider so, dass dieses Abenteuer sehr kurz und konstruiert wirkt. Es scheint fast so, als hätte Goscinny eine Idee gehabt, aber ihm der zündende Funke fehlte, um ein richtig typisches Asterix-Abenteuer daraus zu zaubern. Leider helfen da auch die wenigen Gags, wie Obelix‘ Netzauswurf auf dem Boot oder die Erklärung ihrer gallischen Herkunft gegenüber den Indianern und Wikingern nicht.

Das mit dem Netz muss Obelix noch üben.

Gleiches gilt für die Optik des Bandes. Keine Ausrutscher, keine Fehler, alles grundsolide und überzeugend. Sieht man von den Fingerabdruckwolken einmal ab, hat der Band nichts zu bieten, was es nicht schon vorher gab, außer der Tatsache, dass Uderzo wohl für dieses Abenteuer etwas mehr Zeit hatte, da diesmal die Hintergründe wieder wesentlich detaillierter ausgefallen sind. Andererseits hat er durch die erste und siebte Seite (mit den weißen und schwarzen Panels) schon ein bisschen Zeit eingespart, die er für die anderen Seiten aufbringen konnte. Nur leider zieht sich das nicht durch den gesamten Band. Denn ab etwa der Hälfte kommen vermehrt wieder einfarbige Hintergründe und schattierte Menschenmengen zum Einsatz. In manchen Szenen kann man das zwar als Stilmittel durchgehen lassen, wie zum Beispiel der pantomimenhaften Darstellung der gallischen Herkunft, aber dafür ist deren Einsatz wieder zu häufig geraten.

Joa, was hättens denn gern?
Weiß oda Schwoarz?

So bleibt schlussendlich ein unterhaltsames Abenteuer ohne besondere Auffälligkeiten mit ein paar witzigen Momenten und einer im Grunde guten Idee, die aber nicht ganz zu Ende gedacht scheint. Nach den 48 Comicseiten bleibt zumindest bei mir ein leicht unbefriedigtes Gefühl und Verdacht der Unvollständigkeit zurück. Da finde ich den Film in vielen Punkten etwas gelungener, zumal hier auch die Handlung ein wenig geändert wurde, aber dies möchte ich hier nicht vertiefen. Vielleicht hebe ich mir das für Filmreviews auf, wenn ich mit den Alben durch bin.

Besser hätte es der Pantomime in der Fußgängerzone auch nicht gemacht.
Die Gallier stellen sich vor.

Copyright aller verwendeten Bilder © 1975-2015 Les Edition Albert/René Goscinny/Uderzo / Egmont

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