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Asterix Review Special (16): Asterix bei den Schweizern

„Bei uns ist alles Harmonie!“ mit diesem Satz, der natürlich eine Anspielung auf das vorangegangene „Streit um Asterix“ ist, wird am 9. Juli 1970 in der 557. Ausgabe von Pilote sinnbildlich das neue Abenteuer der beiden gallischen Widerstandshelden eingeläutet. Logischerweise ist die Disharmonie der letzten Geschehnisse noch nicht vollständig aus dem Weg geräumt, was auch das Titelbild der besagten Pilote-Ausgabe deutlich macht, indem es einen vergrößerten Bildausschnitt des vierten Panels der zweiten Seite zeigt. Zu sehen sind hier Asterix und Obelix, die ihren Chef Majestix etwas unausgeglichen auf seinem Schild transportieren. Diese Szene wurde auch später in einem der Asterix-Filme aufgegriffen. Zum ersten Mal ist übrigens in diesem Band Obelix beim Polieren seiner Hinkelsteine zu sehen. Eine Tätigkeit, die nicht ganz unbewusst bereits eine Anspielung auf die zukünftigen Schweizer Freunde und deren Reinlichkeit sein soll, und später immer wieder zum Einsatz kommen wird.

Insgesamt stellt dieses Abenteuer eine ganz besondere Arbeit Goscinnys dar, da er hier sein gesamtes Potenzial als Gagschreiber einfließen lassen konnte und sogar vor tiefschwarzem Humor nicht haltmachte. So glorifiziert ein Arzt die Sterblichkeitsziffer in einem schweizer Militärhospital gegenüber Cäsars Feldzügen und auch über den Gott der Heilkunde, Apollo, wird kräftig abgelästert. Als wenn das aber noch nicht reichen würde, findet man neben dem Essoguck, einer Raststätte, die über eine der neuen und modernen Schnellstraßen führt (ähnlich unseren bekannten Autobahnen) und bei der ständig auf einen Unfall unten auf der Straße spekuliert wird, auch noch sogenannte Sallotels, welche eine Anspielung auf die weltweit bekannten Hotels und Motels an den großen Reiserouten der Welt sind. Eine Orgie rund um einen Kessel mit Käsefondue verkommt hierbei auch gleich noch zu einer Art Sado-Maso-Spiel. Denn nicht nur, dass ein bereits Beinamputierter hier mit Freuden daran teilnimmt, jeder der sein Stück Brot in dem Fondue verliert erwartet eine Strafe. Beim ersten Mal sind es fünf Stockhiebe, beim zweiten Mal 20 Peitschenhiebe und lässt man auch noch ein drittes Mal sein Brot im Käse verschwinden, wird man mit Gewichten an den Füßen im Genfer See versenkt. Dieser ist auch gleich ein weiteres Mal der Schauplatz eines grotesken Gags, als ein Römer dort statt durchzuschwimmen einfach Toten Mann markiert, weil er ja Infanterist ist.

Wie in jedem Asterix-Abenteuer dürfen auch diesmal sowohl politische als auch popkulturelle Anspielungen nicht fehlen. So lässt es sich Goscinny nicht nehmen, den großen italienischen Meisterregisseur Frederico Fellini wenigstens namentlich zu erwähnen und gleich noch eine kurze Szene aus dessen Film Satyricon von Uderzo zu parodieren. Des Weiteren findet sich in einem Panel bei der Reise von Asterix und Obelix nach Helvetien, wie die Schweiz damals hieß, bei einem unfreiwilligen Stopp der beiden, wo ein Rad repariert werden musste, ein kleines Männchen, welches das Firmenloge der Mineralölgesellschaft Antar darstellt, die wenige Jahre später vom Elf-Konzern übernommen wurde. Aber auch der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell bekommt sein gallisches Fett weg. Doch anders als in der landläufigen Fassung der Saga ist es nicht Tell, der seinen Sohn „zwingt“ sich mit dem Apfel auf den Kopf als Ziel bereitzustellen. Goscinny und Uderzo haben der Legende einen neuen, wesentlich witzigeren Anstrich verliehen.

Asterix bei den Schweizern
[Egmont, Oktober 1973]

Während im kleinen gallischen Dorf langsam wieder etwas Ruhe einkehrt droht dem Statthalter von Condate, Agrippus Virus, der lieber Orgien feiert und den Großteil der eingenommenen Steuern für sich selbst behält, als diese nach Rom abzuführen ein Auftritt mit den Löwen im Kolosseum in Rom. Denn es hat sich kurzerhand der Quästor Incorruptus angekündigt, um die Finanzlage und die Bücher zu überprüfen. Agrippus Virus will das Problem schnell und ohne Aufsehen lösen und vergiftet den Quästor. Doch dieser stirbt nicht sofort, sondern wird erst einmal nur krank. Trotz seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung besinnt sich Incorruptus auf die heilenden Kräfte von Miraculix und lässt ihn holen. Um sein Leben zu retten, muss Miraculix einen starken Trank brauchen und um diesen überhaupt erst herzustellen müssen Asterix und Obelix nach Helvetien reisen, um dort ein Edelweiß zu besorgen. Gemeinsam machen sich die beiden Gallier auf den Weg, während Miraculix den verwundeten Quästor als „Geisel“ mit ins Dorf nimmt. Doch Agrippus Virus ist mit diesem Vorhaben nicht einverstanden und holt sich Hilfe bei seinem Freund und Statthalter Feistus Raclettus in Geneva …

Erneut gelingt es René Goscinny ein kompliziertes Konstrukt aus Lügen, Verrat, Freundschaft und einer spannenden Reise zu basteln, welches schlussendlich in der uns altbekannten Szene am Lagerfeuer im gallischen Dorf endet. Den größten Teil dieses Abenteuers macht jedoch der Humor aus. Doch statt einfach nur eine Reihe von Gags aneinanderzureihen und diese mit einer simplen Geschichte zu verknüpfen, schafft es Goscinny die Handlung ebenso interessant zu gestalten, wie die Witze lustig sind. Sei es der schwarze Humor, der hier erstmal stärker zum Tragen kommt, als auch rein visuelle Gags, die Albert Uderzo erneut sehr gelungen sind. So kann es Goscinny auch nicht lassen, sich über die Schweizer und ihre Eigenheiten lustig zu machen und sie somit leicht übertrieben darzustellen. Sei es die übergenaue Pünktlichkeit, welche sich dadurch äußert, dass in einer der Herbergen, in denen Asterix und Obelix unterkommen, verschiedene Sanduhren hängen und der Wirt, regelmäßig seine Gäste mit einem „Kuckuck“ daran erinnert diese umzudrehen, damit der Sand von Neuem durchfließen kann. Oder es wird die penible Reinlichkeit aufs Korn genommen, die zum einen dadurch dargestellt wird, dass die Schilder in Helvetien alle sauber sind, während die gallischen Schilder von Moos und Schmutz befallen sind, und auch der Mülleimer gleich an der helvetischen Grenze spricht visuelle Bände. Und wo Goscinny gleich mal die Schweizer aufs Korn nimmt, dürfen natürlich auch nicht die UNO (oder wie sie hier heißt IOS), die Schweizer Nummernkonten, sowie der immer wieder erwähnten Neutralität des Landes gegenüber allen anderen Nationen nicht fehlen.

Auch grafisch kann dieses Abenteuer vollends überzeugen. Neben den typischer karikativen Strichen von Uderzo lebt der Band aber vor allem auch durch die opulente und realistische Darstellung der Schweizer Berg- und Tallandschaften, wobei Obelix von den Bergen allerdings nicht allzu viel zu sehen bekommt. Denn wie schon so oft, ist er entweder nur im Dunkeln unterwegs, muss sich verstecken oder ist gar betrunken. Wie so oft sprühen Uderzos Bilder nur so vor Details und sind dennoch nicht unübersichtlich und wissen vor allem mit den vielen Kleinigkeiten am Rande der eigentlichen Handlung zu überzeugen. Egal ob Parodien von Berühmtheiten, oder Firmenlogos von Unternehmen, die inzwischen längst nicht mehr existieren, es gibt wie immer sehr viel abseits zu entdecken.

FAZIT:

Mit Asterix bei den Schweizern ist dem Team Goscinny und Uderzo erneut ein Meilenstein gelungen. Hier merkt man auf jeder Seite, dass sich die beiden geistigen Väter dieses Abenteuers direkt vor Ort in der Schweiz haben inspirieren lassen. In diesem Band werden Seiten aufgezeigt, die so mancher Schweizer nicht einmal kennt, und wenn er sie kennt, wird er sie kaum mögen, ob der oftmals überspitzten Darstellung.

Viel sieht Obelix von der berühmten Berglandschaft leider nicht.

Copyright aller verwendeten Bilder © 1969-2014 Les Edition Albert/René Goscinny/Uderzo / Egmont

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