200 Games, die du gespielt haben musst! (130) – Celeste
Wie ein Indie-Spiel über Selbstüberwindung, mentale Gesundheit und pixelgenaue Präzision das Herz der Gaming-Community eroberte – und warum es heute als moderner Klassiker gilt.
Wie ein Indie-Spiel über Selbstüberwindung, mentale Gesundheit und pixelgenaue Präzision das Herz der Gaming-Community eroberte – und warum es heute als moderner Klassiker gilt.
Die Entstehungsgeschichte von Celeste
Im Januar 2018 veröffentlichten die Entwickler Matt Makes Games unter Leitung von Maddy Thorson das 2D-Plattformspiel Celeste – und schufen damit nicht nur ein spielerisches Meisterwerk, sondern auch einen kulturellen Meilenstein der Indie-Games-Ära. Ursprünglich begann das Spiel als kleiner Prototyp für ein Game Jam-Projekt unter dem Titel Celeste Classic, entwickelt in weniger als vier Tagen mit der PICO-8-Engine.
Doch was als minimalistisches Experiment begann, wuchs schnell zu einem vollwertigen Spiel heran. Das erweiterte Celeste entstand in der Unity-Engine, mit einem neuen Artstyle, einer emotional aufgeladenen Geschichte und einem meisterhaft komponierten Soundtrack von Lena Raine, der ebenfalls Kultstatus erlangte. Der Titel erschien für PC, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One und später auch für andere Plattformen – und wurde prompt als Indie-Überraschung gefeiert.
Worum es in Celeste wirklich geht
Celeste erzählt die Geschichte der jungen Protagonistin Madeline, die den titelgebenden Berg Celeste Mountain erklimmen will – aus Gründen, die sie selbst zunächst nicht vollständig versteht. Was als persönliche Herausforderung beginnt, wird schnell zu einer metaphorischen Reise durch Angst, Zweifel, Depression und Selbstfindung.
Die Geschichte wird durch kurze, aber intensive Zwischensequenzen erzählt, und vor allem durch die Interaktion mit Charakteren wie Theo, Mr. Oshiro oder Madelines dunkler Seite, bekannt als Badeline. Diese Nebenfiguren fungieren als Spiegel ihrer Ängste, ihrer Sehnsüchte – oder auch ihrer inneren Stärke.
Was Celeste besonders macht: Es zwingt den Spieler nie zur Interpretation, öffnet aber zahlreiche Türen für eigene Reflexion. Der psychische Zustand der Figur ist nicht Beiwerk, sondern zentraler Teil des Gameplays und der Erzählstruktur.
Präzision trifft auf Bedeutung – das besondere Gameplay
Das Herzstück von Celeste ist sein brillantes Leveldesign. Jeder Bildschirm ist ein kleines Puzzle, bei dem Timing, Reflexe und Ausdauer gefragt sind. Der Clou: Der Schwierigkeitsgrad ist hoch, aber nie unfair – jeder Fehler fühlt sich wie eine Lernchance an.
Dank der pixelgenauen Steuerung, schnellen Respawn-Zeiten und einer eleganten Lernkurve schafft es Celeste, selbst frustrierende Passagen zu motivierenden Etappen einer Reise zu machen. Der berühmte „Assist Mode“, der u. a. Unverwundbarkeit oder verlangsamte Zeit ermöglicht, sorgte zudem für große Anerkennung. Statt Schwäche zu stigmatisieren, normalisiert das Spiel individuelle Grenzen – ganz im Einklang mit seiner Erzählung.
Mehr als ein Spiel – ein kultureller Meilenstein
Celeste wurde nicht nur für sein Gameplay, sondern auch für seine Darstellung psychischer Gesundheit gefeiert. In einer Branche, die lange psychische Leiden eher als Stilmittel oder Bedrohung einsetzte, setzte Celeste neue Maßstäbe. Es war nicht das erste Spiel, das mentale Gesundheit thematisierte, aber es war eines der ersten, das es mit Tiefe, Sensibilität und Respekt tat – ohne Klischees oder Pathologisierung.
Hinzu kommt die queere Perspektive der Hauptfigur, die in späteren Interviews von Maddy Thorson näher beleuchtet wurde. Madeline wird heute oft als Transfrau gelesen, was dem Spiel für viele queere Spieler*innen eine noch stärkere emotionale Tiefe verleiht – auch wenn dies nie explizit im Spiel ausgesprochen wird.
Das Vermächtnis von Celeste
Der Einfluss von Celeste ist heute weitreichend sichtbar. Spiele wie Hollow Knight, Gris, Chicory: A Colorful Tale oder Sea of Solitude zeigen, wie stark das Konzept einer emotional verwurzelten Spielerfahrung nachwirkt. Auch der Indie-Plattformer-Boom der späten 2010er ist ohne Celeste kaum denkbar.
Technisch wie emotional wurde der Titel zu einem Referenzpunkt: Viele Entwickler*innen nennen Celeste als Inspiration – für seine Designtiefe, aber auch für seinen Mut zur Verletzlichkeit. Der offene Zugang zu Spielmechaniken, die Normalisierung psychischer Kämpfe und der Fokus auf queere Identität wurden seither vermehrt von Studios weltweit aufgegriffen.
2021 folgte mit Celeste Classic 2 ein kleines Sequel im Retro-Stil, das erneut für Begeisterung sorgte – nicht wegen des Umfangs, sondern wegen der Liebe zum Detail und des Community-Gedankens.
2024 erschien anlässlich des sechsten Jubiläums von Celeste das Fanprojekt Celeste 64: Fragments of the Mountain im Stil klassischer N64-3D-Plattformer.
Was bleibt:
Celeste ist mehr als ein Spiel – es ist eine emotionale Reise, ein Design-Meisterwerk und ein kultureller Wendepunkt. Es zeigt, dass große Geschichten auch in kleinen Pixeln erzählt werden können, dass Herausforderung und Empathie kein Widerspruch sind und dass Gaming ein Raum für Heilung, Reflexion und Mut sein kann. Ein Spiel wie ein steiler Berg: anstrengend, wunderschön – und unvergesslich.
System: Microsoft Windows, macOS, Linux, PlayStation 4, Nintendo Switch, Xbox One
Entwickler: Maddy Thorson
Jahr: 2018