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TV: Breaking Bad (2008-2013) – Ein Nachruf

From out of nowhere Felina has found me,
Kissing my cheek as she kneels by my side.
Cradled by two loving arms that I’ll die for,
One little kiss and Felina, good-bye. 

Aus. Ende. Felina. Mit dem Serienfinale „Felina“ (Trivia: Nicht nur ein Anagramm von Finale, sondern auch eine Zusammensetzung der Elemente Eisen (Fe), Lithium (Li) und Natrium (Na) und eine Referenz zu dem in der Episode gespielten Song „El Paso“) ging vor einigen Wochen die großartigste Serie seit dem Ende von „Die Sopranos“ und „Six Feet Under“ zu Ende. Das Auslaufen von „Breaking Bad“ hinterlässt ein bitteres Machtvakuum an der Spitze der Serienlandschaft, denn obwohl das Serienformat seit geraumer Zeit eine immer größere Bedrohung für das Kino geworden ist, sind perfekte Produktionen vom Format eines „Breaking Bad“ keine Alltäglichkeit. Und nein: Das viel gehypte „Game of Thrones“ ist trotz gutem Unterhaltungswert nicht einmal ansatzweise auf diesem Level.

Grund ist, dass bei „Breaking Bad“ viele Faktoren ineinandergreifen und sich die Macher vor allem auch getraut haben Risiken einzugehen. Zum Beispiel wird nicht wenigen die Hauptfigur Walter White (Bryan Cranston) letztend Endes völlig entglitten sein. Während man zu Beginn noch verstehen kann wie er tickt, beginnt sich sein Größenwahn immer weiter aufzubauen und durch die geschickte Inszenierung, und das sanfte Abdriften des Charakters, scheint man gar nicht mitzubekommen, wie hier ein Soziopath entstanden ist und wie sich die kleinen und großen Verbrechen (die man im Augenblick vielleicht sogar verstehen kann) aufsummieren und einen Charakter in Trümmer legen.

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Mittlerweile ist es über fünf Jahre her, dass uns AMC in die Welt des Chemielehrers Walter White entführt hat, der nach seiner Krebsdiagnose beschließt seine Chemiekenntnisse einzusetzen um Crystal Meth zu kochen um so seine Behandlung zu finanzieren und seiner Familie genügend Geld zu hinterlassen. Fünf Jahre in denen wir beobachten konnten, wie aus dem intelligenten und eher biederen Streber ein furioser, machtbesessener Verbrecher wurde, der auf dem Weg zum großen Geld übersehen hat, dass sich sein Geschäft und seine emotionale Befindlichkeit nicht miteinander vertragen und er so unweigerlich aufs Chaos zusteuert.

Innerhalb dieser fünf Jahren, hat sich die Serie immer wieder neu erfunden, es geschickt geschafft den Horizont zu erweitern und uns immer vielschichtigere Einblicke in die Drogenszene und ihre Charaktere geboten. Was begonnen hat mit einem einfachen Campingbus und dem drogenerfahrenen Ex-Schüler Jesse Pinkman (Aaron Paul) im Schlepptau, während das beste Meth aller Zeiten in der Wüste gekocht wurde und die Familie zuhause mit billigen Ausreden hingehalten wurde, hat sich über fünf Staffeln hinweg transformiert und uns durch die Kreise der dumpfen Dealer, aggressiven Kleingeister und schließlich über abgebrühte Geschäftsmänner zum mexikanischen Drogenkartell und den wahren Dimensionen des Handels geführt. Die Serie hat es immer wieder geschafft das Ruder herum zu reissen und den Erzählton anzupassen.

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Erzählerisches Rückgrat der Geschichte ist dabei die rastlose Jagd von Walter White. Denn egal in welchem Stadium der Serie wir uns befinden, eines ist immer absehbar: Die nächste gewaltige Prüfung für den Hauptcharakter ist nicht weit entfernt und so bleibt uns nichts anderes übrig als den famosen Bryan Cranston bei seiner Schicksalsreise zu begleiten und diesen gehetzten und immer wieder heimgesuchten Charakter bis zum bitteren Ende zu folgen. Das Tempo ist dabei schon mal mörderisch, wenn sich rund um ihn die Gefahren zusammenbrauen und Cranston mit der seltsamen Akrobatik des Wahnsinns, die nur er so zu beherrschen scheint, gegen diese übermenschlichen Hindernisse antritt und dank Intelligenz und dem nötigen Quäntchen Glück immer wieder strampelnd aus der Falle zu kommen scheint.

Aber es ist eigentlich von Episode 1 an unmissverständlich worauf die Serie hinaus will. Bereits der Titel „Breaking Bad“ deutet es an, denn die Filmgeschichte (und auch die reale Geschichte von Gangstern) kennt nur einen Ablauf für die, die sich für den Weg des Verbrechens entscheiden: Aufstieg und Fall gehen für Outlaws nun einmal Hand in Hand, und als Zuseher muss man eigentlich von Anfang an damit rechnen, dass es für Walter nur die Optionen Gefängnis oder Tod geben kann. Und auch wenn die Serie vielleicht nicht immer streng realistisch ist, so ist sie doch streng konsequent und knochenhart in der Exekution dieser Konsequenz, sodass man als Zuseher immer wieder vor gewaltige Emotionsgefälle und Spannungsspitzen gestellt wird.

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Unterstützt wird diese Reise der Hauptfigur von einem Geflecht an Nebencharakteren, die sich nicht minder ins Gedächtnis brennen: Sei es der schusselig-sympatische Jesse Pinkman, oder der grundehrliche DEA-Cop und Walters Schwager Hank Schrader (Dean Norris), oder auch die erst später hinzugefügten Figuren wie Gus Fring (Giancarlo Esposito), Saul Goodman (Bob Odenkirk), Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), Todd (Jesse Plemons) und Lydia Rodarte-Quayle (Laura Fraser) – sie alle hinterlassen unvergessliche Momente und Erinnerungen und fügen sich ausgezeichnet in diese Serie der Extraklasse ein, die von der visuellen Perfektion, über die erzählerische Tiefe, die packende Narration und die grandiosen Darsteller-, Autoren- und Regieleistungen bis hin zur Bildkomposition eigentlich alles bietet, was man sich nur von einer TV-Serie erwarten kann.

Und wenngleich „Breaking Bad“ von Episode 1 an unglaubliche Spannung und großartige Unterhaltung bietet, so erreicht die Serie allerspätestens mit der zweiten Hälfte der fünften und letzten Staffel eine Sphäre, die man nicht so schnell vergisst. Nachdem bereits alles in trockenenen Tüchern zu sein scheint, baut sich die Serie noch einmal zu einem fesselnden Duell der Extraklasse auf und schafft es den Fall des Antihelden und die Dekonstruktion der Hauptfigur mit einer Prägnanz durchzuziehen, die man so wohl noch kaum gesehen hat. Der Höhepunkt der Serie wird dabei in der drittvorletzten Episode “Ozymandias” (nach wie vor eine Imdb-Wertung von 10.0 bei 37.000 Stimmen) erreicht, die von “Looper” Regisseur Rian Johnson epochal in Szene gesetzt wurde und dem Zuseher wie ein gigantischer Felsen im Magen liegt. Danach braucht es noch einmal zwei weitere Episoden, die man als Epilog verstehen kann um die Scherben zumindestens etwas zu kitten und dem Zuseher einen halbwegs erträglichen Abschied zu ermöglichen. Auch wenn die Serie nun eine Lücke hinterlässt, die wohl noch länger ungefüllt bleiben wird.

Guess I got what I deserved
Kept you waiting there too long, my love
All that time without a word
Didn’t know you’d think that I’d forget or I’d regret
The special love I had for you, my baby blue

(Autor: Michael Föls)

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