Tetris – Retrospektive zum 30. Geburtstag!
Heute vor 30 Jahren am 6. Juni 1989 erschien in der damaligen Sowjetunion, erstmals Teris. Die Geschichte dieses Spiels ist spannender als so mancher fiktive Politikthriller! Auch heute ist die Faszination des genialen Puzzlespiels ungebrochen so zeigt Ubisoft auf der E3 2014 etwa Tetris Ultimate, Electronic Arts liefert Millionen Versionen auf Handy und Smartphone aus und auch die 3DS Version von Nintendo ist ein voller Erfolg. Wir haben für euch ein Special zum 30. Geburtstag von Tetris zusammengestellt!
Manchmal ist es gut, wenn Programmierer an ganz alter Hardware sitzen: Der Superhit der 16-Bit-Ära entsteht nicht auf Amiga, Sega oder Nintendo, sondern auf einem Farb- und Ton-losen Sowjet-Rechner.
Mitte der 80er-Jahre schwärmt die westliche Welt über 16-Bit-Chips, Fotorealismus, Sprites und Samples. 3D-Weltraumflüge werden möglich, alles spricht vom „interaktives Kino“. Mit Megabyte-Speicher und audiovisuellem Feuerwerk wechselt Europa vom 8-Bit- ins 16-Bit-Zeitalter.
Im Ostblock ist die bunte Technik noch nicht angekommen, nur in sowjetischen Unis und Hightech-Firmen stehen Computer. Wenige Auserwählte legen ihre Hände auf Rechner die – nach westlichem Maßstab – aus der Steinzeit stammen. Die Computer der Marke Elektronika sind groß wie Schränke, besitzen aber keine Highres-Grafik, keinen Sound und keine Farben. Undenkbar, dass auf solchen Kisten ein Spiel entsteht, das es mit westlicher und japanischer Software aufnimmt, mit Millionen-Dollar-Produktionen von EA, Atari und Nintendo.
Doch genau das geschieht, als der Physiker Alexej Patschitnow mit Grafikklötzen ein optisch primitives Bildschirm-Puzzle programmiert. Sein „Tetris“ besitzt keinen Vorspann, keine Musik und keine Effekte, aber hey – fallende geometrischen Formen zu stapeln macht Spaß! Man darf die Formen drehen und verschieben, damit sie auf den Haufen passen. Ist eine Reihe lückenlos gefüllt, löst sie sich auf. Die Krönung ist ein Stein, der vier Reihen auf einmal komplettiert und abräumt – ein Tetris! Stapelt man schlampig, erreicht der Berg den oberen Bildschirmrand, es wird eng, das Spiel ist aus.
Ein Student setzt Tetris auf den DOS-PC um, damit es Kollegen spielen können. Patschitnow und der 16jährige Kybernetiker Vadim Gerasimow ahnen nicht, dass die Konvertierung der Schritt auf den Weltmarkt ist.
Aus Ungarn liefert der Unternehmer Robert Stein Software an den englischen Medienkonzern Mirror. In Budapest fällt ihm das Puzzle aus Russland auf. Obwohl Stein kein Spieler ist, kommt er von Tetris nicht los. Er ahnt, dass er ein Juwel geborgen hat und versucht, die Tetris-Rechte für westliche Partner zu erwerben. Weil Sowjet-Behörden harte Gesprächspartner sind, kommt Stein im Lizenz-Geschacher durcheinander: Mirrorsoft beginnt bereits mit der Tetris-Umsetzung bevor Stein sich die Rechte sichert, ebenso Unter-Lizenznehmer Atari. Das Chaos das 1988 ausbricht löst Henk Rogers, Sohn eines Diamantenhändlers, Japan-, Europa- und US-erfahren: Mit Nintendo im Rücken kauft er den Russen die Tetris-Rechte ab. Die spannende Geschichte liest man in David Sheffs Nintendo-Buch „Game Over“ [dt.: „Game Boy“]
Es hilft nichts, dass Medienmogul Robert Maxwell bei Gorbatschow vorspricht. Atari zieht seine Version zurück, Maxwell stirbt, die Mirror-Gruppe zerfällt. Während Stein Tetris verliert, machen sich Rogers und Nintendo an die Vermarktung des Schatzes. Die Stapelei fasziniert nicht nur Computer- und Spielhallen-Junkies, sondern auch Menschen die Technik mit Vorbehalt anfassen: Büroangestellte, Frauen, Menschen jenseits der 30 – alle lassen bunte Vielecke rotieren und ordnen, was ihnen Tetris entgegenwirft.
Der entscheidende Coup ist das Bundling mit dem Game Boy: Als der Taschenspieler 1989 erscheint liegt Tetris bei. Nintendo nimmt dem Spiel mit den Farben den letzten Rest Schick (ein Meisterwerk kann auch darauf verzichten) und erweitert es um einen teuflisch effektiven 2-Spieler-Modus. Das serienmäßige Link-Kabel schickt abgeräumte Tetris-Zeilen aufs Display des Gegners und erhöht dessen Stapel. Das sorgt für Panik, Wut und andere Gefühle, die man beim Duell nicht missen möchte.
Tetris wird Mainstream und erlebt ein Revival durch LCD-Varianten und durch das Handy, das simple Software ohne Anforderung an Grafik und Speicher benötigt. Der Rest der Geschichte: Patschitnow wird von Microsoft engagiert, sein Partner Polhilko löscht sich und seine Familie aus, während die Tetris-Einnahmen in den Rogers Diamantminen, Bullet Proof und Blue Planet Software, sprudeln.
Tetris ist nicht nur ein Lehrstück für Lizenzhändler, sondern spricht als Meisterstück der Spielmechanik auch eine Warnung vor schneller Hardware-Evolution aus, die den Programmierern keine Zeit lässt Technik auszureizen. Ein Spiel wie Tetris hätte z.B. Atari gebraucht, um den Crash von 1984 zu überleben – doch die Konsolen-Akademiker des Silicon Valley gaben sich längst nicht mehr mit Klötzchen ab, sondern forschten an Animation, Details und K.I. Kein Techniker hätte den Rückschritt gewagt, kaum ein Marketing-Profi die schlichte Tetris-Optik als attraktiv akzeptiert – wo, bitteschön, ist die Zielgruppe für fallende Steine?
Wo andere Spiele scheitern, erweist sich die Idee eines Physikers als unwiderstehlich und sexy: Die US-Schriftstellerin Laurel Snyder beschreibt später, wie sich die Tetris-Lawine in ihr Gehirn einbrannte, sich sogar bei der Liebe dazwischendrängt und ihr einen monotonen Akt versüßt. Sie beendet erst die Beziehung, dann die Sucht. Ihre Kollegin Shelley Jackson zu visuellen und psychologischen Spätfolgen: „Seit Tetris sehe ich städtische Skylines mit anderen Augen.“.
1996 gründeten Paschitnow und Rogers die Tetris Company und kauften Elorg die Rechte für das Spiel ab, seit dem vergibt diese Firma alle offiziellen Lizenzen, alleine auf Mobil- und Smartphones konnte man über 300 Millionen Games absetzen und die Tetris Erfolgsgeschichte ist noch lange nicht vorbei! (wf)
