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Game-Review: XCOM: Enemy Within

Wenn man als Entwickler an Klassiker herantritt, hat man es niemals leicht: Einerseits soll man die Fans von damals nach wie vor begeistern, die aber natürlich so weit wie möglich das Spiel von anno dazumal wieder erkennen möchten. Andererseits nagt an den Spielkonzepten dann doch der Zahn der Zeit, sodass es einem nicht erspart bleibt, Hand anzulegen und das Gameplay zu modernisieren, um auch neue Zielgruppen zu erreichen. Das kann furchtbar schiefgehen – ja, Syndicate, ich blicke zu dir – aber auch wunderbar funktionieren. XCOM: Enemy Unknown gehörte ins zweite Lager, denn Firaxis nahm den alten Rundenstrategieklassiker X-COM (bzw. UFO) und unterzog ihn einer gekonnten Generalüberholung. Ja, nicht alle Möglichkeiten von damals wurden gerettet und das Spiel war sicher nicht fehlerfrei, aber es konnte dennoch viele alte Fans begeistern und neue dazugewinnen. Kein Wunder, dass jetzt mit XCOM: Enemy Within ein Add-on (bzw. auf Konsolen ein Release in einer Version als Hauptspiel plus Add-on) in den Handel kommt, das es wahrlich in sich hat.

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Transhumanismus

Auf den ersten Blick hat sich eigentlich nichts geändert: Ihr baut noch immer eure Basis auf einem Kontinent in den Erdboden, werbt Soldaten an, schießt UFOs vom Himmel und bekämpft in diversen Einsätzen unheimliche Wesen in Begegnungen der dritten Art. Auch die grundsätzliche Storyline ist (leider, wenn wir das eher schwache Ende der Geschichte betrachten) nicht anders als zuvor. Enemy Within soll aber auch nicht eines jener Add-ons sein, die alles über den Haufen werfen und ein neues Ende antackern. Die Entwickler betrachten es eher als Zusatzpaket im Stile der Civilization-Add-ons: Neue Features, die zwar nicht das Ziel, aber den Weg dahin mit neuen Fähigkeiten erweitern. Wenn wir bei dieser Analogie bleiben, ist Enemy Within eher Gods and Kings als Brave New World: Schon in einer eurer ersten Missionen erbeutet ihr nämlich eine mysteriöse Substanz namens Meld, die zur wichtigen Ressource in euren Kriegsbemühungen wird und euch schon zu Beginn erlaubt eure Soldaten für immer zu verändern. Dazu stehen euch zwei Wege offen: Im Kybernetik-Labor könnt ihr sie von ihren Körpern befreien und sie stattdessen in gewaltige Kampfmaschinen (Mecs) stecken. Auf dem Schlachtfeld haben sie den Vorteil, besonders stark gepanzert und schwer bewaffnet zu sein (was vor allem zu Beginn eine gewaltige Erleichterung ist). Ihr Nachteil? Für Deckung sind sie zu groß – sie sind immer ein einfaches Ziel für eure Gegner. Die zweite Veränderungsmöglichkeit findet sich im Genlabor: Hier könnt ihr eure Soldaten nach euren Wünschen anpassen, wobei ihr euch jeweils zwischen zwei Möglichkeiten pro Körperteil entscheiden müsst – Tarnhaut, verbesserte Sicht, Schutz vor PSI-Angriffen oder doch einfach nur meterhohe Sprünge aus dem Stand? Die Optionen sind (sobald ihr sie erforscht habt) groß und so wie bei den optimalen Skills im Hauptspiel müsst ihr auch diesmal ein wenig experimentieren, wie ihr euren Trupp optimal zusammenstellt. Neben all der Taktik weht übrigens durch die neuen Optionen auch ein bisschen Aussage durch das Spiel: Wie viel Menschlichkeit sind wir bereit aufzugeben, um die Menschheit zu retten? Man kann, muss aber nicht darüber nachdenken.

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Feuer frei!

Neben diesen zwei großen Veränderungen gibt es aber auch zahlreiche kleiner Anpassungen. So gibt es neue Gegenstände, die ihr für euren Kampf erforschen könnt (darunter auch neue Granaten mit interessanten Optionen), es gibt etliche neue Maps, die für Abwechslung sorgen (UFO stürzen z.B. nicht mehr ständig im Wald ab, sondern auch mal in einer Stadt) und sogar zwei neue Gegnertypen, wobei wir uns hier denken, dass es ein wenig mehr sein hätten können, denn selbst die Sektopods verlieren gegen die neuen Truppen nur allzu rasch an Gefährlichkeit. Aber da gibt es ja noch das letzte Feature des Add-ons: Eine neue Fraktion namens EXALT macht der XCOM nämlich das Leben schwer. Dabei handelt es sich um Menschen, die in den außerirdischen Invasoren keine Gefahr, sondern die Erlösung sehen, und dementsprechend unserer Organisation gegenüber feindlich gesinnt sind. Ihre Aktionen stellen mehr als nur einmal Stolpersteine dar, da sie zum Beispiel die Panik bei unseren Unterstützern erhöhen. Doch auch hier könnt ihr euch wehren: Wird ein EXALT-Stützpunkt entdeckt, könnt ihr einen Agenten Undercover dorthin schicken und ihn ein paar Tage später wieder mit ordentlich Feuermacht abholen. So könnt ihr nach und nach Hinweise auf die Hauptbasis der Organisation bekommen und den Alien-Fans den Garaus machen. EXALT sorgt damit für Abwechslung von der Alien-Hatz, kann aber gerade zu Beginn unvorsichtige Kommandanten allzu leicht auf dem falschen Fuß erwischen. Aber das ist eine der Stärken von Enemy Within: Mal ist Vorsicht besser als Nachsicht, aber manchmal muss man auch die Beine in die Hand nehmen und Risiken eingehen – Stichwort Meld, das nur von den Aliens erbeutet werden kann, sich aber in Containern befindet, die nach einer bestimmten Rundenzahl hochgehen. Wer hier zu vorsichtig ist, fährt ohne die Substanz heim.

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Review Overview

Wertung

Enemy Within dreht ordentlich an der Komplexitätsschraube

Enemy Within dreht ordentlich an der Komplexitätsschraube, bringt damit aber auch die Spielbalance ein klein wenig ins Wanken: Mit Mecs ist die erste Begegnung mit Cyberdisks oder Chryssaliden leichter zu überstehen und die Genmanipulationen erlauben euch, euren Gegnern zur Abwechslung einen Schritt voraus zu sein. Auf der anderen Seite ist das auch gut so, denn EXALT oder die ständige Hetzjagd auf die MELD-Container sorgen für eine andere, aber nichtsdestotrotz fordernde Spielbalance. Außerdem schafft es Firaxis, uns mit anderen Dingen zu fesseln: EXALT, die mir mehr als einmal im falschen Moment in mein perfektes Spiel gepfuscht haben, die schön gescripteten Nebenmissionen (gerade wenn ihr auch das Slingshot-Paket habt, bekommt ihr zu Beginn viel Abwechslung vom Standard-Futter – leider hält das Gefühl nicht an, da diese Mini-Kampagnen irgendwann zu Ende sind) und natürlich das perfekte Tunen unserer Soldaten für unsere Einsätze. Leider sind noch immer nicht alle Bugs verschwunden und auch die Tatsache, dass das Add-on für Konsolen nicht als DLC verfügbar ist, sondern nur in der 40 Euro teuren Commander-Edition gemeinsam mit dem Hauptspiel erhältlich ist, trübt das Bild ein wenig. Doch trotz dieser kleineren Mängel gilt: Hat man einmal Enemy Within gespielt, will man nicht mehr zum normalen XCOM zurück – wer dem Spiel schon verfallen ist, darf sich das Add-on ohne jegliche Bedenken zulegen. Einsteigern empfehlen wir allerdings, zumindest eine Partie abseits der neuen Features einzulegen – die Komplexitätsschraube wurde doch ordentlich angezogen.

Grafik: Einige grafische Bugs wurden überarbeitet, allerdings noch lange nicht alle ausgemerzt.

Sound: Optional sprechen jetzt einige Soldaten in ihrer Muttersprache – allerdings wurden leider nicht alle Nationen vertont.

Handling: Sowohl mit Maus als auch mit Controller ist das Spiel hervorragend spielbar – wir bevorzugen dennoch die Maussteuerung.

Motivation: Dank der neuen Features will man nicht ruhen, bis man die Aliens ins All zurückgeschickt hat.

Multiplayer: Noch immer nicht der große Bringer – hier wurde auch nichts Gravierendes verändert.

Pro & Con:

+ Jede Menge neue Optionen für mehr Taktik

+ viele sinnvolle Verbesserungen

– nur wenige neue Aliens

– Ende noch immer schwach

 

Entwickler: Firaxis

Publisher: 2K Games

Erscheint: 15. November

Plattformen: Xbox 360/PS3/PC

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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