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Spiele, die ich vermisse #7: Final Fantasy VII

Woche für Woche wächst die Liste der Spiele, die ich vermisse – daran hat auch diese nichts geändert. Dieses Mal habe ich mich allerdings gegen die wohl klarste Wahl entschieden und werde nichts zum Untergang von Psygnosis schreiben, schließlich sprießen momentan Nachrufe auf Lemmings & Co. richtiggehend aus den unendlichen virtuellen Weiten (aber keine Angst, diese Spiele kommen schon noch). Stattdessen lasse ich mich von der „siebten“ Ausgabe dieser Serie inspirieren und widme mich einem Spiel, das mein Gamer-Leben grundsätzlich veränderte: Final Fantasy VII. Und das auf sehr persönliche Art.

Drehen wir deshalb die Zeit etwa eineinhalb Jahrzehnte zurück. Ich war damals noch im Gymnasium aber damals schon leidenschaftlicher Spieler. Konsolen hatten damals nur einen sehr geringen Platz in meinem Gamer-Leben. Nach C64 und Amiga 500 hatte mich mein Weg – natürlich – zum PC geführt, den man Eltern immerhin als notwendiges Arbeitsmittel für die Schule verkaufen konnte (immerhin war ich in einer Informatikklasse); konsolentechnisch war ich hingegen hoffnungslos veraltet: Der NES war die einzige aktive Konsole (und auf dieser liefen neben drei Marios auch nur die beiden Zeldas – bis heute die Pflichtausstattung jeder Nintendo-Konsole) und der gute alte Ur-Gameboy war ein treuer Reisebegleiter, wurde zuhause aber primär von meiner Mutter genutzt, die versuchte herauszufinden, wie viele Level nach Level 20 es in Dr. Mario gibt (ich glaube, sie erreichte Level 27). Das Fehlen von Konsolen störte mich aber auch nicht – Zelda: Link to the Past wurde einfach auf einem ausgeborgten SNES durchgespielt, mehr interessierte mich nicht wirklich (auch wenn mich der N64 definitiv mit Ocarina of Time lockte …). Diese Sichtweise auf das Gamen sollte allerdings radikal erschüttert werden – von einem ganz bestimmten Titel. Final Fantasy VII.

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Dabei war es nicht mal Liebe auf den ersten Blick, sondern eher auf den dritten. Zum ersten Mal in Kontakt mit dem Titel kam ich durch einen Schulkollegen von mir. Als Halbjapaner brachte er das Spiel auf dem jährlichen Sommerurlaub bei den Großeltern mit – natürlich noch in der japanischen Urversion, für uns also absolut nicht zu durchschauen. Und nein, im Gegensatz zu etlichen anderen Schulkollegen interessierte es mich nicht. War ja nur japanisch. War ja nur ein PlayStation-Spiel. Und mit dem J-RPG-Genre hatte ich zu dem Zeitpunkt auch noch kaum etwas zu tun gehabt (abgesehen von Secret of Mana – das ist aber eine Geschichte für ein andermal).

Blick zwei: Mittlerweile waren gut eineinhalb Jahre vergangen. Die PS-Version von FFVII war schon längst auch hierzulande verfügbar, was ich aber nicht einmal mitbekam – warum auch? Ohne PlayStation waren die dortigen Spiele für mich uninteressant. Dann kam das Spiel doch wieder auf mich zu – aber wieder auf Umwegen: Mit Erscheinen der PC-Version legte sich mein bester Freund FF VII zu – und erschien gleichmal drei Tage nicht zum Unterricht, sondern verkroch sich in seinem Keller, nur um mir später (für mich) wirre Geschichten von seinen Abenteuern zu erzählen. Interesse am Spiel? Noch immer nicht wirklich. Auch wenn er mir damals schon erklärte, mir das Spiel eines Tages borgen zu wollen.

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Blick drei: noch ein paar Monate später. Aufgrund meines mangelnden Interesses war es scheinbar an der Zeit, mir eine kleine Gameplay-Demo zu zeigen. Im Rahmen einer LAN-Party bekam ich deshalb einen ersten Live-Eindruck des Titels vorgespielt – und zwar (ausgerechnet!) das Ende. Kurzer Ausritt mit dem goldenen Chocobo, kurzer Summon von Knights of the Round, Schlusskampf gegen Sephiroth. Gut. Jetzt ich wusste zwar jetzt, wie’s ausgeht, aber nicht den Weg dorthin. Mein Interesse hielt sich zwar immer noch in Grenzen, aber wenn ein Freund sagt, probier es aus, probiert man es aus. Ich gab also nach und nahm das Spiel mit nach Hause.

Wie so oft, wenn etwas geschieht, das das Leben nachhaltig verändert, ist man nicht wirklich optimal darauf vorbereitet. Das traf auch bei FF VII zu – und zwar durchaus auch im hardwaretechnischen Sinn. Nur zur Erinnerung: Wir sprechen hier von Zeiten von Windows 95 und den aufkommenden 3D-Beschleunigern – und Letzteres nannte ich noch nicht mein Eigen. Das hieß nicht, dass das Spiel nicht lief – es hieß nur, dass es so aussah wie auf der PlayStation – also 320×200 Pixel, die auf dem Monitor zu scharf aussahen, um gut zu wirken. Mir reichte das nicht – bald kam eine Voodoo 2 ins Haus (wer sich erinnert: Das waren damals noch zusätzliche Grafikkarten, die aktiviert wurden, sobald es um 3D ging – Karten, die beides konnten, folgten erst später!), weswegen in 640×480 gezockt werden konnte (was allerdings die Hintergründe hochpixeln ließ und nur die Figuren scharf zeigte – auch nicht gerade optimal). Auch Gamepad war damals noch keines im Haus – wozu auch? Mit Joystick und Maus war ich für die meisten Spiele gerüstet. Deshalb erfolgte der erste Durchlauf mit der Tastatur – und einem bis heute in meinem Freundeskreis legendär umständlichen, aber immerhin selbsterstellten Tastaturlayout. Nur in einer Hinsicht war ich hardwaretechnisch absolut überdimensioniert: Da die Musik per Midi ausgegeben wurde und ich zu diesem Zeitpunkt gerade mit Komposition und Arrangement zu experimentieren begann, konnte ich die Musik auf einer sehr, sehr großen Soundkarte genießen – meinem bis heute treuen Keyboard, einer Roland G-800. Ganz ehrlich, da kann der Original-Klang auf der PlayStation einpacken. Das heißt, bis auf eine Tatsache: Die Voice-Samples, die zum Beispiel One Winged Angel legendär machen, kamen so natürlich nicht an.

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An diesem Punkt fällt euch vielleicht auf, dass ich noch kaum etwas über das Spiel selbst gesagt habe. Ich gehe zwar einfach mal davon aus, dass die meisten von euch FF VII irgendwann gespielt haben, aber ein wenig Nachhilfe kann nicht schaden. Ihr spielt den Ex-SOLDAT Cloud, der von der Rebellengruppe Avalanche angeheuert wird, um sie im Kampf gegen den Megakonzern Shinra zu unterstützen. Dieser erzeugt aus dem Lebensstrom Energie, was die Öko-Rebellen nicht gerade gutheißen. Durch einen kleinen Unfall trifft Cloud das Blumenmädchen Aeris, das ein besonderes Geheimnis trägt und dadurch für Shinra interessant wird. Und bald ist klar, dass auch der verschwundene SOLDAT Sephiroth zurück und auf Rache aus ist, die den gesamten Planeten gefährdet. Und Cloud muss bald entdecken, dass Dinge, die er für wahr hielt, in Wahrheit ganz anders waren … Das ist natürlich nur die Kurzfassung, denn typisch J-RPG strotz die Handlung vor allerhand (mehr oder weniger plausiblen) Wendungen, epischen Sequenzen und philosophischen Diskussionen. Für mich als Spieler, der gerne wegen der Story zockt, eine wahre Offenbarung.

Aber auch das Spielsystem faszinierte mich: Anders als in den von mir damals hauptsächlich gespielten westlichen RPGs geht es weniger um Stats (ich glaube, die hab ich erst beim zweiten Durchspielen entdeckt, abgesehen von HP und MP natürlich), und auch das Gear spielt eine deutlich schwächere Rolle. Klar, es gibt immer bessere Waffen und Rüstungen, aber Komplexität sieht anders aus. Eine wesentlich größere Rolle spielt hingegen die Materia, quasi kondensierte Magie, die in Waffen und Rüstungen eingesetzt werden kann und somit Zaubersprüche und Sonderfähigkeiten aktiviert. Durch das Tragen dieser kleinen Kugeln leveln sie auf uns werden immer stärker (was mich beim ersten Durchlauf zum Grinden brachte, weil ich wichtige Materia für unwichtig hielt – woher soll ich denn wissen, dass Regen ein Heil- und kein Wasserzauber ist?). Diese können noch dazu über verbundene Slots kombiniert werden. So wird aus einer „Alle“- mit einer „Feuer“-Materia ein Zauberspruch, der alle Gegner statt einem trifft. Äußerst praktisch, sehr interessant für Tüftler und darüber hinaus sehr flexibel. Limit-Breaks und die äußerst mächtigen Summons (Aufrufe von Monstern, die in einer teilweise recht langen Cutscene und mächtigem Schaden für die Gegner resultierten) rundeten das Paket ab.

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Bei der Grafik habe ich es bereits kurz angesprochen: Final Fantasy VII gehörte damals definitiv zu den miesen Konsolenportierungen (die übrigens interessanterweise von Eidos programmiert wurde), denn hier wurde gar nicht erst versucht, Rücksicht auf die Möglichkeiten der Plattform zu nehmen. Schön zu sehen war das am Speichersystem, das einfach das System mit den zwei Speicherkarten der PlayStation emulierte. Und, wie gesagt: Wie schön die Grafik eigentlich war, konnte ich erst Jahre später beurteilen, als ich mir dann doch eine PlayStation samt FF VII zulegte und auf einer Röhre spielte.

Das führt mich gleich zur Frage, warum ich Final Fantasy VII vermisse. Nun, weil es mein Eintritt in die Welt der J-RPGs und Final Fantasys darstellte und damit dafür verantwortlich war, dass ich mich (wenn auch noch ein wenig später) auch wieder den Konsolen zuwandte und zum Multiplattformer wurde. Weil die Musik eine Offenbarung war. Weil ich niemals vergessen werde, wie ich (ACHTUNG, SPOILER!) beim Finale von Disk eins vor dem Monitor saß und voller Wut auf Sephiroth mitansehen musste, wie er Aeris umbrachte (tatsächlich musste ich mir die Szene sogar zweimal ansehen – beim Diskwechsel stürzte mir das Spiel nämlich ab). (SPOILER ENDE!) Weil es eines jener Spiele war, die ich nach dem Ende sofort nochmal angefangen habe. Und auch, weil es ein Spiel ist, das mittlerweile hauptsächlich in meinen Erinnerungen lebt, weil ich mir sehr schwer tue, es nochmals zu spielen. Natürlich kann man den Titel dank PSN zum Beispiel auch auf der PSP spielen (auf der PS3 ist es ja dank Abwärtskompatibilität überhaupt kein Problem mehr) und auch für den PC wurde der Titel ja diese Woche neu released. Tatsache ist allerdings, dass das Spiel – wie so viele andere Titel der ersten 3D-Generation – miserabel gealtert ist. Was früher geniale Effekte waren, wirkt heute billig. Tolle 3D-Charaktere sind nur noch kleine Polygonmännchen mit aufgeklebten Augen und Hufen statt Händen. Und sogar die Summons, die einst so beindruckende Cutscenes waren, sind heutzutage eher langweilig und dauern einfach viel zu lange (ich denke an dich, Knights of the Round …).

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Das führt zur Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie wäre es denn mit einem Remake? Ich konnte im Laufe meines Berufslebens zweimal mit Yoshinori Kitase (dem Produzenten) plaudern und kann euch sagen: Es ist eine der wenigen Fragen, die er in jeder Sprache versteht, ohne dass sie der Dolmetscher übersetzen muss. Ich verstehe allerdings gut, warum Square Enix dieses Projekt nicht angeht. Man müsste wohl viel zu viel verändern, um aus dem Spiel von damals ein Spiel von heute zu machen – und wie viel Veränderung ist „genug“ und wie viel schon „zuviel“?. Würde ich Final Fantasy VII noch spielen, wenn es aussieht wie XIII? Sicher. Aber es wäre nicht mehr dasselbe Spiel für mich. Egal, wie schlecht die Grafik heute aussieht, in meiner Erinnerung lebt sie so, wie sie damals war, und jedes Remake würde es schwer haben, dagegen anzukommen. Da denke ich lieber daran, wie es war, Midgar zu erkunden, und den Kulturschock zu erleben, als man nach einigen linearen Stunden auf der Weltkarte stand und sich fühlte, als hätte man die große Freiheit gefunden. An die treuen Kampfgefährten. Und an viele, viele Stunden Chocobo-Züchten (eine Sache, für die ich erst sehr spät die Geduld aufbrachte …). Und dann frage ich mich: Würde ich die Reise vielleicht doch nochmal wagen? Ja, irgendwann möchte ich nochmal aufbrechen und die Welt retten. Wenn ich jemals die Zeit dafür finde …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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