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Spiele, die ich vermisse #20: Space Taxi

Was, schon Ausgabe #20? Als ich mit diesem Blog anfing, dachte ich an ein kleines Nebenprojekt, das meiner Retro-Leidenschaft Ausdruck verleiht und einige echte Perlen zurück in das Rampenlicht holt – also dorthin, wo sie hingehören. Das ist auch heute, nach einer an sich erinnerungsarmen Woche und einigen aktuelleren Titeln in den letzten Blogs, wieder ein Thema. Deshalb kehre ich zum „Jubiläum“ wieder dorthin zurück, wo alles angefangen hat – in mehrerlei Hinsicht. Zurück in meine Kindheit, als meine Geschichte als Spieler anfing; zurück zum Retro-Flair, zu den Titeln, die mich früh geformt haben. Und wenn ich an meine ersten Jahre denke, lande ich schnell beim C64. Und dort gibt es (neben jeder Menge Schrott) eine Handvoll Spiele, die mich wirklich begeistert haben. Die ich einfach nicht aus der Hand legen konnte und die immer wieder in meine treue 1541er-Floppy wanderten. Das Spiel, das ich heute vermissen will, ist eines von ihnen: Space Taxi (nein, das hat nichts mit dem Song aus (T)raumschiff Surprise zu tun …).


Vermutlich haben etliche von euch von diesem Spiel noch nie gehört, deshalb sollte ich wohl zunächst mit dem Gameplay beginnen. Ihr seid Taxifahrer und eure Aufgabe ist es, eure Fahrgäste so schnell wie möglich von ihrem Ausgangspunkt zum Ziel zu befördern. Allerdings hat das Gameplay auch einen futuristischen Touch. Offensichtlich wird dies aus einem Fakt heraus: Euer Taxi kann (oder besser sogar muss) fliegen. Räder hat es nämlich nicht, nur Landestelzen, die eingefahren in Sachen Grafik an Räder erinnern, aber ausgefahren werden müssen, wenn ihr aufsetzen wollt. Gesteuert wird es mit Triebwerken, die euch Schub in vier Richtungen (oben/unten/links/rechts) geben können – mit ausgefahrenen Landestützen sind allerdings nur noch vertikale Korrekturen möglich. Das Flugmodell ist dabei – zumindest, wenn man die Ära berücksichtigt – erschreckend realistisch. Es gibt Gravitation, die euch konstant nach unten zieht, wenn ihr das nicht vorsichtig ausgleicht; es gibt eine gewisse Masseträgheit, sodass eure Beschleunigung langsam beginnt, aber immer schneller wird, und gleichzeitig auch einen langsamen Rückgang eurer Geschwindigkeit, wenn ihr eure Düsen abstellt. Aus eigener Erfahrung kann ich euch sagen, dass es zu Beginn nicht so leicht ist, das Taxi vollständig unter Kontrolle zu haben (was auch daran liegt, dass der C64 keine analogen Joysticks kannte, sondern nur digitale Eingaben). Klar, langsame Manöver waren mit ein wenig Übung kein Problem, aber bei gewissen Geschwindigkeiten muss man sehr genau wissen, was man tut, wenn man keinen Crash bauen will. Oder dann, wenn der Platz klein wird.

SpaceTaxi

Eine gute Kontrolle über euer gelbes Fahrzeug ist also unerlässlich – schließlich wollt ihr nicht nur herumfliegen, sondern habt einen Job zu erledigen. Space Taxi bietet 25 Levels (aufgeteilt in drei Schichten zu je acht Leveln und einem Geheimlevel), in denen es darum geht, Passagiere zu transportieren. Kaum erreicht ihr also den ersten Abschnitt (der übrigens – wie alle anderen auch – genau einen Bildschirm groß ist, es gibt also kein Scrolling), taucht auf irgendeiner Plattform ein Passagier auf und ruft nach euch. Ja, richtig gehört – es gibt in diesem Spiel (und wir sprechen hier vom Jahr 1984) Sprachausgabe. „Hey Taxi“ ist der Ruf, der (sogar in verschiedenen Sprachhöhen) zu hören ist – und wer die naturgemäß etwas unklare Sprachausgabe nicht versteht, kann es ja immer noch auf dem Bildschirm lesen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch schon ein Dollarbetrag in der linken unteren Ecke zu laufen. Während heute die Taxis die Fahrtspesen festlegen, entscheidet in der Zukunft offensichtlich der Kunde – und er will vor allem rasche Beförderung. Wir sollten also so schnell wie möglich zu der Plattform fliegen, dort landen (aber nicht AUF dem Kunden) und ihn einsteigen lassen. Daraufhin teilt er uns – wieder per Sprachausgabe – mit, auf welche Plattform er gebracht werden will. Erst, wenn wir ihn dort abgesetzt haben, zahlt er seine Zeche (was unseren Punktestand darstellt) und wir sind bereit für den nächsten Kunden. War jede Plattform einmal an der Reihe, bittet uns der nächste Kunde „up please“ zu fliegen – also durch einen schmalen, zuvor mit einem Kraftfeld gesicherten Tunnel nach oben aus dem Level zu steuern. Das ist der Weg zum nächsten Abschnitt, wo sich das Spielchen wiederholt.

Gut, zugegeben, das Spielprinzip klingt für einen heutigen Gamer jetzt nicht gerade aufregend. Aber was Programmierer John F. Kutcher zusammengebraut hat, ist ein leckeres Action-Spiel, das vor allem von seinen verschiedenen Levels und guten Ideen lebt. Sind die ersten Levels noch recht simpel und vor allem dafür designed, sich an das Gameplay zu gewöhnen, gibt es später einige verrückte Abschnitte. Im sechsten Level spielt ihr zum Beispiel auf einem überdimensionalen Ping-Pong-Tisch (inklusive Ball, dem ihr ausweichen müsst), später gibt es Teleporter, Schalterrätsel, schwarze Löcher, die die Gravitation verrücktspielen lassen, verdrehte Kontrollen oder auch verringerte Reibung, was die Beschleunigung nachhaltig verändert. Jedes Level bietet eine völlig neue Herausforderung, auf die man sich erst einstellen muss, wenn man eine Chance haben will, das letzte Level zu erreichen und jede Menge Geld zu verdienen. Schließlich verliert man etwas von der wertvollen Kohle, wenn man crasht (durch eine zu schnelle Landung oder durch Berührung eines Objekts) oder wenn der Treibstoff ausgeht und man nachtanken muss, wofür es (allerdings nicht in allen Levels) spezielle Plattformen gibt – mit dem Nachteil, dass dies a) Geld kostet und b) der Kunde dazwischen ungeduldig wartet. Es geht also um Effizienz, Schnelligkeit, aber auch ein wenig Taktik und Geschicklichkeit, denn manche der Levels sind erschreckend verwinkelt gebaut und manche Sonderabschnitte sind einfach nur noch fies. Später sind dann auch noch die Plattformen deutlich kleiner, was es schwierig macht, die Kunden bei der Landung nicht zu berühren – ab der zweiten „Schicht“ wird euch wirklich viel abverlangt …

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… zu viel, möchte ich fast sagen, wenn ich an mein siebenjähriges Ich denke, das das Spiel mit dem C64 zu Weihnachten bekam – denn Space Taxi hatte nicht gerade den besten Start mit mir. Das lag aber wohl auch daran, dass ich damals einfach kaum Spielerfahrung mitbrachte. Ja, ich hatte meine Sessions mit dem Philips Videopac G7000, hin und wieder durfte ich auch bei meinem Onkel C64 spielen, aber wirklich Erfahrung hatte ich nicht. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich das Spiel lud, startete, mir die (englischen) Anweisungen durchlas und dann am ersten Level verzweifelte. Das bekommt eine gewisse Komik, wenn man bedenkt, dass dieses aus genau einer sehr breiten Plattform am Boden bestand. Aber mal war ich zu schnell, dann hatte ich nicht bedacht, dass seitliche Korrekturen nur möglich sind, wenn die Landestützen eingefahren sind, mal rammte ich meinen Kunden – es war ein Trauerspiel. Und wenn ich es doch geschafft hatte, rammte ich meistens den Levelausgang, der recht eng war. Das zweite Level zu erreichen, war schon ein besonderer Glücksfall. Doch langsam wurde es besser: Aus dem zweiten Level wurde das dritte, dann das vierte – und das war lange Zeit das höchste der Gefühle. Neun Plattformen, eng, verwinkelt, Treibstoff Mangelware und der Ausgang sehr schwierig anzufliegen. Aber irgendwann schaffte ich auch diese Hürde. Und dann wurde es ja – wie bereits erwähnt – erst richtig lustig. Bis dahin hatte ich das Spiel sicher schon zwei Jahre – und kehrte trotz aller Frustmomente immer wieder zurück. Das erste Mal das fünfte Level zu sehen, bei dem die Plattformen nach und nach aus einem Kaktus (?) wachsen, war ein echtes Triumpfgefühl.

Das Level, das mir bis heute in Erinnerung geblieben ist? Das ist wohl The Switch, das 19. Level. Hier ist die Steuerung des Taxis verdreht – nach oben ist plötzlich nach links, während links rechts ist – bis man sich orientiert hat, was hier was ist, ist man schon abgestürzt. Zu einem meiner Lieblingslevels entwickelte sich hingegen Puzzler (Level 8), bei dem man mit Schaltern Ausgänge öffnen musste, um zwischen einzelnen Kammern zu navigieren. Sehr knifflig, solange man nicht genau weiß, was man tut, und was was bewirkt – vor allem, weil man nicht nachtanken kann und deshalb die Uhr tickt!

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Das bringt mich auch schon zur Frage, warum Space Taxi ein Spiel ist, das ich vermisse. Und das ist in dem Fall leicht zu sagen: Weil ich Stunden in dieses Spiel investiert habe, um ein eigentlich simples Spielprinzip zu meistern; weil es eine meiner wichtigsten C64-Erinnerungen darstellt; weil ich bis heute an etliche Levels denken muss und dabei ein nostalgisches Glitzern in den Augen habe – vor allem bei dem Gedanken, wie ich nach vielem Herumprobieren dieses spezielle Level geschafft habe; und vor allem: Weil das Spielprinzip fesselnd war. Es war einfach, zu begreifen – es war immer offensichtlich, welchen Fehler man gemacht hatte – aber gleichzeitig schwer zu meistern – und der Schwierigkeitsgrad stieg gnadenlos an. Mit der Gratisversion habe ich erst letztens wieder einen Versuch gewagt – ich kann’s noch immer. Aber das heißt nicht, dass ich noch immer alles blind durchfliegen kann – Puzzler hat mich mehr als nur ein Leben gekostet …

Weil ich im Endeffekt sehr viel Spaß mit Space Taxi hatte, habe ich mehrfach nach ähnlichen Ideen gesucht, seit ich den C64 hinter mir gelassen habe. Am nächsten dran kam ich dabei mit Ugh (1992), das einen ähnlichen Ansatz mit einem prähistorischen Setting verknüpfte. Aber so wirklich aufgegriffen hat dieses Gameplay danach (meines Wissens) niemand mehr – wenn man von einem 2004er Sequel zu Space Taxi (leider absolut ohne Retro-Charme) sowie einem freien Port der ersten acht Levels des Originals (inklusive originalgetreuem Sound und Grafik) absieht (wer’s ausprobieren will – die Version gibt es hier: http://michael.lesauvage.name/space-taxi/). Und das ist eigentlich schade.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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