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Spiele, die ich vermisse #2: Ultima VII

Manchmal macht einem die Realität einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich wollte ich die „Spiele, die ich vermisse“-Serie mit einer Rarität (oder zumindest einem Schritt Richtung „ultra-retro“) fortsetzen – aber nach den Ereignissen dieser Woche habe ich mich doch dazu entschlossen, ein eher mainstreamiges Spiel zu „vermissen“. Was ist geschehen? Nun, Richard Garriott kündigte ein „ultimatives“ RPG an – natürlich inklusive seinem Alter Ego Lord British – und erklärte gleichzeitig, dass er eigentlich gerne eines Tages mit EA zusammenarbeiten würde, um ein neues Ultima zu designen. Am Tag darauf kündigte der Publisher und Ultima-Rechteinhaber tatsächlich einen Reboot der Serie an – ein Remake von Ultima IV, produziert von BioWare Mythic, Free2Play plus Multiplayer, aber ohne die Mitarbeit Garriotts. Neben der Tatsache, dass die Spielwelt plötzlich Britannien heißt – für mich ist das immer noch Britannia – störte mich vor allem eines: Ab sofort gibt es eine LADY British (LORD British gehört rechtemäßig Garriott), die die Aufträge verteilt. Grund genug, mich an Ultima zurückzuerinnern und warum die Serie damals so großartig war.

Ich erspare euch aber dennoch eine vollständige History (sollte da der Wunsch bestehen, sagt es mir in den Kommentaren und ich krame vielleicht noch einige andere Serienfavorites für die Zukunft heraus), sondern konzentriere mich im Folgenden auf den einen Teil der (Haupt-)Serie, den ich für den größten Meilenstein halte: Ultima VII. Auch dabei handelt es sich wieder um ein Spiel, das ich zum Release noch gar nicht spielen konnte, da ich 1992 noch keinen PC besaß. Ich kannte damals Ultima eigentlich nur von Teil VI, den ich – glaube ich – sogar noch auf dem C64 anspielen konnte. Erst deutlich später, nach einem ausgeborgten Anspielen von Ultima VIII, rund um den Hype zu Ultima IX und getrieben von dem Drang, immer die Vorgänger eines Spiels zu kennen, legte ich mir eine Collection mit allen Teilen von Akalabeth (AKA Ultima 0) bis Ultima VIII zu. Das Vorhaben, all diese Spiele durchzuspielen, habe ich dennoch nie durchgezogen – Akalabeth war mir dann eindeutig doch zu retro –, aber zumindest die finale Trilogie wollte ich dann doch durchspielen. Also begann ich mit Ultima VII – und war völlig gefesselt.

Schon der Einstieg in das Spiel war – wenn man das Entstehungsjahr berücksichtigt – bombastisch: Unser Alter-Ego, seines Zeichens der Avatar, sitzt vor seinem Monitor, als plötzlich Statik das Bild verschwinden lässt und eine hässliche rote Fratze auftaucht. Die Figur stellt sich als Guardian vor und erklärt dem verdutzten Avatar, dass sich Britannia dank ihm in einem neuen Zeitalter der Erkenntnis befindet und ihn bald alle „Meister“ nennen werden. Unser Held fackelt nicht lange, betritt ein Moongate und reist von der Erde nach Britannia, um dort nach dem Rechten zu sehen. Da dort die Zeit anders verläuft, sind 200 Jahre vergangen, seit der Avatar das letzte Mal seinen Fuß auf diese Welt gesetzt hat – und vieles hat sich verändert. Ritualmorde erschüttern die Städte, eine religiöse Organisation namens „The Fellowship“ hat sogar Lord British von ihren Vorzügen überzeugt und die Magier haben das Zaubern verlernt und sind verrückt geworden. Der Avatar sammelt also seine alten Gefährten um sich und entdeckt die Hintergründe einer dunklen Verschwörung, die den Guardian nach Britannia bringen soll.

Was macht Ultima VII so großartig und erinnerungswürdig? Nun, da fallen mir gleich mehrere Dinge ein. Zunächst: Die Geschichte war spannend inszeniert (und hatte auch Platz für ein wenig Sozialkritik), aber dennoch nach dem ersten Abschnitt hochgradig nichtlinear. Tatsächlich habe ich nach dem Durchspielen die Story in ein DSA-Abenteuer für meine Runde verpackt, musste aber bald feststellen, dass das Meistern leichter gesagt war als getan, denn über kurz oder lang hatte ich für jede Stadt ein Dokument mit den wichtigen Plot-Elementen und musste regelmäßig hin- und herjonglieren. Ultima VII war auch der erste Teil, der auch für den „modernen“ Spieler zugänglich war – zuvor musste man mit dem Keyboard samt Mausunterstützung spielen, ab hier war die Maus das wichtigste Werkzeug und die Tastatur trat in den Hintergrund. Das wohl wichtigste Feature war aber die hohe Interaktivität: Wer wollte, konnte Brot backen, Babys die Windeln wechseln oder Kühe melken. Nein, das war nicht notwendig um das Spiel durchzuspielen. Aber es war möglich, um die Immersion zu steigern. Und, natürlich nicht zuletzt, konnte Ultima VII auch grafisch überzeugen: Zum ersten Mal in der Serie füllte die Welt den gesamten Screen aus, erstrahlte in VGA und sorgte mit einem überarbeiteten Tile-System für eine schön anzusehende Reise durch Britannia.

Einen Punkt dürfen wir natürlich nicht vergessen: Ultima VII war riesig – sogar so riesig, dass man sich bei Origin entschloss, das Spiel in zwei Teile aufzuteilen und mit fast einem Jahr Abstand zu releasen. Spielte Ultima VII Teil eins: The Black Gate noch im altbekannten Britannia (übrigens zum letzten Mal vor dem finalen Kapitel Ultima IX), verschlug es uns in Ultima VII Teil zwei: Serpent Isle auf eine durch ein magisches Tor vom Rest der Welt getrennte Insel. (Wer’s genau wissen will: Serpent Isle wurde, als die Urwelt Sosaria durch die Ereignisse in Ultima III: Exodus zerstört wurde, abgespalten. Generell handelt es sich bei der Zerstörung Sosarias über ein wichtiges Element der Ultima-Geschichte, denn jeder Server von Ultima Online spielt auf einem anderen „Splitter“ – deshalb heißen sie ja auch Shards. Die Zersplitterung Sosarias ist darüber hinaus auch der (etwas konstruierte) Zusammenhang des F2P-Spiels Lords of Ultima mit der Serie – das spielt nämlich ebenfalls auf einem Bruchstück.) Die dortigen Einwohner hielten nicht viel von Lord British und den acht Tugenden. Dennoch muss der Avatar auch diese Welt retten und dadurch erneut die Pläne des Guardian durchkreuzen. Teil 2 nutzte dieselbe Engine wie Ultima VII-1 (mit ein paar kleinen Verbesserungen), gab sich aber linearer, dafür packender inszeniert – besonders die Opferung eines Gefährten des Avatars hat wohl bis heute einen besonderen Platz im Herzen jedes Spielers. Und auch das Cliffhanger-Ende ist legendär …

Warum also ist Ultima VII ein Spiel, das ich vermisse? So wie bei Adventures Monkey Island ist bei mir bei den (West-)Rollenspielen Ultima VII der Meilenstein, mit dem sich alle Rollenspiele messen müssen – und kaum einem gelingt es, auf meiner persönlichen Hitliste höher aufzusteigen. Die Geschichte und die lebendige Welt von Ultima hatten etwas, was vor den Monitor bannte, und die Saga rund um den Guardian war ein roter Faden, der (inklusive Ultima Underworld II) fünf Spiele umfasste, bis er zu seiner zufriedenstellenden Conclusio gelangte. Ja, auch heute noch finden sich diese Tugenden in Rollenspielen, egal, ob sie nun The Elder Scrolls oder Gothic heißen. Als Gesamtpaket hat mich dennoch nie wieder ein Rollenspiel so gefesselt wie Ultima VII, das mich nicht losließ, bis ich den Abspann gesehen hatte. Auf eine gewisse Art und Weise könnte man sogar sagen, dass ich nach Ultima (und zu einem geringeren Grad Might & Magic) nie wieder ein (West-)Rollenspiel gefunden habe, das mich so zum Durchspielen motivierte (gut, von KotOR mal abgesehen). Und ich befürchte, dass Ultima Forever nicht die Trendwende darstellen wird, sondern eher ein wenig auf meinen Gefühlen als Ultima-Fan herumtrampeln wird. Ich kann mich nur wiederholen: LADY British? Warum kann man sich nicht einfach mit Richard Garriott zusammensetzen und ein ordentliches Ultima machen?

Zum Abschluss noch eine kleine Anekdote, die vor allem im Zusammenhang mit der Ankündigung von BioWares Ultima Forever für mich einen tragischen Unterton bekommt: Als Ultima VII-1 erschien, war Origin noch eigenständig, stand aber bereits unter Druck von Electronic Arts, die das Studio ja Ende 1992 aufkauften. Dieser Sachverhalt wurde auch spielerisch dargestellt. Nicht zufällig ist der Guardian der „Destroyer of Worlds“ – und damit ein direkter Counterpart zu Origins Motto „We Create Worlds“. Damit nicht genug: Im Spielverlauf müssen drei Generatoren zerstört werden, die dem Guardian den Übertritt nach Britannia erlauben – und zwar ein Quader, eine Pyramide und eine Kugel. Sagt euch nichts? Nun, das Logo von EA bestand zu diesem Zeitpunkt aus genau diesen drei Objekten …

 

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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