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Spiele, die ich vermisse #18: The Legend of Zelda: Ocarina of Time

Immer wieder landen im Zuge meines Jobs Bewerbungen auf dem Tisch, die sich um ein ganz bestimmtes Thema drehen: „Ich bin der totale Überspieler und spiele jede freie Minute. Deshalb bin ich der perfekte Redakteur“. Klar klingt es für jemanden, der so viel Freizeit wie möglich in Videospiele steckt, nach einem absoluten Traumberuf, Videospielredakteur zu werden. Aber tatsächlich gibt es da einen Pferdefuß, von dem schon viele gehört haben, wenn sie sich mit uns (zum Beispiel im Rahmen der Kinoevents) unterhalten haben: Wir spielen gar nicht den ganzen Tag und kommen oft gar nicht dazu, alle Perlen, die uns wirklich interessieren, zu spielen – wir brauchen ja schließlich nicht fünf Tests zu einem Wunschspiel, während sich niemand für die schwächeren Titel interessiert, oder? Und so passiert es, dass man manchmal nicht mal dazu kommt, jene Spiele durchzuspielen, die einen eigentlich interessieren, sodass man sich irgendwann aufmacht, in seiner Freizeit die lange Liste jener Titel zu zocken, die man im Laufe der Zeit angesammelt hat, aber nie beenden konnte.

Und keine Angst, bevor man mir hier jede Kompetenz abspricht: Das Spiel, das ich vermisse, habe ich schon länger (und mehrfach) durchgespielt. Und dennoch gibt es natürlich einen Zusammenhang: Im Zuge meiner „Aufräumarbeiten“ spiele ich gerade jenen Titel durch, für den ich mir damals die Wii zum Launch geholt habe, nämlich Zelda: Twilight Princess. Aus Gründen, die mir selbst nicht ganz klar sind, habe ich den Titel zwar beim ersten Anlauf recht weit gespielt, dann aber liegen lassen und nicht mehr angerührt. Diesen Schandfleck in meiner Zelda-Karriere (abgesehen von den beiden Wii-Titeln und den CD-i-Spielen habe ich in der Serie nämlich wirklich alles durchgespielt) will ich momentan ausmerzen – und das erinnert mich an jenes Spiel, mit dem Zelda für mich (und eigentlich für alle) in die dritte Dimension aufbrach. Und ganz ehrlich: Twilight Princess lässt mich diesen ersten 3D-Titel tatsächlich vermissen. Wovon ich rede? Natürlich Ocarina of Time.

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Wir schreiben das Jahr 1998, als Ocarina of Time für den N64 das erste Mal veröffentlicht wird. Es ist der erst fünfte Teil der Serie auf der vierten Nintendo-Hardware (wie immer ohne die CD-i-Versionen) – und ein Teil, der die Serie radikal neu definieren sollte. Die Vorgänger waren allesamt 2D-Spiele gewesen, mit Ausnahme von Teil zwei (dem ich mich hier schon mal gewidmet habe) außerdem allesamt aus der Top-Down-Perspektive. Mit der Hardwarepower des N64 sowie dem damals gängigen Paradigmenwechsels im Spieldesign wagte Ocarina of Time allerdings den Sprung in die dritte Dimension. Ein gewagter Sprung, der sich auszahlen sollte.

Die Geschichte von Ocarina of Time ist langwierig, aber nicht langweilig und im Endeffekt auch nicht weiter kompliziert: Der junge Link wächst bei den Kokiri auf, ist aber als Menschenjunge ohne Fee ein Ausgestoßener. Gleich zu Beginn des Spiels wird er zum großen Deku Baum gerufen, der verflucht ist und im Sterben liegt. In seinem Auftrag macht sich Link auf, einen bösen Mann aus der Wüste (Ganondorf) aufzuhalten und trifft schon bald mit Prinzessin Zelda im Schloss Hyrule zusammen. Für sie sammelt er der drei heiligen Steine aus finsteren Verliesen, damit Ganondorf nicht mit ihnen den Zugang zum heiligen Reich öffnen kann, wo er das Triforce an sich reißen möchte. Was Link und Zelda nicht ahnen: Damit spielen sie dem Bösewicht in die Hände. Denn als Link mit den Steinen im Gepäck nach Schloss Hyrule zurückkehrt (manche sollen an dieser Stelle bereits mit dem Ende des Spiels rechnen), sieht er gerade noch, wie Zelda und ihre Amme Impa vor Ganondorf fliehen, der mittlerweile den König getötet und die Macht an sich gerissen hat. Allerdings gelingt es Zelda, ihm die namensgebende Ocarina der Zeit zuzuwerfen, mit der er Eintritt in die Zitadelle der Zeit erlangt. In dieser ruht das Master Schwert, die letzte Prüfung, um das heilige Reich zu betreten. Link gelingt es, das Schwert aus dem Stein zu ziehen (was nur ein gutes Wesen kann) und öffnet somit Ganondorf, der ihm gefolgt ist, den Weg zum Triforce.

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Alles verloren? Mitnichten. Links Körper und Geist werden sieben Jahre lang in der Zitadelle der Zeit aufbewahrt, bis er alt genug ist, das Master Schwert zu schwingen und zum Helden der Zeit zu werden. Nun macht er sich als junger Mann auf, die Tempel der Weisen vom Bösen zu befreien, damit die neuen Weisen (die alten hat Ganondorf vorsorglich umgebracht) gerufen werden können. Nur alle sieben Weisen gemeinsam können Ganondorf im ehemaligen heiligen Reich, das durch Ganondorfs Einfluss zum dunklen Reich wurde, versiegeln.

Wer die Zelda-Spiele kennt, weiß, dass die Story zwar immer eine gewisse Motivation darstellt, aber nicht der Fokus der Titel ist. Dieser steckt im Gameplay – und gerade bei Ocarina of Time konnte man sich, bedingt durch die 3D-Grafik, einiges Neues einfallen lassen, was in 2D-Zeiten so nicht möglich gewesen wäre, heute aber nicht nur in Zelda-Spielen Standard ist. Zum Beispiel sprechen wir hier vom ersten Zelda, das man mit einem Analogstick steuern konnte und zum Zielen kam das Z-Targeting zum Einsatz, das auf Knopfdruck einen Gegner anvisiert und die Kamera entsprechend ausrichtet. Heute ist ein solches System in beinahe jedem Spiel zu finden, damals war es schlichtweg bahnbrechend. Viel wichtiger war aber, dass die 3D-Umgebung das Erkunden der Welt viel interessanter machte. Früher konnte man sich nur von Screen zu Screen begeben, in Ocarina kann sich wohl jeder, der das Spiel halbwegs zeitnahe zum Release gespielt hat, an den Eindruck erinnern, den Hyrule Field auf einen machte. Da war nichts als eine große Weite, ein paar Gegner und natürlich Schloss Hyule in der fernen Distanz. Oh, und habe ich schon den Tag/Nachtwechsel erwähnt? Ganz zu schweigen vom erhabenen Gefühl, wenn man später als erwachsener Link endlich auf den Rücken von Epona steigen konnte und reitend die Welt erkunden konnte.

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Das Schöne an der Zelda-Serie ist, dass wohl jeder sein eigenes Highlight an den vielen Möglichkeiten des Spiels findet und man in Ocarina für (fast) jeden Geschmack etwas enthalten ist. Wer gerne die Umgebung erkundet, findet hier große Gebiete, die man nach allerhand versteckten Dingen absuchen kann. Wer gerne jedes Detail der Story kennenlernen will, kann mit vielen NPCs sprechen. Allerhand Minigames gab es ebenso zu finden wie zahlreiche Melodien für die Ocarina (einige davon waren spielentscheidend, aber es gibt massig Guides, wie man bekannte Songs nachspielen kann); und wer – wie ich – die Dungeons für das ultimative Highlight jedes Zelda-Spiels hält, bekommt hier jede Menge abwechslungsreiche, gut designte Verliese voller Puzzles spendiert. Typisch Zelda versteckten sich dort nicht nur fiese Endbosse, sondern auch jede Menge Items, ohne die ihr die nächsten Dungeons gar nicht erst erreichen konntet. Das erzeugte eine offene Welt, in der trotzdem immer relativ eindeutig war, wohin man als nächstes gehen sollte und in der für Irrwege gar nicht so viel Platz war. Für den Fall, dass man mal tatsächlich nicht weiterwusste, gab es aber auch einen hilfreichen Geist in der Form der Fee Navi, die uns im Aufrag des Deku-Baums begleitete. Ihre regelmäßigen Rufe, um uns auf neue Hinweise aufmerksam zu machen („Listen!“) werden zwar heute noch gerne parodiert, hatten aber durchaus Sinn.

Meine persönliche Geschichte mit The Legend of Zelda: Ocarina of Time begann ein wenig verspätet. Ich war zwar zum Release 1998 grundsätzlich Multiformat-interessiert, spielerisch aber fast ausschließlich PC-only unterwegs. Den PC brauchte ich (auch) für die Schule, Konsolen (aka „reine Spielgeräte“) gab es allerdings nicht. Als alter Zelda-Fan war ich allerdings neugierig auf dieses Spiel – aber nur dafür das lang gesparte Geld ausgeben und eine Konsole kaufen? Auch in meinem Freundeskreis fand sich niemand, der den N64 besaß (anders als beim Super NES, den ich mir für Zelda III und Secret of Mana ausborgen konnte). Also tat ich das, was wohl viele getan hätten, um Geld zu sparen – und etwas, auf das ich bis heute nicht stolz bin: Ich warf sobald die Technik halbwegs soweit war einen Emulator an und spielte das Spiel per Gamepad auf dem PC. Zugegebenermaßen nicht die beste Idee. Mein Gamepad (ich erinnere an dieser Stelle an seine erste Erwähnung in meinem Blog zu Final Fantasy VII) hatte noch keinen Analogstick, was so manche Balancier-Aufgabe knifflig machte, und mein PC war mit der Grafikdarstellung überfordert, was das Spiel nicht gerade flüssig ablaufen ließ; viel schlimmer allerdings: Es gab einen Bug, der das Spiel undurchspielbar machte (wohlgemerkt genau vor dem Endkampf!). Das (und die Tatsache, dass das zu dem Zeitpunkt gerade erschienene Majora’s Mask auf dem Emulator gar nicht lauffähig war) brachte mich dann wieder auf den rechten Weg zurück: Ich kaufte mir unverzüglich einen N64 sowie beide Zeldas (und später noch Super Mario 64). Und es ist mein voller Ernst, wenn ich euch sage: So spielte sich das Spiel gleich deutlich besser und machte mehr Spaß.

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Im Laufe der Zeit mauserte sich Ocarina of Time sicher zu einem jener Zeldas, das ich am Häufigsten durchspielte, nicht nur auf dem N64, sondern auch später auf dem Gamecube (und momentan läuft ein Durchlauf auf dem 3DS, der allerdings schon ein wenig länger auf Eis liegt). Nein, es kommt wohl in dieser Kategorie nicht an Link’s Awakening heran, das ich so quasi auf jeder Urlaubsreise mindestens einmal durchspielte, aber es ist wohl die Nummer zwei auf dieser Liste. Vor allem aber wurde es für mich der Höhenflug für einem Umbruch, der die Zelda-Spiele mir ein wenig entfremdete. Wie gesagt, war ich schon immer ein Dungeon-Fan, während die Oberwelt immer mehr Mittel zum Zweck war. Nach Ocarina of Time sollte die Oberwelt mehr und mehr Bedeutung bekommen und man mehr Zeit auf ihr verbringen, während die Dungeons weniger wurden. Für mich ein Schritt in die falsche Richtung, der wohl auch meine persönliche Abneigung zu Wind Waker und Majora’s Mask erklärt. Um den Bogen zur Einleitung zu spannen: Twilight Princess scheint hingegen wieder die richtige Menge an Dungeons zu haben. Ich wünschte nur, dass man nicht dazwischen so viel Zeit auf der Oberwelt verbringen müsste – oder, wie ich beim Spielen festgestellt habe: Was, schon 17 Stunden und ich bin gerade mal mit dem vierten Palast fertig? Irgendwas läuft hier falsch.

Das führt mich schon zu meiner Frage: Warum ist Zelda: Ocarina of Time ein Spiel, das ich vermisse? Weil es Zelda in die 3D-Ära führte; weil es etliche Gameplayideen einführte, die nachhaltig Spiele beeinflussten; wegen der genialen Dungeons (und ja, auch wenn ihn kaum jemand mag – ich liebe den Wassertempel!); wegen der Ocarina, die ein interessantes Gameplay-Element bot; weil es eine offene Welt hatte, die völlig anders war, als alles, was ich zuvor gespielt hatte; weil die Idee mit den Zeitreisen eine geniale Alternative zu den beiden Reichen in Zelda III war und auch spielerische Auswirkungen auf Links Fähigkeiten hatte (und nicht umsonst ist Ocarina auch das pivotale Element in der offiziellen Timeline der Zelda-Serie – mit diesem Titel spaltet sie sich nämlich in drei Linien auf); und – definitiv nicht zuletzt – weil es eines jener Spiele war, das mich zurück zu den Konsolen brachte. Knapp nach dem N64 folgte dann doch auch mein eigener SNES und auch die PlayStation sollte (aus anderen Gründen) knapp darauf folgen … aber dazu kommen wir ein anderes Mal.

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Dafür schließe ich den Blog diesmal mit einem kleinen Little Known Fact, bei dem sich meine zwei Leidenschaften – Musical und Videospiele – für mich verbunden haben. Im Waldtempel (dem ersten, den man als erwachsener Link erkundet) finden sich vier Geister (die Poe Sisters), die die Namen Joelle, Amy, Meg und Beth tragen. Die ersten paar Male, als ich das Spiel durchspielte, dachte ich mir bei dieser Namensgebung nichts. Als ich den Titel jedoch 2007 ein weiteres Mal durchspielte, traf mich die Erkenntnis: Die Namen der Poe Sisters entsprechen den vier March-Schwestern aus Louisa May Alcotts Buch „Little Women“ (der Verdacht erhärtete sich übrigens durch spätere Recherchen, das ist also nicht nur meine Spekulation). Warum mir das aufgefallen ist? Weil ich gerade zu diesem Zeitpunkt die Musicalversion des Romans übersetzt und auf die Bühne gebracht hatte …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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