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Spiele, die ich vermisse #14: Prince of Persia

Willkommen zur nächsten Ausgabe von „Spiele, die ich vermisse“, die aus gegebenem Anlass (langer Game City-Tag) ein wenig später und kürzer ausfallen wird. Aber natürlich lasse ich mich von all diesen Dingen nicht abhalten, euch ein weiteres Mal in meine spielerische Vergangenheit zu entführen. Da ich diese Woche mehr mit administrativen Tätigkeiten (ja, das gehört leider auch zum Leben eines Videospielredakteurs dazu) verbracht habe und deshalb kaum etwas Neues spielen konnte, das mich zurückblicken ließ, ich Wing Commander schon letzte Woche „vermisst“ habe und mir einfach kein Spiel einfallen wollte, das eine Videospielmesse (oder sonst eine Messe) anständig simuliert, setze ich einmal mehr auf eine ungewöhnliche Inspirationsquelle. Meine Freundin und ich sind seit Dienstag stolze Eltern eines Katzenbabys (die drei erwachsenen Fellknäuel haben sich mittlerweile schon ein wenig daran gewöhnt und sind nur noch minder beleidigt, danke der Nachfrage) und haben das kleine Katerchen mittlerweile „Dastan“ getauft. Na, klingelt’s, wo der Name herkommt? Richtig. Dank „Dastan“ geht es diesmal auf eine Reise in den nahen Osten Anfang der 90er – genauer gesagt in die Welt von Prince of Persia.

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Prince of Persia gehört zu jenen Titeln, zu denen ich auf ungewöhnliche Weise Kontakt aufnahm. Keine meiner beiden Schwestern waren große Videospieler und zur älteren der beiden hatte ich schon als Kind weniger Kontakt, weil sie schon bald nach meiner Geburt in eine eigene Wohnung zog und ihr eigenes Leben lebte. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir nicht auch so manche Gespräche führten – und bei einigen davon ging es um die Spiele, die sie spielte, wenn ihr im Büro langweilig wurde. Hier hörte ich von für mich damals noch mysteriösen Titeln wie Monkey Island oder eben einem interessanten kleinen Jump’n’Run mit dem Namen Prince of Persia. Ausprobieren konnte ich den Titel allerdings erst etwas später, als ich 1992 meinen Amiga bekam und knapp darauf auch Prince of Persia. Und ich sage euch: Ich war gefesselt.

Die Prämisse des Spiels hat ein wenig etwas von einem orientalischen Märchen: Der Sultan des alten Persiens kämpft fern der Heimat einen Krieg, was der Wesir – ein Zauberer – ausnutzt, um die Macht an sich zu reißen. Doch da gibt es noch ein Hindernis: Die Tochter des Sultans verhindert den totalen Triumph. Also sperrt sie der Zauberer in einen Turm und befiehlt ihr, ihn zu heiraten – andernfalls wird er sie hinrichten lassen. Und da wäre dann noch der Geliebte der Prinzessin, den der Wesir sicherheitshalber in den Kerker sperren lässt. Doch da hat er die Rechnung ohne euch gemacht: Ihr greift dem namenlosen Helden unter die Arme, helft ihm bei der Flucht und versucht, die Prinzessin binnen einer Stunde zu retten – denn dann läuft das Ultimatum des Wesirs aus und eure Angebetete muss Ehe oder Tod wählen.

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Das Verlies, in dem sich unser Held wiederfindet, darf man sich nicht wie eine simple Kerkerzelle vorstellen. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Labyrinth voller Fallen, Abgründe und versteckter Schalter – also die perfekte Spielwiese für ein Jump’n’Run. Anders als viele Spiele des Genres der damaligen Zeit verzichtete Designer Jordan Mechner (der das Spiel im Alleingang entwickelte) auf scrollende Levels, sondern zeigte immer nur einen Raum, der allerdings wiederum mehrere Ausgänge haben könnte. Schon bald nach dem Start gab es zum ersten Mal die Wahl zwischen links und rechts – doch welche Route führt zum Ausgang des Levels? Diese Frage musste man sich als Spieler oft stellen, denn die Zeit tickte gnadenlos ihre 60 Minuten herunter. Andererseits boten Abzweigungen oft nützliche Items, wie Heiltränke – ständiges Abwägen der Optionen war also ebenso angesagt wie ein gewisses Auswendiglernen der Level-Layouts.

Fragt man heute jene, die sich mit der Retro-Computergeschichte auskennen, nach der Bedeutung von Prince of Persia, wird man vor allem etwas über die Grafik hören, genauer gesagt über die Animationen. Jordan Mechner fertigte Videoaufnahmen von seinem Bruder an, die er anschließend übermalte. Auf diese Weise entstanden realistisch aussehende, flüssige Animationen (wir sprechen hier immerhin vom Jahr 1989), die den Helden beim Laufen, Springen und Fechten zeigten. Allerdings würde es wohl dem Spiel nicht gerecht werden, es nur auf seine Animationen zu reduzieren. In Prince of Persia erlebte man Laufstrecken, bei denen der Fußboden hinter einem einstürzte; gefährliche Stacheln, die man nur langsam durchschreiten konnte und in die man besser nicht hineinfiel. Druckplatten, die vielleicht nur für kurze Zeit ein Gitter öffneten, das man dann schnell erreichen musste; Abgründe, bei denen man sich gut überlegen musste, wie man hinunter gelangen könnte, ohne sein Leben auszuhauchen; versteckte Wege in den Decken, bei denen man die losen Platten entdecken musste, die den Pfad öffneten; und nicht zuletzt die Gegner, die sich dem Abenteurer in den Weg stellten.

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Und ja, auch diese waren ungewohnt – aus einem ganz einfachen Grund: Passend zum Setting wurde hier nicht mit Schusswaffen, sondern mit Säbeln gekämpft. Um dies akkurat umzusetzen, ließ sich Mechner ein Kampfsystem einfallen, das nicht nur simple Schläge, sondern auch Blocken, Ausfälle und Zurückweichen erlaubte. Für die späten 80er ein durchaus ausgefeiltes Kampfsystem, das man eher in einem Beat’em-Up erwartet hätte, hier aber nur eine Komponente in einem spannenden Jump’n’Run darstellte. Der wohl legendärste Gegner des Spiels konnte allerdings nicht auf diese Art vernichtet werden: Auf seiner Reise musste der Held durch einen magischen Spiegel springen, der ein perfektes Ebenbild von ihm erschuf, das ihn in Zukunft behindern würde. Ein Kampf mit dem Säbel schied hier allerdings aus – da sich der Held und sein Spiegelbild ihre Lebensenergie teilten, würde Waffengewalt nur im Tod beider Figuren enden …

Apropos Tod: Geht dem Helden die Energie aus oder fällt er zu tief, ist das Spiel nicht vorbei, sondern beginnt im aktuellen Level von vorne – und zwar so oft es eben sein muss, denn so etwas wie Leben gibt es nicht. Ganz ohne Bestrafung geht das allerdings doch nicht, denn die Zeit wird dabei nicht zurückgesetzt. Wer zu oft stirbt, hat also kaum eine Chance, vor Ablauf der 60 Minuten die Prinzessin zu retten. Und darum geht es doch die ganze Zeit, oder?

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Damit kommen wir zu meiner üblichen abschließenden Frage: Warum ist Prince of Persia für mich ein Spiel, das ich vermisse? Weil es spannende Jump’n’Run-Einlagen mit durchaus kniffligen Fecht-Gefechten verband; weil das 60 Minuten-Limit gnadenlos, aber dennoch motivierend war; weil ich lange Zeit über mein Spiegelbild geflucht habe, das mir einfach so Steine in den Weg legte; weil es ein süßer Triumpf war, als ich dann doch die Prinzessin retten konnte. Und vor allem – und das ist wohl der Punkt, an dem ich ein wenig allein da stehe – weil dieser Teil (und sein Sequel aus dem Jahr 1993) die beiden Spiele sind, die für mich Prince of Persia ausmachen. Nach meinen zahlreichen Stunden in den Kerkern der 2D-Abenteuer konnte mich der Schritt in die dritte Dimension einfach nicht mehr so richtig fesseln, sorry, Sands of Time-Fans. Obwohl ich zugeben muss, dass mich der letzte Reboot (Prince of Persia) noch am ehesten faszinierte (aber auch hier nicht genug, um mich bis zum Ende zu fesseln)m auch wenn er dann nicht fortgesetzt wurde. Und jetzt entschuldigt mich, ich werde jetzt zum Ende kommen – Baby-Dastan versucht schon seit einer halben Stunde, meine Zehen aufzufuttern …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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