ArtikelRetro-Gaming

Spiele, die ich vermisse #97: Resident Evil

Vorsätze sind dafür da, gebrochen zu werden, heißt es. Und so fühlte ich mich, als Capcom diese Woche ein Remake des Remakes von Resident Evil 1 ankündigte (übrigens, Hand aufs Herz: Wie viele Spiele fallen euch ein, bei denen wir schon beim Remake des Remakes angekommen sind? Bei mir sind das erstaunlich wenige). Heißt das, ich muss meinen Vorsatz, von der Hochzeitsreise zu zehren, über Bord werfen, nur damit ich diesem großartigen Spiel Tribut zollen kann? Ich habe schlussendlich einen Entschluss gefasst: Erstens habe ich diese Regel ja nie in Stein gemeißelt, sondern mir offen gehalten, sie zu brechen, wenn etwas Wichtiges passiert. Zweitens könnte man noch argumentieren, dass Resident Evil mit seinem alten Herrenhaus irgendwie zum Haunted Mansion im Magic Kingdom passen würde. Wie man es auch dreht und wendet, mein Entschluss steht fest: Resident Evil ist an der Reihe, vermisst zu werden.

24. Juli 1998: Bizarre Morde halten Raccoon City in Atem, besonders, da die Opfer Spuren von Kannibalismus aufweisen. Das Special Tactics And Rescue Service (AKA S.T.A.R.S.) wird losgeschickt, um die Vorfälle zu untersuchen. Als der Kontakt zum Bravo-Team abbricht, das zuerst aufbrach, muss das Alpha-Team ausrücken, um mehr über ihr Schicksal zu erfahren und sie – wenn möglich – zu retten. Rasch wird der abgestürzte Helikopter des Teams entdeckt, aber abgesehen von einer abgetrennten Hand fehlt jeder Hinweis auf die Mitglieder des Bravo-Teams. Dann bricht die Hölle los: Wilde Hunde attackieren das Alpha-Team, töten eines der Mitglieder, bringen den Hubschrauberpiloten dazu, abzuheben, ohne auf das Team zu warten, und zwingen die vier Überlebenden des Teams (Wesker, Chris, Jill und Barry) dazu, in einem verlassenen Herrenhaus Zuflucht zu suchen.

re1-1

Rasch stellt sich heraus, dass das Haus nicht so verlassen ist, wie es den Anschein hatte: Zombies machen dem Alpha-Team das Leben schwer; einige Überlebenden des Bravo-Teams haben sich ebenfalls dorthin gerettet und warten auf ihre Rettung; und – nicht zuletzt – finden sich auch rasch Hinweise darauf, dass in diesem Haus verbotene Experimente durchgeführt wurden, genehmigt und beaufsichtigt von der berüchtigten Umbrella Corporation. Diese waren es auch, die für die plötzliche Zombie-Invasion sorgten, denn sie setzten die Bewohner des Hauses und mehrere Tiere dem höchst ansteckenden T-Virus aus, der schwere Mutationen verursacht und die Befallenen in lebende Tote verwandelt.

All das entdeckt der Spieler natürlich erst im Zuge des Spiels. Zuvor muss er allerdings eine wichtige Entscheidung treffen und sich für eine Spielfigur entscheiden: Entscheidet er sich für Jill Valentine, die mehr Munition finden wird und mit einem Dietrich ausgestattet ist? Oder doch für Chris Redfield, der mehr einstecken kann, aber dafür in Sachen Munition eingeschränkt ist? Noch nicht genug Qual der Wahl bringen beide unterschiedliche Fähigkeiten und auch eine unterschiedliche Handlung mit sich (z.B. gibt es für beide eine wichtige zweite Figur). Und dann gäbe es da noch einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: Jill kann acht Items mit sich tragen, während Chris auf sechs limitiert ist. Da der Platz im Inventar für Waffen, Munition (für jede Waffe separat!), Heilitems (darunter Kräuter, die man auch noch kombinieren kann), Farbbänder (dazu kommen wir noch) und diverse Gegenstände, die man findet, braucht, ist das eine fundamentale Einschränkung. Überschüssige Items kann man natürlich auch wieder loswerden, wenn man den Platz im Inventar braucht, aber nur, indem man sie in eine der großen Kisten legt, die an diversen Stellen im Haus zu finden sind, was heißt, dass man einiges an Backtracking vor sich haben kann, falls man dann doch draufkommt, dass man ein Item braucht, das in der Kiste liegt. Immerhin scheinen diese Container allesamt miteinander verbunden zu sein, sodass man etwas in Kiste A legen, aber aus Kiste B entnehmen kann. Unrealistisch? Ja. Besser als noch weiter zurücklaufen zu müssen? Definitiv. (Zumindest ein später veröffentlichter schwererer Modus schaltete das übrigens ab – hier musste man definitiv zur richtigen Kiste zurück).

resident-evil-1

Einige jüngere Semester, die mit den neueren Resident Evil-Teilen aufgewachsen sind, werden sich an dieser Stelle vielleicht über Items wundern. Doch ja, auch wenn Resident Evil immer für seine (oft auch überraschenden) Begegnungen mit Zombies und anderen mutierten Kreaturen berühmt ist, war das Spiel (genauso wie die späteren Sequels, bis man mit Teil vier das Genre wechselt) eine eigentlich seltsame Mischung aus diversen Genres. Natürlich steckt eine große Prise Survival Horror darin; die Puzzles erinnern bisweilen an eine Mischung aus den 3D-Action-Adventures (verschiebe Statuen, bis sie herabstürzen), haben aber bisweilen auch typische Adventure-Qualitäten (benutze das richtige Item am richtigen Ort), die besonders dadurch herausgestrichen werden, dass vieles mit Text beschrieben wird, was fast ein wenig Zork-Vibe in das Spiel bringt. Diese Combo mag manchmal ein wenig seltsam wirken, wenn man bei der ständigen Zombie-Gefahr herumläuft und Schüssel sucht, aber gleichzeitig macht gerade das den Reiz des Spiels aus – immerhin ist man gar nicht ständig in Gefahr, aber die Atmosphäre lässt einen das nicht einfach so glauben, sodass man ständig wartet, dass etwas passiert, während man gleichzeitig versucht, die Geheimnisse zu lösen.

Da man aber dennoch recht leicht sterben kann, kommen wir nun noch zu den schon erwähnten Farbbändern, die eigentlich nur einem Zweck dienen: Das Spiel zu speichern. Dies kann man an einer Schreibmaschine tun, die im Spiel verstreut sind, verbraucht dabei allerdings ein Farbband (so man eines dabei hat, sonst kann man die Maschine natürlich nicht benutzen). Das heißt, dass man nicht nur über jeden Schuss und jede Heilung von Verletzungen Gedanken machen muss, sondern sogar über jedes Speichern, da die Ressourcen dafür endlich sind. Erfahrungsgemäß hat man bis zum Ende kein großes Problem, wenn man ein wenig aufpasst und nicht übervorsichtig ständig speichert. Allerdings behält man dieses nagende Gefühl, dass man sich nicht nach jedem Schritt und jedem Kampf absichern kann, immer im Hinterkopf.

not-chris-blood-resident-evil-96-screenshot-ps1

Entwickelt wurde Resident Evil von einem Team unter Leitung von Shinji Mikami. Ursprünglich hätte der Titel ein Remake von Sweet Home werden sollen, später wurde daraus allerdings ein eigenständiges Spiel mit seiner eigenen Mythologie (wobei Mikami ursprünglich nicht vorhatte, Biohazard (so der japanische Titel, der verworfen wurde, weil man ihn im Westen nicht schützen hätte können) zu einer Serie auszubauen). Im Zuge der Entwicklung wurden einige Ideen eingebracht und wieder verworfen – zum Beispiel ein Coop-Modus und das ursprünglich geplante Genre Ego-Shooter. Im Endeffekt orientierte man sich an Alone in the Dark und setzte auf eine Mischung aus vorgerenderten Hintergründen und 3D-Polygonfiguren für alles, was sich bewegen konnte. Berüchtigt ist heute hingegen die Steuerung: Ähnlich wie ein Panzer werden die Figuren zuerst in die richtige Richtung gedreht und dann nach vorne oder hinten bewegt. Das verhindert, dass man bei einem Perspektivenwechsel (weil man in den nächsten Kamerabereich läuft) plötzlich falsch weiterläuft, spielt sich aber heutzutage einfach nicht mehr richtig. Kein Wunder, dass das Re-Remake eine neue (optionale) Steuerung bringen soll.

Apropos Remake: Schon bald nach dem Release des Spiels gab es Ports, Updates und im Laufe der Zeit etliche Neuauflagen, die nicht nur das Spiel veränderten (zum Beispiel Dual Shock-Support hinzufügten, was die Steuerung aber nicht besser machte, oder Resident Evil leichter oder schwerer machten oder gar Itemlocations veränderten), sondern vor allem am Intro herumschnipselten. Da ich dieses bislang noch nicht erwähnt habe, ein paar Worte dazu: Für das Intro und die Endsequenzen leistete man sich bei Capcom echte Schauspieler und drehte sie als Film. Das war natürlich auch eine Demonstration, was mit dem Speicherplatz auf einer CD-ROM machbar ist, und hätte eine echt coole Sache werden können, wenn die Schauspieler ihre Sache besser gemacht hätten. „Echtes B-Movie-Flair“, sagen die einen, „bei der schauspielerischen Leistung erwartet man sich fast, dass sich die Darsteller im nächsten Moment die Kleider vom Leib reißen und zur Sache kommen“ die anderen. So oder so waren diese Sequenzen bisweilen eher unfreiwillig komisch und wurden dennoch zum Teil heftig geschnitten. Je nach Release und Land fehlten blutigere Einstellungen oder waren die Videos in Farbe oder Schwarz/Weiß, bis das Intro mit dem Gamecube-Remake (eben jenes, das jetzt ein Remake bekommt) verworfen und durch eine CG-Fassung ersetzt wurde.

Zum Abschluss dieses Blocks möchte ich dieser Fassung noch kurz ein paar Worte widmen: Resident Evil für den Gamecube erschien 2002 und war Teil eines Resident Evil-Exklusivdeals für Capcom (ein anderer Teil davon war das bis heute Nintendo-exklusive Resident Evil Zero). Die Grafiken wurden überarbeitet, das Spiel erweitert und teilweise umgestaltet und Gameplay-Elemente aus anderen, späteren Teilen hinzugefügt. Nur die Steuerung blieb auf der Panzerschiene.

Auch wenn meine persönliche Geschichte mit Resident Evil erst so richtig mit dieser Version abgehoben hat, muss ich trotzdem ein wenig weiter ausholen, denn meine Erfahrungen mit dem Spiel begannen mit der PlayStation-Ur-Version. Leser, die schon ein wenig länger dabei sind, können sich vielleicht aus meinen Erzählungen über Final Fantasy IX erinnern, dass ich lange Jahre keine PlayStation hatte, aber die Schwester meines Nachbarn eine besaß. Und genau jene, gemeinsam mit ihrem Bruder und dessen damaliger Freundin entdeckten Resident Evil für sich. Das Problem dabei? Beide Mädchen fanden zwar Gefallen am Durchforsten des Hauses, aber mit den plötzlich auftauchenden Gegnern hatten sie so ihre Probleme. Wir schrieben (glaube ich) das Jahr 1997 und es war Sommer – für uns Schüler also eine Zeit, um sich lange Nächte um die Ohren zu schlagen, für meinen Nachbarn als Lehrling aber trotzdem Arbeitszeit samt kurzen Nächten. Nachdem die beiden Mädels unbedingt Resident Evil spielen wollten, aber nicht alleine und ohne Mann, der sich um die Zombies kümmert (ihre Aussage, nicht meine), kamen sie eben zu mir.

66311-Resident_Evil_1-2

Ja, ich weiß, was jetzt folgt, klingt wie ein Klischee, aber es ist tatsächlich so abgelaufen: Wir saßen zu dritt im Wohnzimmer, die Mädchen steuerten von Raum zu Raum, beratschlagten, was zu tun ist – und kaum dass ein Zombie auftauchte, wurde der Controller an mich weitergereicht, damit ich ihn ausschalten konnte. Obwohl ich eigentlich auch eher ein schreckhafter Mensch bin, kam ich damit eigentlich ganz gut zu Rande – was wohl auch daran lag, dass zu dritt die Gruselstimmung nur begrenzt aufkam. Tatsache ist aber auch, dass diese Art des Spielens dann doch bald im Sand verlief – ein, zwei Spielesessions später gaben wir es auf. Ich hatte keine Ahnung, wonach wir suchten (sie scheinbar auch nicht) und ich hatte keine Lust, alles abzugrasen – weder Puzzles noch (und das schon gar nicht) die Action hatten mich überzeugt, um das Spiel in irgendeiner Form weiterzuverfolgen (abgesehen eben davon, dass ich ja gar keine PlayStation oder sonst irgendeine aktuelle Konsole zuhause hatte – und die PC-Windows-Version habe ich mir auch nicht gekauft).

Insofern kann man es als kleines Wunder bezeichnen, dass ich dann doch zu Resident Evil zurückkehrte – aber eben erst am Gamecube. Meine damalige Freundin war Fan von Resident Evil (zumindest von Teil 2), aber wir waren nie dazu gekommen, die Spiele miteinander zu spielen. Dann, eines Tages, zeigte uns ein gemeinsamer Freund (für alle, die sich noch daran erinnern: der Takuto vs. FRITZ-Zeichner Manuel Oberhofer) die japanische Version des Spiels. Und auch, wenn ich eigentlich kein Grafikfetischist bin: Die deutlich überarbeitete Optik plus seine Aussagen, dass das Spiel so deutlich verbessert wurde, ließen mich zuschlagen: Bei einem „kauf 3, zahl 2“-Sale im Powerplay (für alle, die sich noch an das Geschäft erinnern können) wanderte dieses Spiel gemeinsam mit Skies of Arcadia Legends und Xenosaga Episode I – Der Wille Zur Macht in meine Sammlung.

attachment

Auch das hieß nicht, dass ich Resident Evil gleich ausprobierte – ich wartete vielmehr auf den richtigen Moment, der knapp ein halbes Jahr später folgte. Und diesmal schaffte es die Kombo, so richtig zuzupacken und mich zu fesseln. Klar, die Puzzles wirkten noch immer irgendwie aufgesetzt, aber dieses Textadventureflair mit den vielen Texten überzeugte mich. Ja, die Steuerung war immer noch dämlich, aber mit ein wenig Gewöhnung schaffbar; und sogar die Kämpfe waren irgendwie fesselnd, weil der Fokus doch mehr auf „überleg dir gut, wie du am besten vorgehst“ statt auf „baller-baller-baller“ lag.

Das bringt mich aber auch gleich zum Abschluss: Warum vermisse ich Resident Evil? Weil hier die Wurzeln für meine Liebe zur Serie liegen. Hätte ich Resident Evil 1 nicht gespielt, hätte ich nicht die anderen Teile für mich entdeckt. Gleichzeitig muss ich aber dazusagen, dass ich ein großer Anhänger des alten Gameplays bin. Während rund um mich Freunde Resi 4 (und in geringerem Ausmaß die späteren Teile) lobten, höre ich nicht auf, von einer Rückkehr ins damalige Flair zu träumen, als Action nicht das Maß aller Dinge war. Laut einigen Berichten soll es ja ausgerechnet die Gamecube-Fassung gewesen sein, die den Schwenk zu mehr Action aufgrund schwacher Verkäufe (rund 1,35 Millionen Stück) ausgelöst hat – was ja fast schon ironisch ist, weil es gerade dieses Spiel war, das mich vom alten Gameplay überzeugt hat. Und so freue ich mich schon heute auf 2015, wenn ich wieder in das alte Herrenhaus zurückkehren darf – vorgerenderte Hintergründe, wenig Munition und jede Menge Puzzles inklusive. Und weil das noch nicht genug ist, hoffe ich dann noch auf Remakes von Zero bis Code: Veronica … und ein Resident Evil 7 im Back to the Roots-Stil. Aber mal sehen …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"