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Spiele, die ich vermisse #93 (WM-Special): Sensible Soccer

Die Fußball-WM ist da … und deshalb spricht die ganze Welt über das runde Leder. Die einen darüber, dass die Großveranstaltung endlich gekommen ist, die anderen, dass sie sich jetzt schon wünschen, dass dieser Wahnsinn schon wieder vorbei wäre. Eigentlich würde man mich ja eher im zweiten Lager wieder finden, aber für mich ist es trotzdem eine willkommene Gelegenheit, über einen der wenigen Fußball-Titel zu sprechen, die mich im Laufe meines Spielerlebens wirklich begeistern konnten. Sein Name? Sensible Soccer.

Sensible Soccer erschien erstmals 1992 und wurde von Sensible Software entwickelt, einem britischen Softwarehaus, das 1986 gegründet worden war. Es war keineswegs ihr erstes Spiel, denn bereits in den Jahren zuvor hatten sie etliche Spiele abgeliefert, wovon die bekanntesten Mega Lo Mania und Wizkid sein dürften. Sogar ein Fußballspiel (nämlich Microprose Soccer) hatten die Briten in den 80ern schon produziert. Doch der große Durchbruch sollte erst Sensible Soccer sein (gefolgt von Cannon Fodder ein Jahr später, womit der Reigen der bekannten Titel des Studios vollendet sein sollte) und das Studio bis zu seiner Schließung (und eigentlich irgendwie auch darüber hinaus) begleiten.

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Wie der Name schon vermuten lässt, war Sensible Soccer natürlich ein Fußball-Spiel – aber keine beinharte Simulation, der es primär um den Realismus des Rasensports ging, sondern vielmehr ein Titel, der einfach zu erlernen und viel Spaß machen sollte. Das zeigt sich wohl am besten daran, dass man eigentlich nur einen simplen Joystick brauchte, um das Spiel mit allen Features genießen zu können – immerhin kannte der Amiga, auf dem ich das Spiel kennenlernte (tatsächlich erschien es aber für eigentlich alle 16-Bit Heimcomputer, Konsolen und die Handhelds der Ära), nur eine einzige Feuertaste. Diese reichte aber aus, um vom Pass (kurzer Buttondruck bei Ballbesitz) über den Schuss (längerer Druck) bis zur Blutgrätsche (Buttondruck ohne Ballbesitz) alle möglichen Kommandos einzugeben. Dazu kamen noch die einfache Steuerung der Spieler, der per Joystick komfortabel in alle vier Richtungen bewegt wurde (wenngleich man für Dribblings je nach Bodenbeschaffenheit ein bisschen Übung brauchte, da Ballverluste durchaus möglich waren), sowie die Möglichkeit, bei einem Schuss den Ball per Joystick verziehen zu lassen (was übrigens nicht alle Konsolenversionen beherrschten). Mehr brauchte es nicht – kein Wunder, dass ich mich heute manchmal frage, warum FIFA so viele verschiedene Buttons am Controller benötigt, wenn es doch auch so einfach geht (allerdings muss man erwähnen, dass die Konsolenversionen auch mehrere Buttons unterstützten, aber oft auch einen Knopf für alles anboten).

Einfach, aber genial war auch die Perspektive. Gut, zugegeben, die Top-Down-Ansicht war damals durchaus üblich in Fußballspielen (eine 3D-Perspektive wäre mit damaligen technischen Mitteln gar nicht so einfach möglich gewesen, manche Spiele setzten allerdings tatsächlich auf eine (gerade für solche Spiele irgendwie seltsame) Seitenansicht), aber Sensible Software entschloss sich, weiter raus zu zoomen als die Konkurrenz, sodass man eigentlich jederzeit eine tolle Übersicht über das Spielfeld besaß. Das Resultat davon war auch, dass die Spielfiguren sehr sehr klein auf dem Monitor zu sehen waren – aber das machte nichts, denn die kleinen Wuselmännchen hatten Charme und waren irgendwie auch ein Markenzeichen von Sensible Software.

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Wie schon zwei Absätze zuvor erwähnt, ging es in Sensible Soccer nie um Realismus. Die Action auf dem Spielfeld war schnell und gnadenlos, schnelle Pässe von kleinem Pixelmännchen zum (hoffentlich richtigen) Mitspieler waren der Schlüssel zum Sieg. Die erste Version des Spiels verzichtete sogar auf gelbe und rote Karten, weshalb die Blutgrätsche ein durchaus wirkungsvolles Mittel war, um den aufs eigene Tor zustürmenden Gegner aufzuhalten (einen Freistoß bzw. Elfmeter gab es natürlich dennoch, aber immerhin verlor man nicht einen Spieler am Feld). Erst das erste größere Update (die 92/93er Edition) brachte diese Karten – und veränderte damit die Art, wie ich das Spiel spielte, gnadenlos.

Wie das Spiel genau in meine Finger gelangte, weiß ich gar nicht mehr – irgendwann war es da und wurde rasch zu jenem Fußballspiel, mit dem ich mich am meisten beschäftigt habe (gut, das ist kein Kunststück bei meinem Spielegeschmack). Der Grund dafür war einfach: Anstatt von mir zu fordern, mich erst lang und breit in die Materie einzuarbeiten, war Sensible Soccer sicherlich nicht viel zu leicht, aber es war schnell und einfach zu begreifen. Klar, im Vergleich zu einem heutigen FIFA, bei dem die gegnerische KI schon sehr intelligent agiert (zumindest meistens) konnte man die gegnerische Mannschaft oft sehr einfach ausspielen und die meisten Partien bestanden daraus, einfach so schnell wie möglich nach vorne zu passen und zu hoffen, dass man das Tor erreicht, bevor einem die Spieler ausgehen; aber auch die KI wusste, wie man Tore schießt, weshalb etliche Partien hohe Resultate aufwiesen. Wie schon erwähnt, konnte man in der ersten Version noch recht gut foulen, wodurch es mir bisweilen dann doch gelang, recht hoch gegen die KI zu gewinnen, aber später mit den gelben und roten Karten musste man schon besser aufpassen, wann (und wie) man zur Grätsche griff, um den Gegner den Ball abzunehmen, was es dann doch wieder ein wenig ausgeglichener gestaltete. Begleitet wurde das alles übrigens auch noch von einer tollen Akustikkulisse. Hier wurde konstant gejohlt, gejubelt und von den Fans gesungen, und alles reagierte auf eure Aktionen.

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Auch in Sachen Umfang war Sensible Soccer wohl durchdacht: Etliche Nationalmannschaften sowie jede Menge bekannte Clubs (mit echten Spielernamen!) warteten auf ihren Einsatz, genauso wie einige Fun-Mannschaften mit äußerst kreativen Spielern. Denkt einfach darüber nach, was für Spieler auf dem Feld stehen, wenn „Famous Aritsts“ gegen „Zoo Animals“ antritt. Wer die volle Kontrolle will, darf sich aber natürlich auch seine Mannschaft selbst zusammenschneidern. All diese Mannschaften konnte man auch in selbst erstellte Cups und Ligen führen, wobei man etliche Parameter selbst festlegen konnte. Dass man das alles dann auch noch mit menschlichen Mitspielern spielen konnte, war natürlich das Tüpfelchen auf dem i.

Damit möchte ich aber auch schon wieder zum Ende kommen. Ich habe Sensible Soccer geliebt, es aber nur in meiner Amiga-Ära gespielt. Klar habe ich mitbekommen, dass Sensible World of Soccer erschien, aber mir das Spiel dann doch nicht zugelegt – auch wenn es heute als die vielleicht beste Version der Serie gilt, aufgepeppt mit mehr Mannschaften, einem Manager- und einem Karrieremodus. Danach ging es rasch bergab, denn mit dem aufkommenden 3D konnte Sensible Soccer nicht mehr mit der Konkurrenz mithalten. 1999 wurde Sensible Software geschlossen an Codemasters verkauft, die bis heute (übrigens in Zusammenarbeit mit dem Serienerfinder Jon Hare) gelegentlich Spiele der Marke veröffentlichen – darunter Handy-Versionen, das umstrittene Sensible Soccer 2006 und eine Neuauflage von Sensible World of Soccer für XBLA.

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Mir bleiben hingegen vor allem Erinnerungen, die mich Sensible Soccer bis heute vermissen lassen: Ein einfaches Fußballspiel, bei dem sich rasch Erfolge einstellten; ein Titel, den man auch mal schnell mit Freunden zocken konnte oder auch einen ganzen Nachmittag für ein Fußballturnier nutzte. Kleine Wuselmännchen, unglaubliche Blutgrätschen und so nebenbei die eigene Klasse als Fußballmannschaft. All das hat mir Sensible Soccer im Laufe der Zeit gegeben. Und ich gebe zu, als ich Jahre später FIFA ausprobierte, tat ich das, um den alten Funken in mir wieder zu entdecken – aber nie wieder hat mir ein Fußballspiel den Spaß gemacht (und so viel Zeit gekostet) wie Sensible Soccer in diesen frühen 90ern auf dem Amiga. Und deshalb werde ich dieses Spiel niemals vergessen.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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