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Spiele, die ich vermisse #91: Micro Machines

Auch wenn die Wii U momentan nicht gerade mit einem Hit nach dem anderen gesegnet wird und sie manche schon abschreiben: Kein Spielerelease diese Woche (und nein, nicht mal Watch_Dogs) hat in meinem Freundeskreis einen solchen Hype ausgelöst wie Mario Kart 8. Für mich ist das Grund genug, mich zwischen verschiedenen Anläufen, die Multiplayer-Cups gegen meine Frau zu gewinnen, an ein ganz anderes Rennspiel zu erinnern, das mir vor allem im Multiplayer sehr viel Spaß gemacht hat und das einen Charme besitzt, den ich bis heute vermisse. Sein Name? Micro Machines.

Rennen fahren, Auto gegen Auto auf kniffligen Strecken – das findet sich doch in beinahe jedem Rennspiel. Doch mit Micro Machines warf Codemasters einen etwas anderen Blick auf das klassische Genre – und zwar einen äußerst kindlichen. Denn betrachtet man Kinder, wenn sie Autorennen abseits von Carrera-Bahnen oder Videospielen ausleben (also zum Beispiel mit einer großen Matchbox-Sammlung), dann merkt man rasch, dass alles zur Rennstrecke werden kann – vom Küchentisch bis hin zur Werkstadt. Dass das Entwicklerteam gerade diesen Blick auf die Welt warf, ist natürlich kein Zufall, denn der Name „Micro Machines“ verrät bereits, dass man hier auf die Marke des Matchbox-Konkurrenten zurückgreifen konnte – und wo sonst sollte man die kleinen Fahrzeuge herumfahren lassen, als auf ganz alltäglichen, zur Rennstrecken mutierenden Einrichtungsgegenständen?

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Gespielt wird Micro Machines aus einer Top-Down-Perspektive, die euch immer einen recht genauen Überblick über den Streckenverlauf erlaubt, auch wenn man trotzdem ein wenig Zeit investieren sollte, um vor allem spätere Kurse besser kennenzulernen, da vor allem mit den schnelleren Autos Hindernisse und Kurven sehr plötzlich auftauchen können (und das Fahrzeughandling bisweilen schnelle Kurskorrekturen ohne Vorbereitung schwierig macht). Das gilt insbesondere für Head to Head, einen der beiden Modi, in dem man seine Fahrzeuge über die Strecken jagen konnte: Während man bei Challenge gegen drei gegnerische Fahrer antritt und das eigene Auto (fast) immer in der Mitte des Screens sitzt (um weiterzukommen und kein Leben zu verlieren, muss man nach drei Runden den ersten oder zweiten Platz einnehmen), versucht man bei Head to Head schneller als der Gegner zu sein, da man einen Punkt bekommt, wenn man so viel Vorsprung hat, dass er aus dem Screen hinausgeraten würde. Hat man das viermal öfter als der Konkurrent geschafft, hat man gewonnen (nach drei Runden gewinnt derjenige, der mehr Punkte hat). Da man hier als vorne liegender noch weniger Reaktionszeit bekam (weil man ja näher am Bildschirmrand war) war eine gute Kenntnis der Strecke oft sehr hilfreich.

Apropos Strecke: Das wirkliche Highlight des Spiels waren wohl die Kurse und die dazugehörigen Fahrzeuge, die sich dem Setting anpassten. Nur ein kleiner Auszug: Powerboote in der Badewanne, in von Schaum begrenzten Kursen, auf denen Quietscheentschen und Seifenstücke lästige und Abflusswirbel gefährliche Hindernisse waren; mit Formel 1-Wagen über den Billardtisch, wo Kurse mit Kreide eingezeichnet waren, die Löcher bisweilen Teil des Streckenverlaufes waren und Spielkarten als Brücken zu den Außenrändern des Tisches dienten; mit schnittigen Sportwagen über Schreibtische, auf denen man nicht nur mit Spitzern, Linealbrücken und Sprungrampen aus Ordnern kämpfte, sondern vor allem mit dem zu Ausbrüchen neigenden, gefährlichen Fahrverhalten der Rennautos. Von den Panzern im Kinderzimmer (samt Schüssen auf Konkurrenten, aber mit extrem langsamen Drehverhalten) und Trucks in der Werkstatt (samt Schrauben und Superkleber) mal ganz abgesehen.

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Die Reihenfolge, in der man diese Kurse befuhr, konnte man übrigens nicht festlegen, sondern war fix vorgegeben. So wurde ein langsam ansteigender Schwierigkeitsgrad aufrechterhalten, auch wenn das erste Sportwagen/Schreibtischlevel (immerhin schon der dritte Kurs) ein doch recht früher Stolperstein sein konnte. Einen gewissen Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad hatten dabei auch die Konkurrenten, die (auch wenn das Spiel das nicht anzeigte) unterschiedlich gut mit ihren Fahrzeugen umgehen konnten. Erfahrene Spieler wussten das und achteten darauf, die guten Fahrer auf den leichten Kursen auszuschalten (und/oder einfach den besten, nämlich Spider, als Spieler-Avatar auszuwählen). Immerhin hatte man zu Beginn des Spiels nur drei Leben, und wer ein Rennen nicht auf den nötigen Platzierungen beendete (bzw. in Head to Head verlor), musste das Level von vorne starten und mit einem Leben bezahlen. Gingen diese aus, hieß es „Game Over“. Mehr Leben bekam man nur, wenn man drei Level hintereinander gewann und im anschließenden Bonus-Level (ein kniffliges Rennen voller Hindernisse im Gemüsegarten) die Ziellinie vor Ablauf der Zeit überquerte.

Gesteuert wurde Micro Machines klassisch arcadig – links, rechts, Gas, Bremse (und bei den Panzern noch der Schuss) waren alles, was man brauchte, um die Kurse zu überstehen. Langweilig wurde das Spiel dennoch niemals – dank des bereits erwähnten unterschiedlichen Fahrverhaltens und der abwechslungsreichen Kurse (jedes Setting kam im Laufe des Spiels natürlich mehrfach vor) dauerte es lange, bis man das Spiel zur Seite legen wollte. Und da der Schwierigkeitsgrad angenehm, aber stetig anstieg, war es gar nicht so leicht, alle Kurse zu gewinnen um im Endeffekt das Champion’s Race für sich zu entscheiden.

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Eines vorne weg: Das habe ich nie geschafft. Ich habe Micro Machines am Amiga recht bald nach dem Release für mich entdeckt (das Spiel erschien allerdings auf zahlreichen Plattformen – neben den typischen 16-Bit Konsolen und dem CD-i waren auch die 8-Bitter und Handhelds von Sega und Nintendo mit an Bord, ich habe aber nur die Amiga-Fassung gespielt) und während meiner langen Zeit mit dem Commodore-Heimcomputer regelmäßig hervorgekramt, bin aber selbst nach einiger Übung regelmäßig im hinteren Drittel der Strecken gescheitert. Doch selbst bis dorthin zu kommen war ein längerer, steiniger Weg, den mir vor allem die schnelleren Fahrzeuge (die Sportwagen und waren aufgrund der Geschwindigkeit und des Fahrverhaltens ziemlich knifflig) sowie einige langsamere, aber aufgrund der Hindernisse schwierig zu fahrende Levels bescherten. Andere Abschnitte – zum Beispiel die Hubschrauberstrecken im Garten – gelangen mir fast immer. Spaß haben sie aber eigentlich alle gemacht, wenngleich mir natürlich manche Settings besser gefielen als andere – die Panzerlevels hätte ich zum Beispiel nicht gebraucht. Das galt allerdings primär für die Single-Player-Duelle (von denen ich wohl am meisten fuhr), denn im Multiplayer konnten diese Abschnitte teuflischen Spaß machen. Wobei, den konnte man auch haben, wenn man den Gegner mit einem gekonnten Check vom Tisch fegte …

Damit will ich aber auch schon zum Ende kommen: Warum vermisse ich Micro Machines? Weil es für mich das richtige Spiel zum richtigen Zeitpunkt war. Diese simple Top-Down-Perspektive, das einfache, arcadige Fahrmodell, die nette 16-Bit-Grafik – all das funktionierte in dieser Ära perfekt, während es in der nächsten Konsolengeneration bereits veraltet gewirkt hätte. Hier passte es aber – Micro Machines war schnell, fuhr sich spritzig und vermischte eine bekannte Idee mit einem frischen, unverbrauchten, aber dennoch nicht unpassenden Setting. Immerhin hat wohl jeder irgendwann Wohnung und/oder Haus als Rennstrecke benutzt, oder? Diese Zutaten passten für mich einfach alle zusammen. Von Dauer war der Mix allerdings leider nicht: Micro Machines 2 habe ich noch wirklich gern gespielt – es war auch das Prinzip von Teil 1 mit einigen Verbesserungen. Aber ab Teil 3 und der Ankunft von 3D in der Serie war für mich der Reiz vorbei, der Mix aus Alltag und Autorennen konnte nicht mehr zünden. Und das sind wohl die besten Gründe, ein Spiel zu vermissen, denn bis heute wünsche ich mir die Rückkehr von schnellen, spaßigen Top-Down-Rennen mit winzigen Racern quer über Schreibtische, den Gemüsegarten oder die Werkbank. Ob ich es wohl jemals bekommen werde? Die Zeit wird es weisen …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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