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Spiele, die ich vermisse #82: Final Fantasy Tactics

Wochenende – und damit wieder Zeit, in Retro-Gefilden zu schwelgen. Diese Woche wurde mir das ja fast leicht gemacht: Mit Final Fantasy X/X-2 HD erschien eine Neuauflage eines echten Klassikers. Dass ich zumindest über eine Hälfte dieses Rereleases bereits geschrieben habe, sollte mich auch nicht aufhalten – die Welt von Final Fantasy ist groß genug, um noch viele Erinnerungen herauszukramen. Der heutige Kandidat ist allerdings kein Mitglied der Hauptreihe (wurde allerdings weit nach seinem Release in eine der Unterreihen eingegliedert), sondern ein Spin-off, das erst sehr spät den Weg nach Europa fand. Sein Name? Final Fantasy Tactics.

Die Geschichte von FFT entführt uns ans Ende eines fünfzig Jahre dauernden Krieges zwischen dem Königreich Ivalice und seinen Nachbarn Ordalia und Romanda. Der lange Konflikt hat dem Land große Probleme beschert, doch anstatt dass der Friede diese rasch ausräumt, wird es noch schlimmer: Der König ist verstorben, sein Erbe ein Kleinkind und wer an seiner Stelle regieren soll, spaltet die Nation. Das Resultat ist der Lion War mit jeder Menge politischen Verwicklungen, der Einmischung religiöser Gruppierungen und voller Charaktere mit eigenen Agenden.

JobClasses

Der Fokus des Spiels liegt allerdings auf einem ganz speziellen Duo, nämlich Ramza Beoulve und Delita Heiral. Die beiden mögen wie Brüder aufgewachsen sein, aber eigentlich trennen sie Welten: Ramza gehört (obwohl er ein Bastard ist) dem Adel an, während Delita keinen Tropfen blauen Blutes in sich trägt. Da die Geschichte eigentlich in einer gewaltigen Rückblende erzählt wird (ein Historiker verspricht uns gleich zu Beginn, die Wahrheit über die Lion Wars aufzuklären), wissen wir, was die offizielle Geschichtsschreibung über beide sagen wird: Delita ist ein Gewöhnlicher, der zum Kriegshelden wurde, während Ramzas Rolle im Krieg nie den Weg in die Annalen fand. Dass das keineswegs dem tatsächlichen Geschehen gerecht ist, wird uns klar, während wir FFT spielen – denn nicht umsonst wird Ramza zu unserem Alter Ego, das wir in zahlreiche Schlachten führen werden.

Die Geschichte von Final Fantasy Tactics ist kompliziert, umfasst zahlreiche Charaktere und fast noch mehr Wendungen, die es gar nicht so einfach machten, der Story zu folgen (was insbesondere auf die englische, nie in Europa erschienene Ur-PlayStation-Version zutrifft – diese hatte nämlich darüber hinaus noch mit einer miserablen Übersetzung zu kämpfen). Erzählt wurde die Handlung allerdings primär in In-Engine-Cutscenes (die PSP-Fassung fügte CG-Zwischensequenzen hinzu), denn anders als in den „normalen“ Final Fantasy-Teilen gab es hier kein Herumlaufen durch die Landschaft, kein Erkunden von Städten und kein Plaudern mit Passanten. Fast spartanisch reiste man per Weltkarte von Ort zu Ort, jeder Schritt von einem Punkt im Land zum anderen verbrauchte einen Tag. Klar: es gab Ortschaften, wo man sich bei Händlern ausstatten konnte oder in der Taverne den Wirten ausfragen konnte, aber der Fokus des Spiels lag an einem ganz anderen Punkt: den Kämpfen.

Foto+Final+Fantasy+Tactics +The+War+of+the+Lions

Und auch hier ging Final Fantasy Tactics ganz andere Wege als die Hauptserie: Egal ob Random Encounter oder vorgegebener Kampf, man stellte sich aus seinem rasch anwachsenden Trupp an Gefolgsleuten eine kleine Einheit zusammen (bei Storygefechten musste man oft bestimmte Charaktere mitnehmen, gerade bei den Zufallskämpfen blieb es einem allerdings selbst überlassen, wen man in die Schlacht brachte) und schickte sie in die Kampfarena. Diese wurde in isometrischer Sicht präsentiert und war gefüllt mit Hindernissen, verschiedenen Erhebungen und Vertiefungen, gerade in Städten natürlich oft auch Häusern und Wänden – und natürlich Gegnern, die es zu besiegen galt. Denn auch wenn manche Kämpfe andere Aufgaben stellten, lief es meistens auf eine ganz einfache Sache hinaus: Vernichte alle, die sich gegen dich stellen!

Da das Kampfsystem das Herz des Spiels war, überrascht es nicht, dass es reichlich komplex daher kam. Es gab eine Zugreihenfolge, die maßgeblich von der Geschwindigkeit der einzelnen Einheiten bestimmt wurde – stieg der „CT“-Wert einer Figur auf oder über 100, war sie an der Reihe und durfte sich bewegen und eine Aktion durchführen. Welche Aktion das war, wurde maßgeblich von der Klasse bestimmt, denn FFT setzte massiv auf das Job-System, das Final Fantasy-Spieler spätestens aus Final Fantasy V kannten. Begannen alle Figuren entweder als Squire oder Chemist (jene Klasse, die Potions, Phönixfedern oder ähnliche Items einsetzen konnte), konnten sie sich mit zunehmender Erfahrung weiter entwickeln und Klassen wie Mönch, Magier (in etlichen Variationen) oder Dragoons, ausfüllen. Nicht alle Jobs kannte man aus anderen Teilen der Reihe – exotischere Klassen, wie den Calculator, gab es nur hier.

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Aus der schieren Anzahl der Klassen – über 20 – ergibt sich, dass diese sehr spezifische Aufgaben übernehmen und in mancherlei Hinsicht eher Fachidioten darstellen. Nur der Chemist kann Potions einsetzen, während zum Beispiel das Beschwören von Ifrit und Co. natürlich nur Summonern gelingt. Deshalb ist es eine große Herausforderung, die richtige Mischung an Charakteren ins Feld zu schicken, die man gut an die Aufgabe (was man natürlich erst weiß, wenn man sie schon einmal gespielt hat) und den persönlichen Spielstil anpassen sollte. Damit es nicht ganz so schwierig ist (und die eigenen Leute nicht totale Fachidioten werden) gilt allerdings, dass man das Skillset einer Klasse zusätzlich ausrüsten kann. So könnte zum Beispiel ein Archer, der vorher Chemist war, einfach den Chemist-Skill in den zweiten Ability-Slot legen und so auf seine alten Fähigkeiten zugreifen. Das gilt auch für Reaction-Commands (die durch Angriffe auf die Figur getriggert werden), für die Support- und Movement-Skills – auch hier kann man sich einfach einen aussuchen, egal, von welcher Klasse er kommt. Hauptsache, man hat ihn vorher gelernt.

Klingt schon sehr kompliziert? Wir haben aber noch nicht einmal an der Oberfläche gekratzt. Da ich aber auch aus Zeitgründen gar nicht mehr so sehr in die Tiefe gehen möchte, nur ein paar weitere Beispiele: Nur, weil man eine Klasse ausgewählt hat, heißt das noch lange nicht, dass man auch alle Skills dazu beherrscht – diese muss man nämlich erst mit den nötigen Job Points, die für jede Klasse einzeln erworben werden (und zwar durch eigene Aktionen, während man diese Klasse ausfüllt, aber auch durch Beobachten eigener und feindlicher Charaktere mit dieser Klasse), freischalten. So reizvoll es also sein mag, möglichst schnell die Karriereleiter raufzuklettern und zum Beispiel den Chemist rasch zum Weiß- oder Schwarzmagier zu machen, so wenig ratsam ist dieser Schritt – denn dann steht man mit lauter Leuten da, die nicht einmal wissen, wie man eine Phönixfeder benutzt. Oh, und sollte ich noch erwähnen, dass weibliche Figuren eher für die magischen Disziplinen geeignet sind, während männliche („natürlich“) für die Kriegerprofessionen taugen, es aber spezielle Jobs gibt, die nur jene freischalten können, die die Karriere auf der „falschen“ Seite zu Ende geführt haben?

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Umso schwerwiegender ist, wenn man den ganzen Aufwand bei der Entwicklung seiner Figuren bedenkt, dass das Spiel Perma-Death bietet: Fällt eine Figur, hat man nur wenige Runden, sie ins Leben zurückzuholen, bevor sie sich in einen Kristall oder eine Schatzkiste verwandelt und für immer verloren ist. Natürlich versucht man deshalb möglichst, das Ableben seiner Gefährten zu vermeiden, aber in manchen Missionen (der Schwierigkeitsgrad ist vor allem zu Anfang bisweilen sehr heftig) ist es nur schwer möglich, ohne Verluste auszusteigen. Das liegt nicht nur daran, dass die KI durchaus intelligent reagiert, sondern auch daran, dass man ordentlich rechnen muss, um keine taktischen Fehler zu machen. Nur ein Beispiel: Ein Zauber betrifft meist nicht nur ein Feld, sondern auch jene, die direkt daran angrenzen. Außerdem dauert es – je nach Mächtigkeit der Fähigkeit – auch eine Weile, bis der Effekt eintritt. Wer also zum Beispiel einen Feuerzauber auf einen Gegner castet, aber nicht bedenkt, dass sich dieser noch zuvor bewegen kann, schadet vielleicht seinen eigenen Truppen. Wer hingegen sicherheitshalber statt auf dem Gegner auf dessen aktuelles Feld castet (wichtiger Unterschied!) zaubert aus demselben Grund vielleicht ins Leere.

Dieses komplizierte Gameplay (und ja, wir haben noch immer nicht alle Feinheiten besprochen) kam nicht aus dem Nichts: Designer Yasumi Matsuno hatte seine Karriere bei Quest begonnen, für die er Ogre Battle-Reihe erfunden hatte – und insbesondere der zweite Teil des Spiels, Tactics Ogre: Let Us Cling Together, besaß schon viele Features, die Final Fantasy Tactics ausmachen sollten. 1995 wechselte er zu Squaresoft und begann mit der Arbeit an FFT. Später sollten jene Titel folgen, die ihn hierzulande wohl am berühmtesten machten: Das Action-Rollenspiel Vagrant Story sowie Final Fantasy XII (auch wenn er hier bereits vor der Fertigstellung Square Enix verließ). All diese Titel haben eines gemeinsam: Sie spielen (wenngleich in Vagrant Story das nur angedeutet wird) in Ivalice, genauso wie die beiden Final Fantasy Tactics Advance-Teile (mit denen Matsuno allerdings nichts zu tun hatte). Deshalb gehören sie (mit Ausnahme von Vagrant Story) auch zur Ivalice Alliance, auch wenn FFT erst mit dem PSP-Remake in diese Reihen aufgenommen wurde.

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Bei mir drehte sich FFT allerdings nicht erst mit der PSP in meinem Laufwerk: Es gehörte ebenso wie Xenogears zu jener Welle von Spielen, die ich mit der ausgeborgten Import-PlayStation eines Freundes spielen durfte. Aus diesem Grund hatte ich auch das zweifelhafte Vergnügen, die Urfassung von FFT kennenzulernen und an irgendeinem Punkt völlig aus der Story auszusteigen – was wirklich vor sich ging, verstand ich erst bei meinem zweiten Versuch mit der PSP-Fassung.

Aber auch wenn es die Story ist, die dem Spiel die Würze verleiht, ist es zum Glück vor allem das Gameplay, mit dem das Spiel wirklich punktet – und das gelang auch bei mir vollkommen: An der Aufstellung feilen, berechnen, wie lange es dauert, bis ein Zauber trifft, regelmäßig fluchen und am Ende doch triumphieren gehört ebenso dazu wie lange tüfteln, wie man seine (schnell ans Herz wachsenden) Charaktere am besten auflevelt und welche Fähigkeiten man unbedingt unlocken muss, bevor man in den nächsten Job wechselt. Oft genug musste ich einen Schritt zurück machen, um mir einen lebenswichtigen Skill zu holen, den ich schon viel früher freischalten hätte sollen – Ungeduld ist bisweilen gefährlich, aber zum Glück meist korrigierbar, wenn man bereit ist, ein paar Random Encounters zusätzlich einzuschieben.

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Apropos zusätzlich einschieben: Es war schon im Urspiel möglich, Cloud Strife aus FF VII in seine Party zu holen, und auch Aerith hatte einen kurzen Gastauftritt. Im Remake trifft man außerdem auf Balthier aus FF XII und Luso aus FFTA2. Sie hatten allesamt ihre eigenen Questreihen, die auf ihre Geschichte aus den Hauptteilen zugeschnitten waren, aber nicht notwendig waren, um das Spiel zu beenden – dennoch war es natürlich Ehrensache, diese Abschnitte ebenfalls zu meistern. Ganz genauso, wie man sich die beiden Spezialklassen holen musste. Oder einfach mal aus Prinzip mit einem Calculator verheerende Angriffe berechnen (er lässt Zauber auf alle Charaktere regnen, die bestimmte Bedingungen erfüllen – also zum Beispiel „Feuer“ auf alle, deren Level durch vier teilbar ist). All das gab dem Spiel (nach einer etwas zähen Anfangsphase) einen ganz besonderen Reiz.

Dieser ganz besondere Reiz ist es auch, der mich FFT bis heute vermissen lässt. Aus irgendeinem Grund erreichten beide FFTA-Teile nie wieder die Faszination, die der erste Teil auf mich ausgeübt hat. Dieses lange Knobeln, wie man seine Figuren aufstellt, ja sogar, in welche Richtungen sie blicken sollen (ein wichtiges Kriterium bei Angriffen!), die Spielerei mit den passenden Sternzeichen (ja, auch darauf muss man achten) und die vielen Jobklassen ergaben ein ganz eigenes Flair, das ich in keinem anderen Spiel wieder gefunden habe. Daran hatte auch die Optik (ähnlich wie in Xenogears hat man es hier mit 3D-Landschaften und 2D-Sprite-Figuren zu tun) ihren Anteil, genauso wie die Story und natürlich die wunderbare Musik (vor allem das Hauptthema hängt mir bis heute in den Ohren). Und so ist es kein Wunder, dass ich erst vor kurzem einmal mehr die PSP-Version (diesmal auf der Vita) zu spielen begonnen habe. Wohlige Gefühle der Erinnerung inklusive …

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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