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Spiele, die ich vermisse #76: Winter Games

Angekündigte Pausen dauern ein wenig länger: Dass es letzte Woche keinen neuen Eintrag in meine Serie geben würde, habe ich ja bereits bei Ausgabe 75 angekündigt. Dass sich Freitag nicht ausgegangen ist, lag an einigen Umständen – und daran, dass ich mir die Eröffnung der Winterspiele in Sotchi angesehen habe. Das kann ich diesmal allerdings als „Recherche“ verbuchen, denn dieser Eintrag wird sich – passend zum aktuellen Sportereignis – einmal mehr um körperliche Ertüchtigung in Schnee und Eis drehen. Anders als bei Skirennen ist allerdings diesmal ein Titel das Thema, der eine Generation später in die Händlerregale wanderte und wie sein Vorgänger als Joystick-Killer bekannt ist: Winter Games.

Treue Leser der ersten Stunde (oder jene, die alte Einträge nachgeholt haben) erinnern sich vielleicht, dass ich dem Vorgänger des Epyx-Sportspektakels, nämlich Summer Games, einen der ersten Einträge gewidmet habe – damals passend zu den Spielen in London. Der Erfolg dieses Spiels sorgte dafür, dass nicht nur Summer Games II in die Händlerregale kam, sondern auch ein Ableger mit Eis und Schnee entwickelt wurde. Mit einem Release 1985 (zumindest auf C64 und einigen anderen Plattformen – andere sollten später folgen) erschien das Spiel zwar nicht passend zu irgendwelchen Spielen (Summer Games war passend zu Los Angeles 1984 herausgekommen), was aber auch nichts ausmachte, da auch diesmal die IOC-Lizenz fehlte und deshalb die Epyx Games auf dem Monitor inszeniert wurden, die natürlich rein zufällig eine Fackelzeremonie beinhalteten und Medaillen analog der olympischen Spiele vergaben.

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Die C64-Version (die ich spielte) umfasste sieben Disziplinen aus diversen Kategorien. Einige davon erinnerten natürlich an altbekannte Sommer-Disziplinen (Eisschnellauf war eindeutig mit dem Laufen aus Summer Games bzw. dem Rudern aus Summer Games II verwandt und war ebenso wie diese eine Joystick-Rüttelorgie), während andere ganz andere Qualitäten erforderten und zum Teil auch deutlich komplexer waren als jene des Vorgängers. Zwei Beispiele fallen mir hier sofort ein: Die beiden Eiskunstlaufdisziplinen erforderten es, etliche Figuren auszuführen und dabei nicht zu stürzen. Und beim Biathlon galt es nicht nur, mit verschiedenen Geländetypen (ebenes, steigendes Terrain sowie natürlich Abfahrten) zurecht zu kommen, sondern auch noch auf den Puls zu achten, um nicht große Nachteile beim Schießen zu haben. Hier war neben Können eben auch Taktik gefragt.

Abgerundet wurde das Paket noch mit dem Schispringen, Hot-Dog (Trickskispringen) und einem Rennen im Viererbob – letzteres sogar auf den meisten Plattformen mit einer Art 3D-Ansicht in der linken oberen Ecke (wobei hier natürlich ordentlich grafisch getrickst wurde, aber für damals war das schon beeindruckend). Nur schwächere Plattformen (und hier insbesondere der Atari 2600) bekamen Bobfahren in Top-Down-Ansicht, dafür aber immerhin auch Skeleton und sogar Schifahren, dann allerdings technisch deutlich abgespeckt. Apropos abgespeckt: Man glaubt es zwar bei einem Blick auf die Screens heute nicht mehr, aber Winter Games war auf „modernen“ Plattformen ein durchaus hübsch anzusehendes Spiel – wobei hier natürlich die späteren Ports auf die 16-Bit-Plattformen die Nase noch ein Stückchen weiter vorne haben.

Winter-Games

Für mich stellen sich diese Plattformüberlegungen aber erst heute – wie schon erwähnt war Winter Games (so wie alle Epyx-„Games“-Titel) für mich ein reines C64-Spiel. Angefixt von Summer Games und World Games (zu letzterem werde ich wohl noch irgendwann kommen), war der Weg für die Winter Games rasch vorbereitet. Wann genau ich das Spiel in die Finger bekam, kann ich zwar nicht beziffern (ich tippe auf irgendwann 1988 – damals blieben Spiele eben noch länger aktuell), aber bald war es Teil meiner „Family-Games“. Und auch hier gilt das, was ich schon bei Summer Games gesagt habe: Auch wenn ich am liebsten die Spiele mit acht Spielern (das war die Maximalzahl) veranstaltete und dafür meine ganze Familie auf dem Fernseher/Monitor versammelte, spielte ich dennoch meistens alle selbst und stellte mir so die Frage: Wer ist der Beste in meiner Familie (natürlich ich – klar, wer alle spielt, muss auch mit einem Charakter gewinnen).

Was das bei dem Joystick-Rütteln für meine Handgelenke bedeutete, könnt ihr euch vorstellen – dennoch ließ ich das Eisschnelllaufen nicht aus meinem persönlichen Olympiaprogramm hinausfallen. Dieses Schicksal ereilte am ehesten eine (wenn nicht beide) der beiden Eiskunstlaufdisziplinen, für die ich weder ein besonderes Interesse noch das Können mitbrachte und die eher für mich ein kreatives Dahinstolpern (und damit eher auf Zufallssiege) hinauslaufen. (In diesem Sinne: Danke für die Option „Compete in Some Events“). Meine Favoriten lagen definitiv woanders: Das Bobfahren hatte ich schnell verstanden (immer in die Kurve lenken, sonst fällt man aus) und machte (trotz nur einer Strecke) viel Spaß; Schispringen brauchte ein wenig, bis ich herausfand, wie man die Schi richtig „sortiert“ (man musste im Flug nämlich nicht nur auf Vor- und Rückenlage, sondern auch darauf achten, dass sich die Schi nicht überkreuzen), aber dann machte diese Disziplin richtig Laune. Der Preis für „längste Zeit, bis mir die Disziplin zusagte“ geht allerdings an den Biathlon, der ein wenig brauchte, bis ich ihn völlig durchschaute. Auch dann wurde er allerdings auch nicht unbedingt Teil der Familienspiele– er war nämlich schlicht und ergreifend langwierig, was bei acht Spielern ganz schön anstrengend war und dem Namen Sportspiel eine andere Bedeutung verpasste.

Winter Games [C64]

Damit will ich aber auch schon zum Ende kommen: Warum haben sich die Winter Games einen Platz in meiner Erinnerung verdient? Da spielen natürlich viele Kindheitserinnerungen mit, Stunden die ich mit Ski, Bob und Eislaufschuhen im virtuellen Schnee und Eis verbracht habe. Aus heutiger Sicht mag  die Umsetzung der Disziplinen simpel sein, aber das Gesamtpaket konnte einfach damals punkten. Dazu kam – auch wenn das bei mir selten und nur in ein paar Runden gegen Freunde zutraf – natürlich die Party-Value. Zu acht die verschiedenen Disziplinen zu bewältigen konnte unglaublich Spaß machen – vor allem dann, wenn keiner genau wusste, was er hier zu tun hatte (was auch ein Grund war, warum ich eher selten in Freundesrunden spielte – ich hatte mehr Übung, was die Bewerbe eher unfair machte). Vor allem aber gilt auch hier: Was die Winter Games geschafft haben, schaffte kein Olympia-Paket jemals wieder – mich so richtig zu fesseln. Hier passten Zeit und Umsetzung einfach zusammen, und auch wenn Mario & Sonic in die richtige Kerbe schlug, konnte es meine Gaming-Gefühle nicht mehr so in die Höhe treiben wie damals. Und das reicht für viele gute Erinnerungen und einen sentimentalen Blick zurück.

Florian Scherz

Bereits früh entwickelte Florian zwei große Leidenschaften: Videospiele und Theater. Ersteres brachte ihn zu einem Informatikstudium und zu Jobs bei consol.MEDIA und Cliffhanger Productions; zweiteres lässt ihn heute (unter anderem) als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Lichtdesigner arbeiten. Wenn er gerade keine Musicals inszeniert, spielt oder schreibt, vermisst er auf Shock2 Videospiele von anno dazumal in seiner Blog-Reihe "Spiele, die ich vermisse".

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